FPÖ-Politiker Harald Stefan

Stammtisch-Aufnahme – ÖVP “befremdet”

Mittwoch, 15. Januar 2025 | 16:39 Uhr

Von: apa

Die ÖVP hat sich am Mittwoch über Aussagen zweier FPÖ-Nationalratsabgeordneter über die Volkspartei sowie die EU “befremdet” gezeigt. Harald Stefan und Markus Tschank hatten laut “Standard” den potenziellen Koalitionspartner ÖVP als “jämmerlich” bezeichnet. In der FPÖ war man um Beruhigung bemüht. Es sei nachvollziehbar, dass es persönliche Animositäten gibt, sagte Generalsekretär Christian Hafenecker in einer Pressekonferenz, der auch den “Standard” kritisierte.

Zur EU sagten die beiden FPÖ-Abgeordneten laut einer von einem französischen TV-Sender heimlich mitgeschnittenen Aufnahme eines Stammtisch-Gesprächs, aus dieser müsse man “eigentlich” austreten. “Wir sind befremdet über die Aussagen der FPÖ-Politiker, die sich offen einen Austritt aus der Europäischen Gemeinschaft wünschen”, hieß es seitens der ÖVP auf APA-Anfrage. “Für uns ist klar: Ein mögliches Regierungsprogramm muss klar proeuropäisch sein. Es braucht ein klares Bekenntnis, dass Österreich verlässlicher und konstruktiver Teil der Europäischen Union bleibt. Mit uns wird es keinen Öxit geben”, so die schriftliche Stellungnahme.

Hafenecker gegen “Kleinkrämerei”

Hafenecker versuchte, angesichts der derzeit stattfindenden Koalitionsverhandlungen die Wogen zu glätten, insbesondere was die Aussagen über die Volkspartei betrifft. Er zeigte sich sicher, dass es auch bei Treffen von ÖVP-Politikern wohl ähnliche Wortmeldungen gebe. “Dass es Äußerungen gibt in vertrauter Runde, da kann ich niemandem einen Vorwurf machen”, meinte er. “Das passiert bei der ÖVP genau so.” Wichtig für alle Parteien sei es, das Regierungsprojekt nicht zu torpedieren, sprach er sich gegen “Kleinkrämerei” aus.

Der “Standard” hatte zuvor über die Aussagen von Stefan und Tschank bei einem FPÖ-Stammtisch in Wien-Simmering vergangene Woche berichtet. Stattgefunden hat die Veranstaltung am 8. Jänner – am gleichen Tag, an dem die ÖVP verkündet hatte, die Einladung der Blauen zum Gespräch über eine gemeinsame Regierung anzunehmen. .

FPÖ: ÖVP gehöre “eigentlich” auf Oppositionsbank

Die ÖVP solle “eigentlich mit einem Regierungsverbot ausgestattet und auf die Oppositionsbank geschickt” werden, hatte Tschank etwa gesagt. Die Volkspartei sei aber “machtgeil” und wolle in ihren Positionen bleiben, deshalb könne man ihr zeigen, “dass wir die stärkere Partei sind, dass wir unsere Inhalte durchsetzen.” Auch gegen die EU wandten sich die Mandatare: Ein EU-Austritt Österreichs sei Stefan zufolge “keine echte Option”, trotz vermeintlicher Überwachungsmaßnahmen und Beschränkung der Meinungsfreiheit in der EU. Man müsse sich allerdings “mit anderen zusammenschließen und dagegenhalten”.

Auch gegen Migrantinnen und Migranten fielen scharfe Worte. In Afghanistan werde man “aufs Land geschickt”, wenn man sich in einer Stadt “deppert” verhalte, wird Stefan zitiert. “Da sind dann so regionale Stammeshäuptlinge. Und die haben das dann auch halbwegs im Griff.” Wenn jemand immer noch nicht “spure”, werde er nach Europa geschickt – hier erhalte man laut Stefan also nur das “letzte Gesindel”. Die FPÖ-Abgeordneten redeten außerdem davon, dass es sich auszahlen würde, den Taliban Geld anzubieten, um Flüchtlinge zurückzunehmen. Die internationalen Verträge wie die Europäische Menschenrechtskonvention müsse man entweder ganz abschaffen oder ergänzen, so Tschank.

FPÖ-Nepp beschimpft “Standard”, RH stellt klar

Der Landesparteisekretär der FPÖ Wien, Lukas Brucker, kritisierte die heimlichen Aufnahmen. “Sollten linke Medien illegalen Stasi-Methoden Dritter durch die Verwendung des Materials Vorschub leisten, wäre dies der absolute Tiefpunkt des Journalismus in diesem Land und müsste ernsthafte Konsequenzen nach sich ziehen.” Keine Freude mit dem Bericht der Tageszeitung hatte offensichtlich auch Wiens FPÖ-Obmann Dominik Nepp. “5 gute Jahre, wenn es mit diesem ‘Scheißblatt’ endlich vorbei ist”, schrieb er in Anlehnung an die Nationalratswahl-Kampagne der FPÖ auf X, gefolgt vom Hashtag “#presseförderungnurnochfürechtequalitätsmedien”.

Kritik kam in diesem Fall ebenso von der ÖVP. “Nepp bedient sich einer derart derben Sprache, dass man nur ratlos zurückbleibt”, befand Verfassungssprecher Wolfgang Gerstl. Offenbar sei der Wiener FPÖ-Chef schon im Wahlkampf. Und selbst Rechnungshof-Präsidentin Margit Kraker sah sich zu einer Klarstellung veranlasst, ohne Nepp oder den aktuellen Fall konkret zu benennen. “Staatliche Förderungen sind Steuergeld. Sie sind nicht das Geld von Regierenden”, schrieb sie in sozialen Medien. “Förderungen werden nach Richtlinien und objektiv nach ihrem Zweck vergeben. Und nicht, weil der/die Fördernehmer/in gerade gefällt oder nicht. So ist das.”

FPÖ-Hofer spricht sich für “vergeben und vergessen” aus

Der FPÖ-Spitzenkandidat im Burgenland, Norbert Hofer, schlug seinerseits versöhnliche Töne an. Es sei “klug, sich in dieser Phase auf die Inhalte zu konzentrieren”, kommentierte Hofer den Vorfall am Mittwoch in Wien bei einer Pressekonferenz mit dem ungarischen Kanzleiminister Gergely Gulyás. Als Dritter Nationalratspräsident habe er früher “viele Sitzungen geleitet und viele Wortmeldungen gehört, die nicht weniger angriffig waren als das, was wir am Stammtisch in Simmering gehört haben”. Er sei ein Fan des Prinzips “vergeben und vergessen”, betonte Hofer.

Kritik von SPÖ, Grünen und NEOS

Scharfe Kritik an den Freiheitlichen kam von SPÖ, Grünen und NEOS. Für den roten Bundesgeschäftsführer Klaus Seltenheim zeigen die Aussagen der FPÖ-Abgeordneten einmal mehr, dass mit der FPÖ kein Staat zu machen sei. “Die FPÖ legt das Drehbuch zum medienpolitischen Umbau der Republik bereitwillig offen”, meinte die geschäftsführende Klubobfrau und Mediensprecherin der Grünen, Sigrid Maurer. NEOS-Chefin Beate Meinl-Reisinger äußerte auf X in Richtung FPÖ: “Die Meinungsfreiheit, die sie meinen. Die Pressefreiheit, die sie meinen. Was für beleidigte Clowns.”

Kritik an Nepps Posting kam auch von der GPA und der Journalistengewerkschaft. Die Aussage sei “eine unverhohlene Drohung und ein beispielloser Angriff auf die Pressefreiheit in Österreich”. Der Presserat stellte außerdem auf Bluesky klar: “Wenn Informationen von besonderem öffentlichen Interesse beschafft werden, sind gemäß Punkt 8.3 unseres Ehrenkodex verdeckte Recherchen möglich. Gerade wenn die Infos wichtig für den politischen Diskurs sind, ist das öffentliche Interesse entsprechend groß.”

Appelle von UNHCR und Amnesty

Kritik zu den Aussagen über Asylwerber war auch vom UNO-Flüchtlingshochkommissariat (UNHCR) gekommen. Im Hinblick auf die laufenden Koalitionsverhandlungen appellierte man gegenüber der APA, Asylthemen sachlich zu diskutieren. “Diese menschenverachtende Rhetorik und Angriffe auf die Menschenrechte dürfen in einer demokratischen Gesellschaft keinen Platz haben”, hieß es in einer Aussendung von Amnesty International. In den Koalitionsverhandlungen müsse der Schutz der Menschenrechte “eine unantastbare rote Linie sein”.

Die Äußerungen der FPÖ-Politiker zeigten, dass sich “hinter der demokratischen Fassade der FPÖ zutiefst autoritäres und antidemokratisches Gedankengut verbirgt, das den Rechtsstaat missachtet”, sagte Lukas Gahleitner-Gertz von der asylkoordination österreich. Die Verharmlosung von radikal-islamistischen Terrorregimen wie den Taliban in Afghanistan zeige, wie nahe die FPÖ deren Gedankengut eigentlich stehe.

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