Von: mk
Bozen – Der Südtiroler Landtag hat sich heute weiter mit dem Bürokratieabbau befasst.
Unter anderem ging es um den Beschlussantrag Nr. 46/19: Nachhaltiger Bürokratieabbau (eingebracht von den Abg. Unterholzner, Köllensperger, Rieder, Faistnauer, Ploner A. und Ploner F. am 5.2.2019); der Landtag möge die Landesregierung verpflichten, 1) Das Bassanini-Gesetz (Staatsgesetz Nr. 127 vom Mai 1997), folglich eine Umkehrung der Bringschuld dahingehend zu fördern, dass die öffentliche Hand sich die Informationen, die sie sich selbst besorgen kann oder gar schon besitzt, nicht mehr beim Bürger einfordert, konsequent umzusetzen. 2) Eine Prüfstelle im Südtiroler Landtag zu integrieren, welche für den Bürokratiecheck und dem Folgekostencheck von Gesetzen und Vorschriften zuständig ist und analysiert welche Belastung eine eingeführte Regelung effektiv verursacht. 3) Unnötige Behördengänge durch ein besseres digitales System und eine konsequente digitale Verwaltung zu vermeiden und dadurch die Bürger/innen von Verwaltungsaufgaben zu entlasten. Der Antrag war bereits am Vormittag andiskutiert worden.
Bürokratie habe auch Ursachen, meinte LH-Stv. Arnold Schuler. Je mehr Leistungen die öffentliche Hand anbiete, desto mehr steige die Bürokratie. Zudem wolle man dabei zielgenau sein und überprüfen, ob die Förderung die Berechtigten treffe. Es gehe auch um Vertrauen: Viele Bürger hätten das Vertrauen in die Verwaltung verloren und umgekehrt. Dieser Einstellung sei schwer zu begegnen. Das Land sei verpflichtet, Gesetze umzusetzen, auch das Bassanini-Gesetz, das die Anforderung von bereits vorliegenden Dokumenten verbiete. Vielfach fehle es an Akzeptanz für die Digitalisierung, die dann als Bürokratie empfunden werde. Dabei erleichtere es die Digitalisierung, bereits gemachte Angaben für die nächsten Jahre festzuhalten. Es habe verschiedene Anläufe für einen Bürokratie-Check zu den Gesetzen gegeben, manche seien versandet, aber einiges sei auch umgesetzt worden. Um unnötige Behördengänge zu vermeiden, gäbe es noch viele Möglichkeiten, vor allem auf digitalem Wege. Man rede oft von Estland als Beispiel, aber dort wurde eine Verwaltung von Null aufgebaut, hierzulande müsse man Bestehendes entflechten. Einige Ziele des Antrags könne man teilen, aber in dieser Form könne man ihn nicht annehmen, auch weil vieles schon auf dem Wege sei.
Josef Unterholzner (Team K) verglich die Bürokratie nach einem Arbeitsunfall in Südtirol und in Thüringen. Hier habe es drei Jahre gebraucht, dort einen Tag. Der Bürokratieabbau müsse im Landtag beginnen, und er sei dabei zu jeder Zusammenarbeit bereit. Der Antrag wurde mit 13 Ja, 15 Nein und drei Enthaltungen abgelehnt.
Beschlussantrag Nr. 190/19: Arbeitsunfälle (eingebracht vom Abg. Repetto am 17.10.2019); der Landtag möge die Landesregierung verpflichten, a) in Schulen, besonders in Fach- und Berufsschulen, Kurse zur Arbeitssicherheit einzuführen, damit junge Menschen bereits im Schulalter in diesem Bereich ausgebildet und für das Thema sensibilisiert werden; b) zu gewährleisten, dass problematische Ausschreibungen für nichtig erklärt werden; c) angesichts der beunruhigenden Daten zu Unfällen und Todesfällen am Arbeitsplatz die Zahl der Kontrollen auch durch die Einstellung von Arbeitsinspektoren zu erhöhen, um so über einen Inspektor pro 5.000 Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen zu verfügen und damit die geltenden Rechtsvorschriften einzuhalten.
“Auch unser Land muss sich dieser traurigen Realität stellen”, meinte Sandro Repetto (Demokratische Partei – Bürgerlisten). “Von Januar bis August dieses Jahres sind 13 Arbeitnehmer am Arbeitsplatz tödlich verunglückt, im Jahre 2018 waren es drei; im gleichen Zeitraum wurden der Unfallversicherungsanstalt INAIL 10.404 Arbeitsunfälle gemeldet. Der Großteil dieser Arbeitsunfälle hat sich im Bauwesen und in der Landwirtschaft ereignet. Aus den Daten der INAIL, die im Jahr 2017 insgesamt 187 Unternehmen kontrolliert hat, geht zudem hervor, dass 81,82 Prozent dieser Unternehmen bei stichprobenartigen Kontrollen für Prävention und Überprüfung, für die Baumusterprüfung und Zulassung von Maschinen und Ausrüstung, sich nicht an alle Vorgaben gehalten hatten.” Stichprobenkontrollen seien nicht ausreichend.
Ulli Mair (Freiheitliche) kündigte Zustimmung an, vor allem zu Punkt eins des Antrags zur Ausbildung. Das wäre auch als Vorbereitung auf das Arbeitsleben zu sehen. Auch der Brandschutz sollte hier berücksichtigt werden. Mit Punkt drei zu den Arbeitsinspektoren könne sie sich weniger anfreunden.
Hanspeter Staffler (Grüne) unterstrich die Notwendigkeit einer neuen Risikokultur. Es gebe nämlich nicht den absolut sicheren Arbeitsplatz, vieles passiere auf den Arbeitswegen. Italien liege in punkto Arbeitssicherheit im Mittelfeld. Die meisten Unfälle ereigneten sich in der Landwirtschaft, die von diesem Antrag nicht berücksichtigt werde.
Jeder Arbeitsunfall sei einer zu viel, meinte Myriam Atz Tammerle (Süd-Tiroler Freiheit), aber es sei auch anzuerkennen, dass die Arbeitgeber in diesem Bereich bereits viel getan hätten. Sie könnten nicht bei jedem Arbeitnehmer Wache stehen. Vieles liege im eigenen Verantwortungsbereich. In den Schulen werde auch schon bereits vieles getan, zum Beispiel zum Umgang mit Maschinen im Werkunterricht. Punkt zwei sehe sie problematisch, ebenso Punkt drei des Antrags. Manchmal seien gemeldete Fälle auch erfunden.
Andreas Leiter Reber (Freiheitliche) führte die hohe Zahl der Arbeitsunfälle in der Landwirtschaft vor allem auf das Gelände zurück. Er sprach sich für Punkt 1 des Antrags aus. Jeder Arbeitgeber wäre froh, wenn die Mitarbeiter bereits in der Schule in Arbeitssicherheit ausgebildet worden sind. Arbeitsunfälle hätten nichts mit Billigangeboten zu tun, daher könne er Punkt zwei nicht mittragen. Bei Punkt 3 sei eine Überkontrolle zu befürchten.
Helmut Tauber (SVP) sah die Betriebe in Sachen Arbeitssicherheit gut aufgestellt. In bestimmten Fachschulen werde Arbeitssicherheit bereits unterrichtet. Viele Unfälle seien auf die Beschaffenheit der Landschaft zurückzuführen.
Josef Unterholzner (Team K) forderte mehr Eigenverantwortung. Jeder Unfall sei zu analysieren, damit man sich für die Zukunft besser absichern könne. Noch mehr Inspektoren könne er als Unternehmer nicht zustimmen, man müsse noch arbeiten können. Ein großes Hindernis sei auch ein übertriebener Jugendschutz. An den Landesberufsschulen werde Arbeitssicherheit bereits unterrichtet, bemerkte Peter Faistnauer (Team K). Als Berufsschullehrer wisse er, dass die Arbeitgeber das auch verlangten, sonst könnten die Schüler kein Betriebspraktikum absolvieren.
Gerhard Lanz (SVP) sah den Antrag als großteils erledigt an. Den Unterricht in Arbeitssicherheit gebe es bereits. Anders als in anderen Ländern werde in Italien bei Feststellung von kleinen Unregelmäßigkeiten sofort gestraft, und das sei der falsche Weg. Die Betriebe profitierten ja nicht davon, wenn ein Arbeiter sich verletze. Das Thema sei wichtig, der Antrag in dieser Form aber nicht annehmbar. Die genannten Statistiken seien leider nicht korrekt.
LR Philipp Achammer plädierte für eine Stärkung der Sicherheitskultur. Jeder Unfall bringe auch eine Familientragödie mit sich. Viele Betriebe beklagten sich über die zu hohen Sicherheitsstandards, und man könne auch sagen, dass Italien restriktiver sei als etwa Österreich. Aber höhere Auflagen führten leider nicht zu mehr Sicherheit. Die Frage sei, was man von hier aus tun könne. Manche Betriebe forderten von den Schulen eine Sicherheitsausbildung bis zur höchsten Stufe; das sei nicht möglich. In allen Oberschulen werde die Sicherheitsgrundausbildung integriert, in den Berufsschulen auch höhere Stufen, für 4 bis 12 Stunden. Die Schulen würden vieles auch als Weiterbildung an. Das sei seines Erachtens genug. Die gesetzliche Grundlage zum Ausschluss von Betrieben, welche die Sicherheitsauflagen nicht einhalten, gebe es bereits. Ein hoher Preisabschlag allein sei kein Grund für einen Ausschluss, da müsse Fall für Fall überprüft werden. Südtirol habe weniger Arbeitsinspektoren als das Trentino, aber eine Aufstockung würde momentan nichts bringen, da man schon heute nicht imstande sei, die Planstellen zu besetzen. In einem Landesgesetzentwurf habe man das Prinzip “Beraten statt strafen” eingeführt, aber das sei mangels Zuständigkeit des Landes zurückgezogen worden. Achammer bot Repetto an, den Antrag gemeinsam zu überarbeiten. Sandro Repetto ging auf das Angebot ein und bat um Vertagung.
Beschlussantrag Nr. 62/19: Ankauf des Gebäudes der Region in der Duca-d‘Aosta-Allee (eingebracht vom Abg. Repetto am 7.3.2019); der Landtag möge die Landesregierung verpflichten, das Gebäude der Region in der Duca-d’Aosta-Allee anzukaufen und dieses nach einer entsprechenden Sanierung als Sitz für die Vereine auf lokaler Ebene sowie auf Landesebene zweckzubinden.
“Seit 2012 steht das Gebäude der Region (ehemaliges Grundbuchamt) in der Duca-d’Aosta-Allee in Bozen vollkommen leer und ungenutzt”, erklärte Sandro Repetto (Demokratische Partei). “Im Haushalt der Region von 2012 waren rund neun Millionen Euro für die Sanierung veranschlagt worden, aber ohne Angaben über dessen künftige Nutzung – seither hat man allerdings nichts mehr davon gehört. In Bozen mangelt es an Gebäuden für Vereine in den Bereichen Sport, Soziales, Kultur usw. Das genannte Gebäude würde alle Eigenschaften besitzen, um zum Begegnungsort für Vereinigungen, die in Bozen aktiv sind und in der Hauptstadt auch ihren Landessitz haben, zu werden. Würde das Land dieses Gebäude erwerben und dem örtlichen Vereinswesen zur Verfügung stellen, könnten die Beiträge für Miet- und Betriebskosten, die jährlich von den jeweiligen Landesabteilungen ausbezahlt werden, vermindert werden; bisher sind nämlich viele unserer Vereine bei Privaten in Miete.” Manche in dieser Landesregierung seien auch in der Regionalregierung und könnten in diesem Sinne aktiv werden.
Hanspeter Staffler (Grüne) zeigte sich überzeugt, dass die Landesregierung bereits Überlegungen zum Gebäude anstelle. Er erinnerte an Vorschläge zu einer Parteienfinanzierung, die aus Sachleistungen bestehe. Das genannte Gebäude könnte auch das Haus der Parteien werden.
Sven Knoll (Süd-Tiroler Freiheit) sprach sich gegen den Vorschlag aus. Diese Bruchbude sehe eher nach einem Zentralkomitee der KP aus. Die Vereine hingegen bräuchten eher Räumlichkeiten in den verschiedenen Gemeinden, in denen sie tätig seien. LR Massimo Bessone berichtete, dass die Region das Land beauftragt habe, das Gebäude als Sitz verschiedener Gerichtsämter herzurichten, die damit an einem Platz vereint werden könnten. Damit spare man sich über 2 Mio. an Mieten pro Jahr. Für die Vereine gebe es ein Projekt für einen Sitz in der Kanonikus-Gamper-Straße. Der Antrag wurde von Repetto anschließend zurückgezogen. Er forderte die Landesregierung auf, zügig an dem Projekt zu arbeiten.
Beschlussantrag Nr. 64/19: Gesamtliste und Studie über Steuerentlastungen und Sozialleistungen (eingebracht von den Abg. Köllensperger, Ploner A., Ploner F., Unterholzner, Faistnauer und Rieder am 7.3.2019); der Landtag möge die Landesregierung verpflichten, 1. eine Studie über die Auswirkungen und den Erfolg der bestehenden finanziellen Leistungen in Auftrag zu geben; 2. eine vollständige, nach Jahren und nach Geldgeber aufgeschlüsselte Liste aller auf dem Landesgebiet bestehenden finanziellen Sozialleistungen (sowohl Steuerentlastungen als auch Zuwendungen im sozialen Bereich), die von Gemeinden, Bezirksgemeinschaften, Region, Staat und Land in den letzten fünf Jahren erbracht wurden, zur Verfügung zu stellen; 3. eine Übersicht aller in Punkt 1 genannten Steuerentlastungen und sozialen Zuwendungen/Sozialleistungen mit folgenden Angaben vorzulegen: zuständiges Ressort/zuständige Körperschaft, Aufgabenbereich/Programm/ Titel/Gruppierung im Landeshaushalt (falls möglich), Entlastung/Zuwendung, Gesamtausgabe für den Beitrag, Anzahl der Begünstigten.
Die Sozialleistungen würden vom Land, aber auch von anderen Körperschaften gewährt, bemerkte Maria Elisabeth Rieder (Team K). “Angesichts der hohen Anzahl und Komplexität der bestehenden Maßnahmen wäre eine übersichtliche Aufstellung aller öffentlichen Beihilfen in den verschiedenen Bereichen (Gesundheitswesen, Soziales, Wohnbau usw.) hilfreich, in welcher die zuständige Körperschaft (Staat, Region, Land, Bezirksgemeinschaften und Gemeinden) und das Ausmaß der Leistung angegeben sind.”
Hier werde ein Riesenthema angesprochen, meinte Hanspeter Staffler (Grüne). Gäbe es einen Sozialbericht, würde er einen Großteil der Fragen beantworten. Nur wenige hätten einen Überblick über das System der sozialen Maßnahmen. Eine Übersicht wäre hilfreich.
Gerhard Lanz (SVP) sprach sich gegen den Antrag aus. Dieser fordere eine Studie für eine politische Bewertung, und für so etwas seien die Parteien zuständig, nicht der Landtag.
Es wäre richtig, das ganze System einmal zu überprüfen, meinte hingegen Sven Knoll (Süd-Tiroler Freiheit). Er wohne in einem Haus, im dem sonst nur mehr Ausländer wohnten. Alle zahlten Miete, aber nur einer gehe einer Arbeit nach, und die Nachbarn fragten sich, wie das möglich sei. Er kündigte Zustimmung an.
LR Arnold Schuler wies auf die Komplexität des Themas hin, die eine Gesamtübersicht erschwere. Es sei auch schwierig, die Auswirkung einzelner Maßnahmen zu durchleuchten, etwa jene des Mietbeitrags auf die Mietpreise. Eine weitere Schwierigkeit ergebe sich auch daraus, dass die Leistungen von verschiedenen Behörden geboten würden, nach unterschiedlichen Kriterien. Für kleinere Gruppen von Leistungen könne man sich eine Übersicht vorstellen, aber nicht für die Gesamtheit. Daher müsse man den Antrag in dieser Form ablehnen.
Daten seien eine Grundlage für politisches Handeln, betonte Maria Elisabeth Rieder. Es müsste gerade im Sinne der Landesregierung sein, eine Übersicht zu haben. Aber auch der Landtag brauche Daten für seine Entscheidungen, umso mehr, wenn die Einbringer in Zukunft auch die Mittel für die Finanzierung ihrer Vorschläge angeben müssten. Der Antrag wurde mit 14 Ja und 16 Nein abgelehnt.