STF: "Weniger Italien, mehr Selbstverwaltung"

Referendum in Norditalien: Südtiroler Oppositionsparteien erfreut

Montag, 23. Oktober 2017 | 10:49 Uhr

Von: ao

Bozen – Die Reaktionen zum Autonomie-Referendum in der Lombardei und Venetien aus Südtirol:

 

Die Süd-Tiroler Freiheit begrüßt das Ergebnis des Autonomie-Referendums in der Lombardei und in Venetien. “Die Wähler haben sich deutlich für mehr Unabhängigkeit von Rom ausgesprochen und damit den italienischen Zentralisierungstendenzen eine klare Absage erteilt. In der Lombardei lag die Zustimmung bei 95,3 Prozent (Wahlbeteiligung 39 Prozent), in Venetien bei sogar 98,1 Prozent (Wahlbeteiligung 57 Prozent).”

“Erst vor wenigen Monaten hatte der PD ― mit tatkräftiger Unterstützung der SVP ― eine zentralistische Verfassungsreform durchboxen wollen, die die Regionen ihrer autonomen Rechte beraubt hätte. Die Ablehnung zu dieser Verfassungsreform war das Vorspiel zur Forderung nach mehr Selbstverwaltung, die heute von den Wählern in der Lombardei und in Venetien zum Ausdruck gebracht wurde. Mit diesem Wahlergebnis wird nun eine Diskussion über die Zukunft der Autonomien in Italien beginnen.” Die Süd-Tiroler Freiheit warnt davor, die Autonomiebestrebungen in Lombardo-Venetien mit der Südtirol-Autonomie gleichzusetzen. “Südtirol besitzt eine rein ethnische Autonomie zum Schutze der österreichischen Minderheit in Italien und keine territoriale Autonomie, die nur auf Selbstverwaltung ausgerichtet ist. Die Südtirol-Autonomie dient als Übergangslösung, um Kultur und Sprache zu erhalten, solange Südtirol noch zum fremdnationalen Staat Italien gehört.”

“Die Lombardei und Venetien können jedoch von der Erfahrung in Südtirol lernen, dass es allemal besser ist, selbst Verantwortung für das eigene Land zu übernehmen, denn je weniger sich Italien in unsere Belange einmischt, desto besser geht es Südtirol”, so Sven Knoll.

Regionalrat: “Der Sieg beim Autonomiereferendum in Venetien und in der Lombardei stellt einen wichtigen Schritt dar”

“Verantwortung ist das Symbolwort für das Referendum in Venetien und in der Lombardei, und zwar dieVerantwortung der Bürger, die zahlreich zur Wahl gegangen sind, um ihre Stimme zum Ausdruck zu bringen, auf dass ihre Regionen mehr Verantwortung übernehmen können – kommentiert der Präsident des Regionalrates, Thomas Widmann -. Als Präsident des Regionalrates werde ich die Verhandlungen unserer Nachbarn mit dem Staat aufmerksam verfolgen und einen Dialog mit meinen Kollegen in Venetien und der Lombardei aufnehmen, um ihnen die in 70 Jahren Autonomie gesammelte Erfahrung zur Verfügung zu stellen. Der unbestreitbare Sieg der Autonomieverfechter zeigt, dass die Bürgerinnen und Bürger die Vorteile der Politik, die auf dem Territorium für das Territorium entsteht, verstanden haben.  Die Ergebnisse der Volksabstimmungen sind ein wichtiger Schritt zum Aufbau eines Staates, der es versteht, diejenigen zu unterstützen, die beweisen, dass sie gut verwalten können, und zur Errichtung eines Europa der Regionen im Hinblick auf die horizontale und vertikale Subsidiarität, wo sie als wichtigste Entscheidungsträger ihres Gebietes berufen sind, durch ihr Engagement zum Wohle der gesamten Gemeinschaft beizutragen”.

“Als Einwohner dieser Region – so Vizepräsident Lorenzo Ossanna  – kann ich das Ergebnis des Referendums in Venetien und der Lombardei nur begrüßen.  Ich bin davon überzeugt, dass selbst unsere Sonderautonomie, die sich aus historischen Gründen und aufgrund des institutionellen Aufbaus von anderen Autonomien unterscheidet, nur von einem System profitieren kann, das die Vorzüge gut verwalteter Gebiete anerkennt. Jetzt haben Venetien und die Lombardei die starke Unterstützung der Bevölkerung, wenn sie beim Staat das einfordern, was die italienische Verfassung bereits vorsieht, nämlich den differenzierten Regionalismus, den ich für das Wohlergehen des ganzen Landes für grundlegend halte.“

FH: “Viel Erfolg den Lombarden und Venetern”

Der freiheitliche Parteiobmann Andreas Leiter Reber zeigt sich erfreut über den Erfolg der beiden Autonomie-Referenden in der Lombardei und im Veneto.

“Die Bürger im Veneto und der Lombardei haben ein kräftiges Zeichen für mehr Eigenständigkeit und Freiheit von Rom gesetzt! Als liberale Bewegung, die sich stets den Werten der Eigenständigkeit und Eigenverantwortung verpflichtet fühlt, freut uns dies sehr. Denn die römische Bevormundung von verantwortungsbewussten Bürgern lehnen wir grundsätzlich ab. Als überzeugte Föderalisten freuen wir uns, denn jede Stärkung des Subsidiaritätsprinzips bedeutet, dass die Entscheidungen vor Ort getroffen werden und somit die öffentliche Verwaltung viel näher an den Bürgern ist und deren Sorgen und Bedürfnisse viel besser aufnehmen und lösen kann. Schlussendlich freut es uns auch als patriotische Bewegung, denn eine Stärkung der Autonomie unserer Nachbarregionen kommt, bei aller Besonderheit, die Südtirol auszeichnet, auch unserem Streben nach Unabhängigkeit vom römischen Zentralstaat zu Gute!” so Leiter Reber.

“Es steht nun zu hoffen, dass die Lombardei und das Veneto diesen Weg konsequent weitergehen und sich nicht von den römischen Apparatschiks auf den St.-Nimmerleins-Tag vertrösten lassen, wenn es darum geht, die entscheidenden Kompetenzen zu holen. Dabei ist Vorsicht geboten: die schnelle Zusage des PD-Unterstaatssekretärs Gianclaudio Bressa, Verhandlungen führen zu wollen, klingt erstmal erfreulich. Doch darf nicht vergessen werden, dass es gerade SVP-Freund Bressa war, der es meisterhaft verstand, wichtige Autonomie-Projekte auf die lange Bank zu schieben. Daher wünsche ich den Lombarden und Venetern viel Zähigkeit und Durchsetzungskraft, damit ihre berechtigten Anliegen in den römischen Ministerien nicht versanden!” so Leiter Reber abschließend.

Grüne: “Starkes demokratisches Votum, mit zwiespältigem Resultat”

“Der Ausgang der Autonomie-Referenden in der Lombardei und in Venetien hat mit einer starken Wahlbeteiligung von nahe 39 Prozentin der Lombardei und knapp 60 Prozent in Venetien geendet. Dies sind für das Veneto beeindruckende, für die Lombardei beachtliche Ergebnisse, die in zwei Richtungen weisen. Zunächst ist festzuhalten, dass der Wunsch nach mehr Eigenständigkeit gegenüber Rom deutlich ausgeprägt und in jedem Fall ernst zu nehmen ist”, so die Grünen.

“Nicht das Modell einer Sezession nach katalanischem Beispiel, sondern mehr Autonomie, Zuständigkeiten und finanzielle Mittel sind erklärtermaßen das mittelfristige Ziel der Referendums-Promotoren. Nach dem zentralistischen Verfassungsreferendum von Ende 2016 hat sich der Wind gedreht, ein neues Modell des Föderalismus steht wieder auf der Tagesordnung und findet breite Akzeptanz, was aus Südtiroler Sicht zu begrüßen ist. Dagegen sind Selbstbestimmung und Abspaltung auch in der Lega Nord kein Thema mehr, was die Euphorie ihrer Südtiroler Sezessions-Befürworter deutlich dämpfen sollte. Die Soft-Strategie in der Lombardei und im Veneto ist auch die Folge des Blicks auf Katalonien, wo der Separatismus nicht nur an der brutalen Sturheit und Härte Madrids, sondern auch an der eigenen Kompromisslosigkeit zu scheitern droht”, so die Grünen.

“So begrüßenswert ein neuer Anlauf für einen reformorientierten und solidarischen Föderalismus auch ist, so sind Illusionen über die dahinter liegende strategische Grundhaltung der Lega Nord fehl am Platze. Das Referendum bedeutet auch den Versuch, die Solidarität mit anderen Regionen, zumal des Südens, schrittweise aufzukündigen und eine Politik des „Lombardo-Veneto first!“ auszurufen. In der bald anlaufenden Kampagne zu den Parlamentswahlen werden die vorerst maßvollen Töne von Maroni und Zaia bald auch von „Roma-Ladrona-“-und Anti-Migrations-Parolen übertönt werden. Daher ist aus Südtiroler Seite der durch die Referenden vorgezeichnete und durch die Verfassung ermöglichte Weg zu mehr Autonomie begrüßenswert, aber zugleich ist Vorsicht vor der Kehrseite der Lega-Politik mehr als angebracht”, so die Grünen.

Bezirk: Bozen