Von: mk
Bozen – „Mit dem Pariser Vertrag wurde der Grundstein für die autonomen Gesetzgebungs- und Verwaltungsbefugnisse unseres Landes gelegt“, erinnert SVP-Obmann Philipp Achammer an dessen Abschluss vor 70 Jahren, „welche in den darauf folgenden Jahrzehnten mit Beharrlichkeit und Verhandlungsgeschick umgesetzt werden konnten.” Entscheidend sei darüber hinaus die internationale Absicherung der Autonomie sowie die Schutzfunktion Österreichs gegenüber Südtirol, welche durch den Pariser Vertrag besiegelt wurde.
Im Friedensvertrag von Saint Germain ist 1919 das südliche Tirol bekanntlich Italien zugesprochen worden. „Für die Südtiroler Bevölkerung folgten viele Jahre der Unterdrückung und Ausgrenzung“, sagt SVP-Obmann Philipp Achammer. Nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges einigten sich der österreichische Außenminister Karl Gruber und der italienische Ministerpräsident Alcide Degasperi auf ein Abkommen, das – anders als nach dem Ersten Weltkrieg – erstmals einen Schutz der deutsch- und ladinischsprachigen Minderheit vorsah.
„Der am 5. September 1946 abgeschlossene ‚Pariser Vertrag’ stellte neue Weichen für die Zukunft unseres Landes“, meint Philipp Achammer. „Der Weg hin zu einer wirklichen Autonomie war langwierig und schwierig.“ Das erste Autonomiestatut hatte eine autonome Region Trentino-Südtirol geschaffen – mit einer italienischsprachigen Mehrheit. „Aufgrund des Gruber-Degasperi-Abkommens, das bekanntlich Teil des italienischen Friedensvertrages – also eines internationalen Vertrages – war, war es in der Folge durch den beharrlichen Einsatz Österreichs möglich, zwei entscheidende Resolutionen der UNO-Vollversammlung zu erreichen.“
Die UNO-Resolutionen forderten Italien auf, den Pariser Vertrag umzusetzen. „Es folgten jahrelange mühsame Verhandlungen, die vor allem Landeshauptmann und SVP-Obmann Silvius Magnago in Rom geführt hat. Diese führten zum „Paket“ von 137 Maßnahmen, die einen besseren Schutz der Südtirolerinnen und Südtiroler gewährleisten sollten“, sagt Philipp Achammer. 1969 wurde das „Paket“ auf der SVP-Landesversammlung in Meran genehmigt – drei Jahre später sollte dann das Zweite Autonomiestatut in Kraft treten. 1992 wurde dann mit der Streitbeilegung die Umsetzung abgeschlossen.
„Der Pariser Vertrag kann als Grundstein der Südtiroler Autonomie gesehen werden“, erklärt Philipp Achammer. „Auch wenn er nicht präzise formuliert worden ist und viele Interpretationsmöglichkeiten offen lässt, sind seine positiven Auswirkungen auf unser Land unbestritten.“ Die auf dem Gruber-Degasperi-Abkommen basierende Autonomie habe Südtirol weitgehende Eigenständigkeit, Frieden und Wohlstand gebracht.
FH: „Kein Grund zum Feiern, aber ein Grund zum Nachdenken“
Mit der Broschüre “70 Jahre Pariser Vertrag 1916 – 2016” liefert die Südtiroler Landesregierung den Südtirolern einen historischen Rückblick über die Nachkriegsgeschichte des Landes. „Dabei wird die Entwicklung leider sehr einseitig dargestellt, entscheidende Fakten werden ausgeblendet und fragwürdige Ereignisse verherrlicht. Einer objektiven Geschichtsschreibung hält die Broschüre nicht stand, weshalb sie eher als parteipolitisches Propagandaheft der SVP zu bezeichnen ist, erstellt mit Steuergeldern“, kritisiert der Landtagsabgeordnete der Freiheitlichen, Pius Leitner, in einer Aussendung.
Wenn die auf dem Pariser Vertrag fußende Autonomie durchaus als Erfolgsgeschichte bezeichnet werden könne, sei in der Broschüre sträflich vergessen worden, dass ohne massiven demokratischen Einsatz und ohne den Freiheitskampf das Tor zu den Autonomieverhandlungen nicht aufgegangen wäre, so die Freiheitlichen. „Die im Laufe der Zeit dem Staat abgerungenen Zuständigkeiten bilden einen Rahmen für den Schutz der deutschen und ladinischen Volksgruppe. Es ist jedoch fraglich, ob die Sorge entkräftet werden kann, die bereits die sogenannten “Paketgegner” geäußert hatten, ob nämlich das Paket eine ausreichenden Sicherung des Bestandes und der natürlichen Entwicklung der Südtiroler in ihrer angestammten Heimat – auch bei ungeschwächtem Erhaltungswillen ihrer Eigenart – gewährleisten kann“, fügt Leitner hinzu.
„Aus dem Schutz der deutschen Volksgruppe – die ladinische wurde bedauerlicherweise im Pariser Vertrag “vergessen” und erfuhr erst mit dem Zweiten Autonomiestatut ihre Anerkennung – ist inzwischen ein Volksgruppenausgleich geworden. Dieser hat zwar zur allgemeinen Befriedung aller drei Volksgruppen im Lande beigetragen, aber einige Hürden sind noch immer nicht überwunden. So besteht etwa für die Ortsnamensgebung immer noch keine vertretbare Lösung und Errungenschaften wie Proporz und Zweisprachigkeit unterliegen fortwährenden Verletzungen. Wenn der ethnische Proporz in der vorliegenden Broschüre als Friedensstifter bezeichnet wird, so ist der Absicht zuzustimmen, dem Ergebnis jedoch nur begrenzt. Vor allem aber schränkt der Verfassungsgerichtshof jeglichen Spielraum für einen weiteren Ausbau der Autonomie ein. Die bevorstehende Verfassungsreform in ihrer zentralistischen Ausrichtung lässt nichts Gutes für Südtirol erwarten. Der Umstand, dass sie für Südtirol erst nach Anpassung des Autonomiestatuts Anwendung finden soll, ist wenig beruhigend“, erklärt Leitner.
Offen sei laut den Freieheitlichen auch noch das Ergebnis des Autonomiekonvents, wobei vorhersehbar sei, dass nach der “Filterung” im Landtag, im Regionalrat und im Parlament keine großen Sprünge zu erwarten seien. „Am Ende muss man vielleicht sogar froh sein, keine Rückschritte hinnehmen zu müssen. Es ist bezeichnend, dass jene politischen Kräfte, die den Autonomiekonvent unbedingt wollten, nun Bauchweh haben, weil die Besetzung dieses Hilfsorgans des Landtages nicht nach ihrem Geschmack erfolgt ist. Die gemischte Schule, die Aufhebung bzw. Abschwächung des Proporzes und der Ansässigkeitspflicht scheinen im Autonomiekonvent glücklicherweise nicht mehrheitsfähig zu sein“, so die Freiheitlichen.
„Nach 70 Jahren Autonomiegeschichte muss festgestellt werden, dass die große Mehrheit der Italiener im Lande nicht für diese Autonomie zu begeistern war. Dabei profitiert die italienische Volksgruppe inzwischen ebenso davon. Es gibt bei vielen Italienern immer noch kein Südtirol-Bewusstsein, wie es etwa die Italiener in der Schweiz entwickelt haben. Für mich ist die Autonomie auf der Grundlage des Paketes lediglich eine Interpretation des Pariser Vertrages, aber sicher nicht das Ende der Südtiroler Geschichte. Die SVP hat keine politische Vision, die über diese Autonomie hinausreicht; sie hat daraus ein Machtinstrument zur Absicherung der eigenen Interessen gemacht und ist dabei, Südtirol in den italienischen Staatsverband dauerhaft zu ‚integrieren‘“, erklärt Leitner.
So wie es nicht gelungen sei, viele der zugewanderten Italiener in Südtirol zu integrieren, so wenig werde es erst recht gelingen, die „hohe Anzahl an Zuwanderern aus aller Herren Länder“ zu integrieren, fährt Leitner fort. „Die massive Zuwanderung von Ausländern war für die Väter der Autonomie kein Thema und es gibt keine Bestimmung, die uns davor schützen könnte. Es gibt seitens der SVP nicht den geringsten Willen, dem Abhilfe zu schaffen. Der Minderheitenschutz wird wegen dieser Entwicklung relativiert, wenn nicht ausgehebelt. Dadurch ist der ethnische Frieden mehr gefährdet als durch die Auseinandersetzungen zwischen den drei Volksgruppen. Auswirkungen der unkontrollierten Massenzuwanderung, zumal aus muslimischen Ländern, beunruhigen inzwischen die Menschen überall in Europa. Warum sollte ausgerechnet Südtirol davon nicht betroffen sein?“, fragt Leitner.
Grundsätzlich gelte festzuhalten: „Das Pariser Abkommen wurde als internationaler Vertrag zwischen Italien und Österreich weder für das Trentino noch für die in Südtirol lebenden Italiener und schon gar nicht für die Zuwanderer aus aller Herren Länder, sondern einzig und allein zum Schutze der Südtiroler abgeschlossen. Mit Hilfe des Vaterlandes Österreichs, dem an dieser Stelle für die Unterstützung der letzten Jahrzehnte ausdrücklich gedankt sei, und im Geiste der Menschenrechte wird es gelingen, auch die postautonome Zeit zu überwinden und selbstbestimmt die Freiheit zu erlangen. Daher: gedenken und nachdenken ja – feiern nein!“