Von: APA/dpa/Reuters
Bei den Kämpfen in Syrien ist die Rebellenallianz in die Stadt Hama vorgedrungen und hat die Regierungstruppen nach staatlichen Angaben in die Außenbezirke gedrängt. Die Einheiten der Regierungstruppen seien außerhalb der Stadt verlegt worden, um “das Leben von Zivilisten” in Hama zu schützen, teilte das syrische Verteidigungsministerium mit. Das Kommando der syrischen Streitkräfte kündigte an, die von “Terroristen” eingenommenen Gebiete zurückzugewinnen.
Die Rebellen wollen ihren Vormarsch jedoch fortsetzen und nun die drittgrößte Stadt Homs angreifen. “Unser heldenhaftes Volk in Homs, eure Zeit ist gekommen”, erklärte ein Kommandant der islamistischen Gruppe Hayat Tahrir al-Sham (HTS) in sozialen Medien. Die laufende Offensive sei eine “Revolution gegen Ungerechtigkeit und Tyrannei”, teilte der Kommandant mit, offenbar in Bezug auf die Herrschaft von Syriens Machthaber Bashar al-Assad.
Homs entscheidend für Lieferungen an Hisbollah
Homs liegt etwa eine halbe Autostunde von der Grenze zum Libanon entfernt. Die Kontrolle der Regierung über Homs ist dem US-amerikanischen Institut für Kriegsstudien (ISW) zufolge entscheidend, um weiterhin Lieferungen des Irans an die Hisbollah-Miliz im Libanon zu ermöglichen. Homs bietet Zugang zu mehreren Grenzübergängen in das Nachbarland.
Es ist unklar, ob die Rebellen über genügend Kämpfer verfügen, um Homs mit etwa 1,4 Millionen Einwohnern einzunehmen. Bei einem Erfolg wäre auch die Verbindung der Hauptstadt Damaskus zu den syrischen Mittelmeerhäfen abgeschnitten.
Gefängnisinsassen in Hama freigelassen
Militärkreise berichteten während der Kämpfe um Hama von erbitterten Gefechten. Es seien die womöglich schwersten Kämpfe, die die Armee seit Jahren erlebt habe, hieß es. “Alle leben in einem Zustand von Angst und Sorge”, sagte ein Bewohner der Deutschen Presse-Agentur.
Nach eigenen Angaben nahmen die Kämpfer ein großes Gefängnis in der Stadt ein und ließen Insassen frei. “Unsere Streitkräfte sind in das Zentralgefängnis von Hama eingedrungen und haben Hunderte zu Unrecht inhaftierte Gefangene befreit”, erklärte Hassan Abdel Ghani, ein militärischer Führer der islamistischen Kämpfer, im Onlinedienst Telegram.
Die Syrische Beobachtungsstelle für Menschenrechte mit Sitz in London berichtete, die Rebellen seien nach stundenlangen Kämpfen von nordöstlicher Seite in die Stadt eingedrungen. “Im Lauf der vergangenen Stunden (…) konnten diese Gruppen mehrere Achsen in der Stadt durchdringen und die Stadt betreten”, teilte das syrische Ministerium mit. Bei den zunehmenden Kämpfen mit den “Terroristen” habe es in den Reihen der Regierungssoldaten zunehmend Tote gegeben.
Die Rebellen hatten in der vergangenen Woche eine überraschende Offensive im Norden Syriens gestartet und dabei die zweitgrößte Stadt Aleppo erobert. Seitdem sind sie rasch weiter nach Süden vorgestoßen. Die syrische Armee versucht sie aufzuhalten. Unterstützt wird sie dabei vom russischen Militär und vom Iran unterstützten Milizen. Der Iran und Russland sind die engsten Verbündeten des syrischen Präsidenten Assad. Mächtigste Gruppe unter den Rebellen ist die HTS, der ehemalige Al-Kaida-Ableger in Syrien. Ihr Anführer Abu Mohammed al-Golani hat zwar versprochen, die religiösen Minderheiten zu schützen, doch gibt es große Sorgen wegen der Aufständischen. Eine Eroberung von Hama eröffnet den Rebellen die Möglichkeit für einen Vorstoß auf Homs, die wichtigste Stadt in Zentralsyrien.
Der Überraschungsangriff der Rebellen ist der größte seit Jahren im syrischen Bürgerkrieg, in dem die Fronten seit 2020 weitgehend eingefroren waren. Der Iran und Russland hatten Assad geholfen, die Kontrolle über den größten Teil des Landes und alle größeren Städte zurückzugewinnen. Assad hatte die Massenproteste gegen ihn, die 2011 in einen Bürgerkrieg mündeten, vom Militär brutal niederschlagen lassen. UNO-Experten sprechen von Kriegsverbrechen. Hunderttausende Menschen wurden in dem Konflikt getötet und viele Millionen vertrieben.
Experte sieht Minderheiten gefährdet
Der deutsche Nahost-Experte und frühere deutsche Botschafter in Damaskus, Andreas Reinicke, sieht nach dem Wiederaufflammen des Bürgerkriegs die Zukunft der christlichen und kurdischen Minderheiten in Syrien gefährdet. Die HTS-Miliz habe sich zwar von den brutalen Praktiken der Terrororganisation “Islamischer Staat” distanziert, dennoch sei die Miliz in der Ideologie der Al-Nusra-Front, einer Abspaltung von Al-Qaida, fest verwurzelt, sagte der Direktor des Deutschen Orient-Instituts der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA), wie Kathpress berichtete.
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