Von: luk
Bozen – Im Landtag wurde heute die Debatte geführt, ob Südtirol als Stromselbstversorger auftreten soll.
Beschlussantrag Nr. 539/22: Strom: Selbstversorger Südtirol (eingebracht von den Abg. Leiter Reber und Mair am 21.01.2022). 1. Bekennt sich der Südtiroler Landtag dazu, dass Südtirols Wasser und der daraus gewonnene Strom Teil unseres Allgemeinguts ist und sich die heimische Stromproduktion an Südtirols Umwelt und unseren Bürgern und Betrieben als Verbrauchern zu orientieren hat. 2. Beauftragt der Südtiroler Landtag die Landesregierung in Zusammenarbeit mit den wesentlichen Akteuren der Südtiroler Stromversorgung umgehend einen Arbeitstisch einzuberufen, um alle möglichen rechtlichen und technischen Expertisen zur Verbesserung bzw. Weiterentwicklung der aktuellen Situation erneut zu diskutieren und eventuelle weitere Maßnahmen in die Wege zu leiten. (neu formuliert durch einen Änderungsantrag von Leiter Reber und Lanz) 3. Fordert der Südtiroler Landtag die Landesregierung auf, alle autonomiepolitischen und verwaltungstechnischen Möglichkeiten wahrzunehmen, um ein nach dem Genossenschaftsprinzip aufgebautes Landes-Energie-Netzwerk zu etablieren. 4. Fordert der Südtiroler Landtag die Landesregierung auf, umgehend einzugreifen und sämtliche Möglichkeiten auszuschöpfen, um die aktuell massive Steigerung der Stromtarife abzufedern und Südtirols Haushalte zu entlasten.
Andreas Leiter Reber (Freiheitliche) betonte, dass der Antrag so abgefasst wurde, dass er nicht wegen einzelner Details abgelehnt werden könne. Die Gründung der Alperia sei als Wendepunkt gefeiert worden, aber die Südtiroler spürten in ihrer Stromrechnung nichts davon. Die Wasserkraft gehöre allen Südtirolern, man sollte das Beste daraus machen.
Gerhard Lanz (SVP) betonte, dass man bei dem Thema nicht in Populismus und Panikmache verfallen solle. Die Landesgesellschaft schütte ihre Gewinne an Land und Gemeinden aus, aber es gebe auch noch andere Anbieter in Südtirol. Viele Investitionen in diesem Bereich seien öffentlich bezuschusst worden, auch von EU und Staat. Man dürfe also nicht nur den lokalen Aspekt sehen. Man dürfe auch nicht den Eindruck erwecken, das Problem lasse sich schnell lösen.
Nicht nur Südtirol habe mit dem Problem der Strompreise zu kämpfen, bemerkte Helmut Tauber (SVP). Man müsse alle Köpfe zusammenbringen, um das Beste für Familien und Betriebe zu erreichen, und alles ausloten, was das Land zusätzlich zu den staatlichen Maßnahmen tun könne.
Alessandro Urzì (Fratelli d’Italia) hätte sich von der Mehrheit, die am Antrag mitgeschrieben habe, nicht nur Wünsche, sondern Taten. Die Forderung des Antrags sei lauwarme Luft, da das Land nicht viel gegen diese Preise tun könne, außerdem würden die Gemeinden aus dem Blickfeld verschwinden, und die Idee der Volksaktien werde nicht aufgegriffen. Der Preisanstieg sei bereits vor sechs Monaten angekündigt worden, und man habe nichts getan. Dem Antrag fehle übrigens die Unterschrift der Lega.
Sven Knoll (Süd-Tiroler Freiheit) sah im geänderten Antrag eine Verwässerung. Laut Statut könnte das Land den Bürgern einen Energiebonus auszahlen, aber die Landesregierung habe sich dagegen entschieden. Es gebe Vorschläge auch von Fachleuten, wie man sein eigenes Stromnetz aufbauen könne, aber die Landesregierung behaupte wieder, das sei nicht möglich. Es stehe nirgends geschrieben, dass Südtirol sich nicht einem anderen Stromverbund anschließen könne. In Südtirol sei der Strom teurer als in umliegenden Regionen. Das sei auch ein Wettbewerbsnachteil.
Es sei klar, dass man etwas tun müsse, meinte Magdalena Amhof (SVP). Man müsse sich zusammensetzen mit allen Beteiligten, um etwas für die Menschen im Lande zu erreichen. Populistische Phrasen würden hier nichts nützen. Der Strommarkt sei staatlich reguliert, da habe man wenig Eingriffsmöglichkeiten. Es werde diesbezüglich ein Treffen zwischen dem Landeshauptmann und den SVP-Parlamentariern geben.
Helmuth Renzler (SVP) unterstützte den Antrag, erwartete sich aber auch rasche Hilfe für Bürger mit niedrigem Einkommen, Rentner und Kleinbetriebe. Auch die Gemeinden müssten mit einbezogen werden.
Paul Köllensperger (Team K) war mit dem Änderungsantrag Leiter Reber-Lanz nicht glücklich. Für eine Schnellhilfe würde sich der Strombonus eignen oder eine Kompensation mit den Mehreinnahmen aus der Mehrwertsteuer. Mit einem eigenen Stromnetz, was ein langfristiges Ziel sei, sei nicht das Kappen der Leitungen zur Terna gemeint, sondern eine regulatorische Autonomie, wie es sie das Autonomiestatut ermögliche. Der Staat nehme sich die Extragewinne der Alperia mit, deren Dividenden für das Land kleiner würden.
Maria Elisabeth Rieder (Team K) sah in diesem Thema ein Beispiel für die Arbeitsweise der Landesregierung. Überall würden Brände lodern, und wo man nicht aufpasse, werde ein Großbrand daraus. Es wäre an der Zeit, über Lohnerhöhungen zu reden, die Menschen wüssten nicht mehr, wie sie ihre Stromrechnung zahlen können. Die Regierungspartei sei mit internen Kämpfen beschäftigt und sei weit entfernt von den Sorgen der Leute. Die Möglichkeiten auszuloten, reiche nicht, es brauche dringend Lösungen.
Andreas Leiter Reber (Freiheitliche) argwöhnte, dass die Mehrheit durch eine Vielzahl von Redebeiträgen verhindern wolle, dass dieser Antrag noch in dieser Sitzungswoche genehmigt werden könne (die Zeit der Opposition endet um 13 h, A.d.R.)
Franz Locher (SVP) wies darauf hin, dass Südtirol nur in bestimmten Monaten einen Stromüberschuss habe. Durch den Ausstieg aus der Kernenergie und der Erhöhung der Gaspreise sei der Strompreis stark gestiegen. Nur 40 Prozent der Stromrechnung seien direkte Stromkosten, der Rest seien Steuern und anderes. Bei Letzteren könne man durch Verbund und andere Lösungen gegensteuern. Eine Pauschalverurteilung der Alperia sei verfehlt.
Sandro Repetto (Demokratische Partei – Bürgerlisten) sah die Preiserhöhungen für Rohstoffe und Energie als “perfekten Sturm” zu einer Unzeit. Bei den Akzisen müsse das Parlament eingreifen, und der PD werde seinen Teil dafür tun. Das Land müsse den Verwaltungen helfen, den Bürgern bei den Gebühren entgegenzukommen.
Hanspeter Staffler (Grüne) wollte von einer Schuldzuweisung an Alperia Abstand nehmen, aber es wäre auch autonomiepolitisch interessant, wenn man ein Genossenschaftssystem andenken würde.
Paula Bacher (SVP) stellte in Abrede, dass die SVP die Sorgen der Menschen nicht kenne. Der Landeshauptmann werde angegriffen, aber wenn die Lösung so leicht wäre, hätte die Opposition längst einen Vorschlag gemacht.
Josef Unterholzner (Enzian) schloss sich den Forderungen Renzlers an: Man müsse jetzt alle nutzbaren Möglichkeiten nutzen, um den Menschen entgegenzukommen. Über den Weltstrompreis werde der Landtag nicht entscheiden können. Er stellte die Frage, welchen Beitrag Corona-Maßnahmen zu dieser Preiskrise geleistet hätten.
Die Preissteigerungen seien für Familien wie Unternehmen ein großes Problem, und die Politik habe die Aufgabe, gegenzusteuern, erklärte LH Arno Kompatscher. Das Problem habe vielfältige Gründe, und es sei nicht hausgemacht. In dieser akuten Situation brauche es Maßnahmen für Familien und Betriebe. Dann könne man überlegen, wie man das System verbessern könne. Seine Äußerungen zum Thema seien aus dem Zusammenhang gerissen und missverstanden worden. Südtirol werde immer an gewissen Tagen Strom zukaufen müssen. Es wäre nicht verantwortbar, sich für die eine Alternative zu entscheiden, nur weil sie leichter verständlich sei. Deswegen habe man entschieden, den Strombonus nicht anzuwenden, weil der Mehrwert deutlich größer sei, wenn man ihn an die öffentliche Hand auszahle. Er würde dann natürlich an die Bürger weitergegeben. Die genossenschaftliche Lösung hätte nicht funktioniert, als der Wert der Kraftwerke noch abzulösen war. Über Alperia gehörten die Kraftwerke den Südtirolern, denn beteiligt seien Land und Gemeinden. Die EU erkenne für jeden Mitgliedsstaat nur eine Regulierungsbehörde an, eine weitere wäre möglich, aber nur unter dem Dach der ersten. Die Zeiten der Kirchturmpolitik seien vorbei. Tirol habe mit der Tiwag dasselbe Modell, aber Österreich habe niedrigere Preise als Italien, weil es weniger vom Gas abhängig sei. Er hoffe, man könne wieder zu einer vernünftigen Diskussion zurückkehren. Eines sei, was Alperia, etwas anderes, was das Land tun könne. Rom werde nun dringliche Unterstützungsmaßnahmen auflegen, das Land werde diese anschauen und aufbessern. Er sei für das Genossenschaftsprinzip, aber im Bereich der großen Netze sollte man sich da keine Illusionen machen.
Die Debatte wird am Nachmittag wieder aufgenommen.