Von: luk
Bozen – Im Landtag wurden heute Anträge von Freiheitlichen, BürgerUnion und Team Autonomie behandelt:
Begehrensantrag Nr. 72/16: Sanktionsende gegenüber der Russländischen Föderation (eingebracht von den Abg. Blaas, Leitner, Oberhofer, Stocker S. und Tinkhauser am 29.6.2016): Der Südtiroler Landtag möge das italienische Parlament und die italienische Regierung auffordern, sich im Europäischen Rat dafür einzusetzen, die seit dem Jahr 2014 verhängten Sanktionen gegenüber der Russländischen Föderation aufzuheben, damit sich sowohl die Wirtschafts- als auch die Handelsbeziehungen mit Russland normalisieren und reaktiviert werden können.
Im Gegenzug zu Sanktionen der EU wegen der Ukrainekrise habe Russland unter anderem einen Importstopp für Agrarwaren aus der EU verhängt, der auch Südtirol getroffen habe, erklärte Walter Blaas (Freiheitliche). 2014 habe der Rückgang bereits 11 Prozent betragen. “Südtirol steht mit der Forderung nach einem Sanktionsende gegenüber Russland auf Staatsebene nicht alleine da. So hat bereits im Mai 2016 der Regionalrat von Venetien eine entsprechende Resolution verabschiedet.”
Bernhard Zimmerhofer (Süd-Tiroler Freiheit) bezog den Inhalt des Antrags auf das Wahlergebnis in den USA, das neue Perspektiven eröffne, denn die EU habe sich mit ihren Sanktionen an die US-Vorgaben gehalten. Wenn man stattdessen den Wunsch der betroffenen Minderheiten in der Ukraine nach Selbstbestimmung respektiert hätte, hätte man dieses Problem heute nicht. Er unterstütze den Antrag, auch wenn er in einer römischen Schublade lande.
Dieter Steger (SVP) gab zu bedenken, dass man die Hintergründe für die Sanktionen nicht genau kenne. Für deren Aufrechterhaltung könne auch das russische Verhalten in Syrien ausschlaggebend sein. Man habe durchaus Interesse an einem unverkrampften Verhältnis zu Russland, aber jetzt das Sanktionsende zu fordern, wäre ein Beginn am falschen Ende.
Alessandro Urzì (L’Alto Adige nel cuore) meinte, mit den Sanktionen habe sich die EU selbst geschadet und nichts am Verhalten Russlands geändert. Mozzarella, Mortadella und Parmesan, aber auch Speck und Äpfel finde man weiterhin in russischen Läden, aber halt nicht aus unserer Produktion.
Anderer Meinung war Hans Heiss (Grüne) der die Sanktionen gegen Russland als gerecht bezeichnet. Russland habe den demokratischen Prozess in der Ukraine zu stoppen versucht und habe die Krim besetzt. Natürlich hätten USA und NATO Fehler gegenüber Russland gemacht, aber die osteuropäischen Staaten seien freiwillig dem westlichen Bündnis beigetreten. Sanktionen seien nicht der beste Weg, aber sie zeigten Wirkung, daher sollte man auf weitere Verhandlungen mit Russland setzen.
Er habe nicht behauptet, dass die Sanktionen keine Wirkung gezeigt hätten, replizierte Alessandro Urzì, die negativen Auswirkungen spüre aber Europa, nicht Russland.
Die europäische Linke jaule heute auf, weil der Falsche gewählt wurde, bemerkte Pius Leitner (Freiheitliche), aber wenn Leute regieren, die gar nicht gewählt wurden, gebe es keine Einwände. Auch in den Minderheitengebieten der Ukraine habe es Volksabstimmungen gegeben. Er sei kein Amerika-Fan und auch kein Putin-Versteher, aber man müsse beide Seiten sehen. Er sehe in der Wahl Trumps die Möglichkeit, dass weniger Kriege geführt werden. Europa hingegen müsse endlich eine eigene Rolle finden.
Die Welt sei verrückt, wenn die Grünen die NATO-Positionen verteidigten, erklärte Andreas Pöder (BürgerUnion). Er zitierte aus einer Antwort von LH Kompatscher auf seine Anfrage, in denen die Zahlen zu den Handelsbeziehungen mit Russland aufgelistet seien. Es gehe im Landtag weniger um die Frage, ob die Sanktionen weltpolitisch richtig waren. Letztlich hätten sie allen geschadet.
Roland Tinkhauser (F) meinte, Europa sei von den USA zu diesen Sanktionen gedrängt worden. Die Betriebe seien an einem normalen Verhältnis mit Russland interessiert, sie hätten mit politischen Überlegungen wenig am Hut. Man sollte einmal gemeinsam mit Tirol und Trentino einen Vorstoß wagen.
LH Arno Kompatscher berichtete vom jüngsten Treffen mit einer russischen Delegation, und es gebe auch neue Projekte, vor allem in der Alpintechnik, wo sich eine Kooperation anbahne. Was den Absatz der Äpfel betreffe, habe auch der polnische Markt einen Einfluss, dem der Zugang zu Russland nun versagt sei. Es gebe das Minsker Abkommen mit Russland, dessen Umsetzung aber mangelhaft sei, dann sei noch der russische Einsatz in Aleppo dazu gekommen. Nun sei aber einiges in Bewegung, und ein Justamentstandpunkt wäre jetzt nicht hilfreich. Man wolle den Abbau der Sanktionen, fordere aber auch die Einhaltung des Abkommens.
Ihm gehe es mit dem Antrag um einen Denkanstoß, nicht um die Klärung der Schuldfrage, erklärte Walter Blaas. Auch andere Regionen hätten ähnliche Positionen bezogen. Die Zeche für die Sanktionen zahlten nicht die USA, sondern Europa, in Südtirol vor allem Tourismus und Landwirtschaft. Die Sanktionen sollten schnell beendet werden, denn ansonsten hätten sie Langzeitwirkung, denn sie würden den Markt verändern.
Der Antrag wurde mit zwölf Ja und 16 Nein abgelehnt.
Beschlussantrag Nr. 639/16: Kürzung der Gemeindenfinanzierung für Verweigerung von Transparenz gegenüber dem Landtag (eingebracht vom Abg. Pöder am 4.8.2016): Der Landtag möge die Landesregierung verpflichten, die nötigen Voraussetzungen zu schaffen, dass die Zuwendungen aus dem Landeshaushalt an jene Gemeinden, die sich weigern, Landtagsanfragen zu beantworten, genau um jenen Bruttobetrag gekürzt werden, die die Gehälter des Bürgermeisters und aller Gemeindereferenten zusammen im entsprechenden Haushaltsjahr ausmachen. Diese Regelungen sind innerhalb von 60 Tagen zu treffen oder falls nötig, dem Landtag zur Beschlussfassung vorzulegen und dann unverzüglich umzusetzen.
“Es kommt immer häufiger vor, dass Gemeinden dem Südtiroler Landtag Auskünfte verweigern”, bemerkte Andreas Pöder (BürgerUnion). “Es gibt sogar einige Gemeinden, die mitgeteilt haben, dass sie keine Landtagsanfragen mehr beantworten. Diese Verweigerung von Transparenz gegenüber dem Landtag kann im Sinne einer Kontrollfunktion des Landtages und im Sinne seiner Verantwortung auch über die Verwendung der aus dem Landeshaushalt den Gemeinden zugesprochenen Gemeindefinanzierungen nicht hingenommen werden. Der Landtag hat, nachdem er auch über den großen Posten der Lokalfinanzen im Landeshaushalt zu befinden hat, die Pflicht, über die Verwendung dieser Finanzen und auch über einzelne, damit zusammenhängende Gebarungen der Gemeinden Auskünfte einzuholen. Verweigert dies ein Bürgermeister oder ein Gemeindeausschuss, so muss der Landtag dagegen vorgehen.”
Walter Blaas (F) unterstützte den Antrag voll und ganz. Viele Gemeinden verweigerten auf Anraten von LR Schuler dem Landtag die Auskunft. So würden die Landtagsabgeordneten auf die Schippe genommen, ihre Kontrollfunktion werde unterlaufen. Die Reaktion der Gemeinden sei übrigens nicht einheitliche, denn einige würden weiterhin auf Landtagsanfragen antworten.
Blaas habe mit seinen Anfragen an die Gemeinden einfach den Bogen überspannt, meinte Oswald Schiefer (SVP). Auch zu seiner Zeit als Bürgermeister habe er nicht auf alle Fragen geantwortet. Manche Anfragen seien einfach absurd, mit manchen wollte man den Gemeinden einfach nur auf den Wecker gehen. LR Schuler habe an der Situation keine Schuld, der Gemeindenverband habe auf eine untragbare Situation reagiert. Mit der Anfragewut von Blaas seien übrigens auch nicht alle Oppositionsvertreter einverstanden. Auf vernünftige und berechtigte Fragen würden die Gemeinden weiterhin antworten.
Es gehe hier ausschließlich um das Anfragerecht eines Abgeordneten, befand Pius Leitner (F). Das Landtagspräsidium müsse hier ein Machtwort sprechen, auch wenn es um eine übergeordnete Instanz gehe. Ein Abgeordneter habe Recht auf eine Antwort. Die Lösung, die Pöder vorschlage, sei nicht besonders klug, auf jeden Fall müsse aber das Informationsrecht der Abgeordneten gewahrt bleiben.
Auch Myriam Atz Tammerle (STF) teilte diese Meinung. Die Kürzung der Bürgermeisterentschädigung sei nicht die richtige Lösung, aber das Kontrollrecht der Abgeordneten müsse gewahrt werden. Oft seien es die Bürger, die die Abgeordneten um diese Anfragen bäten, weil sie von ihrer Gemeinde keine Auskunft bekämen.
Brigitte Foppa (Grüne) bezeichnete das Anliegen als berechtigt. Es sei ein Konflikt aufgetreten, der auch Aufschluss gebe, wie die Macht im Lande verteilt sei, aber der Konflikt sei auf die Spitze getrieben worden. Ihre Anfragen seien immer beantwortet worden, eine grundsätzliche Verweigerung sei auch nicht akzeptabel. Man solle eine Aussprache mit den Gemeinden suchen. Pöders Antrag würde allerdings nicht zu einer guten Lösung führen.
Einige Bürgermeister machten es sich zu leicht, meinte Sigmar Stocker (F). Seine Anfrage zum Ost-West-Club in Meran sei z.B. mit Verweis auf LR Schuler unbeantwortet geblieben, dabei gehe es hier um die Ansiedlung eines Vereins mit 2.500 Mitgliedern in einem Wohnviertel.
Präsident Roberto Bizzo zitierte ein Gutachten des Regionalrats zur Frage. Demnach hätten die Gemeinden nur eine Auskunftspflicht, wenn es um Sachgebiete gehe, die ihnen von Land oder Region delegiert wurden.
LH Arno Kompatscher verwies auf die Geschäftsordnung, die die Auskunftspflicht für die Landesregierung und den ihr unterstellten Organen vorsehe. Die Gemeinden seien dem Land nicht mehr untergeordnet, sie hätten ihre eigenen Kontrollorgane. Das Instrument der Anfrage habe also auch Grenzen, die vielleicht in den letzten Jahren nicht so streng beachtet worden seien. Daher sei es auch zur Eskalation gekommen. Man könne die Gemeinden nicht mit Anfragen überlasten, die den Sinn der Kontrollfunktion überschreiten. Kompatscher plädierte für eine pragmatische Lösung.
Man dürfe sich von den Gemeinden nicht auf der Nase herumtanzen lassen, replizierte Andreas Pöder. Die Gemeinden kämen ständig mit Forderungen an den Landtag, mit dem Gesetz von Noggler und Schuler hätten sie auch die Zahl ihrer Referenten aufstocken können. Einige Gemeinden hätten sogar geantwortet, sie würden überhaupt keine Anfragen mehr beantworten.
Der Antrag wurde mit sechs Ja, 20 Nein bei drei Enthaltungen abgelehnt.
Beschlussantrag Nr. 689/16: Erhebung der in Südtirol lebenden gemischtsprachigen Familien (eingebracht von der Abg. Artioli am 20.10.2016): Die Landesregierung möge eine ASTAT-Erhebung zur Lage der gemischtsprachigen Familien in Südtirol veranlassen.
Elena Artioli (Team Autonomie) nannte als Beispiel einige Fragen, die von einer solchen Studien beantwortet werden könnten: “Wie viele Familien gründen auf Mischehen? Wie zufrieden sind diese Familien bzw. bestimmte Personen mit der aktuellen Arbeits- und Kulturpolitik und was halten sie vom Proporz? Wie sind diese Familien und Personen gegenüber der herkömmlichen, nach Sprachgruppenzugehörigkeit eingeteilten Gesellschaft eingestellt? Wie lange hält eine derartige Beziehung oder Ehe im Durchschnitt? Welche Sprache ist bei den Kindern vorherrschend? Welches Bildungssystem wird gewählt? Wie sind zwei sehr unterschiedliche Kulturen und gegebenenfalls Religionen miteinander vereinbar?” Sie verlange keine gemischte Schule oder eine neue Sprachgruppenerklärung, sondern einfach mehr Wissen über eine Volksgruppe, die sonst immer im Schatten bleibe, erklärte Artioli.
Es gebe mehrere Formen von Mehrsprachigkeit, bemerkte Tamara Oberhofer (F), und auch verschiedene Methoden des Spracherlernens. Eine Untersuchung dieses Phänomens sei sicher interessant, für sie stehe jedoch die Muttersprache an erster Stelle. Viele, die zweisprachig aufwuchsen und sind, würden sich später dennoch zu der einen oder anderen Sprachgruppe zugehörig fühlen. Die Einführung einer weiteren Sprachgruppe sei für sie nicht akzeptabel, erklärte Oberhofer.
Alessandro Urzì (AAnc) teilte das Anliegen des Antrags, bat jedoch um die Verwendung des Begriffs “Alto Adige” statt “Sudtirolo” in der Formulierung (Über diese Frage wurde kurz vor der Abstimmung noch einmal ausführlich diskutiert). Außerdem sollte man von Mehrsprachigkeit, nicht von Gemischtsprachigkeit sprechen. Das Statut sei jedenfalls bei diesem Thema nicht mehr zeitgemäß.
Brigitte Foppa (Grüne) betonte, dass es im Antrag nicht um eine neue Sprachgruppe oder ähnliches gehe, sondern um eine Studie. Es sei übrigens vor kurzem eine Studie von Apollis vorgestellt worden, die den Blick auf die Mehrsprachigen richte, mit äußerst überraschenden Ergebnissen. Demnach seien z.B. mehrsprachige Familien wohlhabender als einsprachige. Es sei ein Fehler, diese Familien gar nicht in Betracht zu ziehen.
Er habe nichts gegen eine weitere Studie, erklärte Pius Leitner (F), allerdings seien die aufgelisteten Fragen zum Großteil bereits beantwortet worden. Das Autonomiestatut könne man nicht rundum als veraltet hinstellen, wie es Urzì tue, bei wichtigen Fragen zähle für ihn immer noch das Statut. Eine Anerkennung einer weiteren Sprachgruppe sei für ihn nicht akzeptabel.
Der Antrag sage klar, was Artioli denke, meinte Sven Knoll (STF). Der Antrag rede von Gemischtsprachigen”, also Menschen, die in einem Satz mehrere Sprachen verwenden, ein Kauderwelsch. Die Frage sei, ob man eine Gesellschaft der Gemischtsprachigen heranziehen wolle oder ob man weiterhin auf den Erhalt der Muttersprache und den Erhalt der Minderheiten setze. Im Aostatal habe man mit diesen Sprachexperimenten angefangen, mit der Folge, dass nur mehr zwei Prozent Französisch sprächen. Unsere Schüler sollten so gut als möglich mehrere Sprachen beherrschen, aber eine Vermischung sei dem Überleben einer Minderheit abträglich.
Man sollte in den Antrag nicht alles Mögliche hineinlesen, wandte Andreas Pöder (BU) ein. Eine Studie bringe niemanden in Gefahr, es wundere ihn, dass es sie noch nicht gebe. Das Phänomen sei real, man könne es nicht wegwünschen.
LR Waltraud Deeg bezeichnete Erhebungen als wichtige Entscheidungsgrundlage. In diesem Fall gebe es die Daten bereits, etwa das Sprachbarometer des Astat, man müsse sie nur zusammenführen. Ein Ergebnis sei, dass 80 Prozent der Befragten die Mehrsprachigkeit als Bereicherung sähen. Alle wesentlichen Daten, die Artioli einfordere, seien in den genannten Studien bereits enthalten. Eine zusätzliche Studie würde nichts Neues bringen.
Elena Artioli bezeichnete sich als gemischtsprachig, im Gegensatz zu Riccardo Dello Sbarba, der mehrsprachig sei. Die von Deeg genannten Studien, die auf zähe Verhandlungen mit Durnwalder zurückgingen, würden diesen Unterschied nicht erfassen. Mehrsprachig sei, wer mehrere Sprachen erlernt habe, gemischtsprachig, wer in einer Familie mit zwei Sprachen aufgewachsen sei. Sie wolle keine weitere Sprachgruppe einführen, sondern die Situation dieser Personen erheben. Sie stimme auch mit Knoll überein, dass die Muttersprache nicht in Gefahr geraten solle.
Der Antrag wurde mit fünf Ja, 15 Nein bei einer Enthaltung abgelehnt.