Von: mho
Berlin/London – Eine Kolumnistin des britischen Online-Magazins „Mirror“ legt die bisherigen Fakten zum Anschlag in Berlin dar und kommt zum Schluss, dass die Schuld nicht bei Merkel, sondern allenfalls bei Tunesien liege.
„Ein Mann stiehlt einen Lastwagen, tötet damit 12 Menschen und es kommt raus, dass er einen Asylantrag gestellt hat.“ Dies sei für „kurzdenkende“ Menschen Grund genug, um die offene Flüchtlingspolitik von Angela Merkel als Sündenbock für die Tragödie hinzustellen.
Dabei sehe die Sachlage, nüchtern betrachtet, ganz anders aus: Anis Amri war schon einen Monat vor der großen Flüchtlingswelle und Merkels „Türöffnung“ nach Deutschland eingereist – illegal und unter Terrorverdacht stehend.
Aber sehen wir uns Amris Geschichte von vorne an: Als er 2011 in seinem Heimatland Tunesien wegen bewaffneten Raubüberfalls zu einer fünfjährigen Haftstrafe verurteilt wurde, flüchtete er während des arabischen Frühlings mit tausenden weiteren Tunesiern nach Italien. Auch in seinem Gastland hielt sich der noch minderjährige Amri nicht an die Gesetze und musste wegen Brandstiftung in einer Schule für vier Jahre ins Gefängnis. Erst dort radikalisierte sich der verhaltensauffällige Amri, der bis dahin eher als gottloser Lebemann galt.
Nach seiner Entlassung im Jahre 2011 scheiterte Amris Abschiebung nach Tunesien an der schleppenden Bürokratie seines Mutterlandes – ohne gültigen Reisepass war eine Rückführung nicht möglich. Da er sich auf italienischem Staatsgebiet nicht aufhalten durfte, reiste er illegal nach Deutschland, wo er wiederum einen – diesmal anonymen – Asylantrag stellte. Mittlerweile wurde gegen Amri bereits wegen Terrorverdachts polizeilich ermittelt.
Der Antrag wurde im Juni 2016 abgelehnt, Amri jedoch nach einem Tag wieder frei gelassen, weil aufgrund fehlender Ausweisdokumente seine Identität nicht sicher festgestellt werden konnte. Amri verfügte zu dem Zeitpunkt bereits über rund sechs verschiedene falsche Identitäten.
Im August schließlich wurde er wegen eines Kleinstvergehens erneut fest genommen, seine Abschiebung scheiterte abermals an der tunesischen Bürokratie. Im September wurde die polizeiliche Überwachung Amris kurzzeitig eingestellt, weil er laut Ermittlungen keine ausreichende terroristische Gefahr darstellte. Bald darauf schlug der marokkanische Geheimdienst bei seinen deutschen Kollegen Alarm, der Mann verkörpere ein akutes Risiko. Auch in den USA wurde er auf die Flugverbotsliste gesetzt.
Einen Monat später wurden etliche Personen des islamistischen Umfelds Amris von den deutschen Behörden verhaftet. Die Verhöre ließen keinen Zweifel mehr offen, dass Amri eine große öffentliche Gefahr darstellte, sämtliche Sicherheitsdienste wurden vor ihm gewarnt – er war also bereits vor dessen Anschlag ein gesuchter Staatsfeind.
Ein weiterer Migrant, der polnischer Lkw-Fahrer Lukasz Urban, war nicht nur das erste Opfer Amris, sondern wendete heldenhaft ein noch viel größeres Massaker ab. Durch Messerstiche halb verblutet erlangte Urban im Moment des Attentats sein Bewusstsein wieder und lieferte sich mit Amri einen Kampf, der den Täter frühzeitig von seinem Massenmord ablassen und flüchten ließ. (Anm.: Neuesten Erkenntnissen zufolge war es ein automatisches Bremssystem, welches den Lkw zum Stehen brachte. Urban sei bereits vor dem Anschlag erschossen worden.)
Das Fazit der Mirror-Journalistin: Weder Italien, noch Deutschland „ließen Amri rein“. Sie lehnten seinen Antrag ab, verhafteten ihn und taten alles in ihrer Macht stehende, um ihn abzuschieben. Lange konnte er mangels an Beweisen nicht für eine Straftat verhaftet werden, welche er noch nicht begangen habe – dies sei nun mal ein Rechtsgrundsatz nicht-autoritärer Regime. Auch andere Ministerpräsidenten, auch geschlossene Grenzen hätten einen Anschlag Amris nicht verhindern können. Die harte Wahrheit: „Wenn ein paar tausend Leute jemanden umbringen wollen, wird einer es schaffen.“