Von: luk
Bozen – An den vergangenen Wochenenden ist es wiederholt zu Staus auf der Südtiroler Seite der Brennerautobahn gekommen, die den Verkehr über Stunden lahmgelegt haben. Durch die zeitgleiche Einrichtung von Baustellen auf der Staatsstraße kam der Verkehr auch dort völlig zum erliegen. Die staubedingten Schäden und Belastungen sind nicht länger hinnehmbar, so die Süd-Tiroler Freiheit. Die Bewegung bringt daher einen Beschlussantrag mit Maßnahmen für eine staufreie Brennerautobahn im Landtag zur Abstimmung.
“Bereits letzten Sommer haben sich Bürgermeister, Touristiker und Anrainer im gesamten Wipptal und Eisacktal über die immensen Belastungen durch Staus auf der Brennerautobahn beschwert, doch die Situation verschlimmert sich zusehends. Insbesondere vor der Mautstelle in Sterzing und vor Baustellen kommt es immer häufiger zu kilometerlangen Staus, die oftmals bis über den Brenner zurückreichen und den Verkehr im gesamten Wipptal zusammenbrechen lassen. Sich ständig wiederholende Staus sind aber nicht einfach nur ein Ärgernis für die Autofahrer, sondern verursachen volkswirtschaftliche Schäden durch Zusatzkosten und sind für den Tourismus in ganz Tirol im höchsten Maße schädigend. Vor allem aber sind die staubedingten Belastungen für die Bevölkerung entlang der Brennerautobahn nicht länger hinnehmbar”, so die Bewegung.
“Für direkt betroffene Stauteilnehmer können Schäden durch den Zeitverlust und den erhöhten Benzinverbrauch eintreten. Volkswirtschaftlich beziffert man Stauschäden sogar in Milliardenhöhe. Arbeitszeit, staubedingte Unfallkosten, Kraftstoffverbrauch und Umweltschäden werden dazu abgeschätzt. In Deutschland erreichen solche Schätzwerte bis zu 100 Milliarden Euro im Jahr. Die ständige Zunahme des Verkehrs auf der Brennerautobahn führt – bei einer gleichbleibenden Struktur – zwangsläufig zu Problemen. Auch die Bauweise der Autobahn (viele Tunnels und Viadukte) bringt einen erhöhten Sanierungsbedarf mit sich. Dennoch ist festzustellen, dass sich Staus eher auf der Südtiroler Seite der Brennerautobahn bilden.” Die Süd-Tiroler Freiheit hat mittels Anfragen im Landtag und Nachfragen bei der Autobahngesellschaft die Gründe dafür erhoben:
“1. Mautsystem und Mautstelle Sterzing
– Das Mautsystem auf der A22 ist technisch veraltet und dauert in der Abwicklung sehr lange (Karte ziehen, Karte abgeben, in bar oder beim Automat zahlen). Das elektronische Mautsystem mit den Lesegeräten im Auto ist für Fahrzeuglenker außerhalb Italiens kaum interessant und wird daher selten verwendet.
– Die Mautstelle Sterzing reguliert den Verkehr in Richtung Süden. Um zu verhindern, dass sich am Kreuzungspunkt der A22 in Modena Staus bilden, werden bei starkem Verkehrsaufkommen Mauthäuschen in Sterzing geschlossen, um so pro Stunde nur eine bestimmte Anzahl von Autos über die Autobahn zu lassen. Dadurch bilden sich riesige Staus, die oft bis nach Steinach zurückreichen. Diese Regulierung an einem einzigen Punkt ist höchst ineffizient, zumal ein großer Teil der Autofahrer (vor allem Einheimische und viele Gäste) gar nicht bis Modena weiterfahren, sondern in Südtirol bleiben.
– An der Mautstelle Schönberg bilden sich zum Vergleich viel seltener Staus als in Sterzing, obwohl dort mehr Autos die Mautstelle passieren. Aus den Daten einer Landtagsanfrage geht hervor, dass z.B. am Samstag, den 28. Mai 2016 (Fronleichnamswochenende) in Schönberg 39.818 Fahrzeuge die Mautstelle passierten, ohne dass es zu Beeinträchtigungen kam, während in in Sterzing nur 36.000 Fahrzeuge die Mautstelle passierten, der Verkehr dort aber völlig zusammenbrach.
2. Baustellen
Verengungen der Fahrspur und Fahrspurwechsel auf die Gegenseite verlangsamen den Verkehr ruckartig. An starken Reisetagen bilden sich dort Staus. Auf Nordtiroler Seite fand unlängst die Sanierung des Wiltener Tunnels und des Bergisel-Tunnels sowie des davor liegenden Viadukts statt. Die Arbeiten wurden dort nur in den Nachtstunden durchgeführt und die Streckenabschnitte am Tag wieder für den Verkehr freigegeben, damit sich keine Staus bilden. Auf Süd-Tiroler Seite werden solch große Arbeiten hingegen auch tagsüber durchgeführt, mit teils wochenlangen Sperren einer Spur. Bei der Sanierung der Dehnungsfugen auf Viadukten werden in Österreich oftmals sogenannte Fly-overs eingesetzt. Das sind Stahlrampen, über die der Verkehr weiterfließen kann. In Südtirol wird hingegen die Spur während der Bauarbeiten gesperrt.
3. Unterschiedliche Verkehrsregeln
Auf Nordtiroler Seite der Brennerautobahn, in Deutschland und anderen europäischen Ländern gilt bei stockendem Verkehr die Rettungsgasse. Das heißt, die Autofahrer auf der linken Spur fahren ganz nach links und jene auf der rechten Spur ganz nach rechts auf den Pannenstreifen. Dadurch bildet sich in der Mitte eine Rettungsgasse für Einsatzfahrzeuge. Auf Südtiroler Seite gilt diese Regel nicht und stattdessen nur der Pannenstreifen. Dies führt zu chaotischen Situationen die zusätzlich zur Staubildung beitragen, da einige Autofahrer eine Rettungsgasse bilden und andere hingegen in die vermeintlich freie Mittelspur hineinfahren. Auch für Einsatzfahrzeuge gibt es dann überhaupt kein Durchkommen mehr.
4. Fehlende Koordinierung zwischen A22 und A13
Insbesondere für die A22 hört die Welt am Brenner auf. Ein koordiniertes Vorgehen der beiden Autobahnabschnitte (A13 und A22) in punkto Verkehrsplanung, Stauvermeidung und Ausweichrouten ist nicht vorhanden. Staus, Unfälle, Behinderungen durch Schneefall usw. werden auf den digitalen Anzeigen nur bis zum Brenner angezeigt. Man lässt Autofahrer damit oft blind in Staus hinter dem Brenner hineinfahren. Laut Auskunft des ehemaligen Präsidenten der Brennerautobahngesellschaft wurde vor einigen Jahren zwar ein Konzept für die Absprache von Baustellen zwischen München und Verona ausgearbeitet, dieses wurde aber nie umgesetzt.
5. Überlastung zu Stoßzeiten
Ein erheblicher Teil der Staubildung ist auch auf die Überlastung der Autobahn zu Stoßzeiten zurückzuführen. An starken Reisetagen haben viele Autofahrer die Angewohnheit, zur selben Zeit in den Urlaub zu fahren. Eine Verschiebung um wenige Stunden würde eine bessere Verteilung des Verkehrsflusses über den gesamten Tag bringen und somit die überlastungsbedingte Staubildung massiv reduzieren.”
Der Südtiroler Landtag hat vor einiger Zeit mit einer Delegation die Verkehrsleitzentrale in Hessen besichtigt. Die hessische Landesregierung hat ein eigenes Programm (Staufreies Hessen) zur Vermeidung von Staus entwickelt. Kern dieses Programms ist die Verbesserung des Verkehrsflusses und dabei besonders die verkehrstechnische Planung und Koordinierung von Baustellen. Jede Baustelle wird dort vorab einer verkehrstechnischen Bewertung unterzogen, um zu prüfen, wie und wann diese eingerichtet werden kann, ohne dass es zur Staubildung kommt. An reisestarken Tagen und bei Staubildung werden Baustellen sogar zurückgebaut.
“Nach diesem Vorbild sollte auch die Planung eines verkehrstechnischen Gesamtkonzeptes für eine staufreie Brennerautobahn (A13 und A22) angegangen werden, denn Staus kennen keine Staatsgrenzen, und verkehrstechnische Planungen machen dann nur einen Sinn, wenn sie für die gesamte Brennerautobahn gelten”, so die Süd-Tiroler Freiheit.
Für eine staufreie Brennerautobahn legt die Bewegung ein Gesamtkonzept vor:
“1) Einführung eines einheitlichen Mautsystems für die gesamte Brennerautobahn. Auf den Autobahnen der Europaregion Tirol gelten heute drei verschiedene Mautsysteme (Vignette, Maut Europabrücke, Maut Brennerautobahn). Durch eine Vereinheitlichung würde die Staubildung vor den Mautstellen wegfallen. Wenn es heute möglich ist, mit einem Skipass mehrere Skigebiete zu nutzen und mit einem Zugticket in mehreren Ländern zu reisen, muss dies auch auf der gesamten Strecke der Brennerautobahn möglich sein. Die von der EU geplante Vereinheitlichung des Mautsystems in Europa bietet dazu eine gute Gelegenheit.
2) Koordinierung und gemeinsame Planung aller Baustellen auf und entlang der Brennerautobahn. Bauarbeiten auf der A22, der Brennerstaatsstraße, der A13 und der Brennerbundesstraße müssen vorab einer gemeinsamen verkehrstechnischen Bewertung unterzogen und aufeinander abgestimmt werden. Parallele Baustellen in bestimmten Streckenabschnitten sowie Bauarbeiten an starken Reisetagen sollen damit vermieden werden.
3) Nachtbaustellen. Die Unterbrechung einer Spur für Bauarbeiten sollte nur mehr in den Nachtstunden erfolgen. Tagsüber müssen Baustellen zurückgebaut werden oder wo möglich durch sogenannte Fly-over überbrückt werden, damit der Verkehrsfluss besonders an starken Reisetagen nicht behindert wird.
4) Koordinierte Verkehrsbeeinflussungsanlage. Die gesamte Brennerautobahn (A13 und A22) sollte mit einer einheitlichen und koordinierten Verkehrsbeeinflussungsanlage (digitale Anzeige über der Fahrbahn) ausgestattet werden, die den Verkehr z.B. durch eine Temporeduzierung bei Staugefahr reguliert. Internationale Studien belegen, dass Temporeduzierungen zu Stoßzeiten den Verkehr flüssiger machen und Unfälle reduzieren. Diese Regulierung des Verkehrs über die gesamte Strecke wäre wesentlich effektiver, als einfach nur in Sterzing Mauthäuschen zu schließen und dahinter ein Verkehrschaos zu verursachen. Zudem könnten mit diesen Verkehrsbeeinflussungsanlagen Informationen über Schneefall, Unfälle, Ausweichrouten usw. für die gesamte Strecke vermittelt werden.
5) Einheitliche Verkehrsregeln. Für die gesamte Strecke der Brennerautobahn (A13 und A22) müssen dieselben Verkehrsregeln gelten. Insbesondere in den Bereichen Tempolimits, LKW-Überholverbot und Rettungsgasse.
6) Tourismusgesteuerte Verteilung der Stoßzeiten. Über eine gezielte und aufeinander abgestimmte Kampagne der Tourismuswerbung in den einzelnen Tiroler Landesteilen, sollten Gästeschichten dazu angeregt werden, bestimmte Tageszeiten für die An- und Abreise zu vermeiden.”
Zur Umsetzung dieser Maßnahmen für eine staufreie Brennerautobahn bringt die Süd-Tiroler Freiheit diese Woche folgenden Antrag im Südtiroler Landtag zur Abstimmung ein.