Von: mk
Bozen – Nun ist die Katze aus dem Sack: Ex-Landesrat Thomas Widmann wird bei den Landtagswahlen am 22. Oktober 2023 kandidieren. Er tritt mit der neu gegründeten Liste „Für Südtirol mit Widmann“ an. Es handle sich dabei nicht um eine Kandidatur gegen etwas, sondern „für eine Politik des klugen und konkreten Entscheidens und Handelns.“ Details gibt es in wenigen Tagen bei einer Pressekonferenz.
Thomas Widmann ist seit vielen Jahren Spitzenpolitiker der Südtiroler Volkspartei (SVP). In seiner Zeit als Parteisekretär ab 1997 organisierte er jene Wahlkämpfe, die die Partei zu nie mehr erreichten Wahlerfolgen führten: Unter anderem baute er die Mehrheit von 52 Prozent (1993) und 19 Mandaten auf gut 56 Prozent (1998) mit 21 Mandaten aus. „2003 erzielte Spitzenkandidat Landeshauptmann Luis Durnwalder sogar mehr als 110.000 Vorzugsstimmen; die 21 Mandate wurden gehalten“, erklärt Widmann.
Von 2004 bis 2013 war Widmann Mitglied der Südtiroler Landesregierung, unter anderem verantwortlich für die Mobilität, die er von Grund auf reformierte: So entwickelte er den Südtirol-Takt mit kontinuierlichen engmaschigen Anschlüssen in ganz Südtirol, führte den Südtirol Pass ein und damit ein einheitliches Ticket für alle Fahrten im öffentlichen Nahverkehr mit Vorteilen für Vielfahrer und Pendler; darüber hinaus erneuerte er Verkehrsverbindungen (Vinschger Bahn, Rittner Seilbahn u.a.) sowie Fuhrpark – unter anderem neue Zuggarnituren für die Pustertal Bahn oder etwa neue Busse. Auch in den Bereichen Personal (u.a. Gründung Verhandlungsagentur für Kollektivverträge) und Wirtschaft gelang es ihm, Zeichen zu setzen – nicht zuletzt mit der Filmförderung.
Von 2013 bis 2018 war Widmann Präsident bzw. Vizepräsident des Südtiroler Landtags und auch des Regionalrats; 2018 kehrte er als Gesundheitslandesrat in die Südtiroler Landesregierung zurück. Hier habe er Reformen in Angriff genommen, welche sofort auf eine Aufwertung der Bezirksspitäler sowie auf die Kürzung von Wartezeiten abgezielt hätten. „Etliche Reformvorhaben wurden allerdings zunächst im Zuge der Corona-Pandemie gebremst und anschließend wegen des verfrühten Endes des Regierungsmandates gestoppt. Diese Entscheidung des Landeshauptmannes zur vorzeitigen Abberufung haben damals viele nicht verstanden; die Folgen kann heute leider jeder sehen“, so Widmann. Er verweist dabei auf die „neu und teils dramatisch angestiegenen Wartezeiten in mehreren wichtigen Krankenhaus-Abteilungen“ sowie die „Bestätigung des Abwärtstrends durch die Gimbe-Klassifizierung im März 2023“.
„Für eine Politik der überlegten Entscheidung und der konkreten Handlung“
„Ich stamme aus einer durch und durch politischen Familie, die tief in der SVP verwurzelt ist; ich selbst habe viele Jahre meiner beruflichen Laufbahn der Politik für die SVP gewidmet“, sagt Thomas Widmann. Die SVP habe viele Jahrzehnte lang eine kluge Politik betrieben, in der offenes und breites Diskutieren und Nachdenken sowie konkretes Entscheiden und entschlossenes Handeln die Devise waren. Widmann: „So hat Südtirol die Autonomie errungen, so wurde Südtirol in seiner Identität gefestigt und in seinen wirtschaftlichen Grundlagen erfolgreich.“ Südtirol wurde so zu einer der blühendsten und wirtschaftlich erfolgreichsten Regionen Europas.
Heute stehe Südtirol nicht mehr so gut da, stellt Widmann fest. „Wir alle kennen die Zahlen und die Probleme. Da geht es um das Funktionieren des Gesundheitswesens und die Versorgung von Patienten und allen anderen, die Pflege brauchen; da geht es aber auch darum, dass sich unsere Südtiroler Bevölkerung vieles nicht mehr leisten kann – nicht zuletzt das eigene Dach über dem Kopf.“ Zugleich gebe es große Probleme in der Urbanistik und es herrsche eine Rechtsunsicherheit, die Wirtschaft und Entwicklung lähmt. „Auch was unsere Autonomie betrifft, müssen wir wieder viel mehr Zähne zeigen und sie verteidigen – immer öfter stülpt sich der Zentralstaat über unsere autonomen Befugnisse mit der Folge, dass wir ständig nachfragen müssen, was wir dürfen. Das ist nicht die Autonomie, die wir hatten und brauchen, um handlungsfähig zu sein!“, so Widmann. Es bedürfe dringend einer Kurskorrektur. „Die Südtiroler Regierungspolitik muss sich verstärkt wieder darauf besinnen, wie in Südtirol in Vergangenheit die Probleme angegangen und erfolgreich gelöst wurden“, so Widmann.
„Nehme Sorgen ernst und spüre den Auftrag für Kurskorrektur“
Eine Kurskorrektur von innen sei ihm nicht möglich gewesen, unterstreicht Widmann: „Ich musste zur Kenntnis nehmen, dass es mir verwehrt war, auf der SVP-Liste zu kandidieren, weil der Landeshauptmann sein Veto dagegen eingelegt hat.“ Umso lauter sei der Zuruf all jener geworden, „die früher treue und unerschütterliche SVP-Wähler waren und die heute kein Sprachrohr mehr haben, kein Gehör mehr finden und still darunter leiden, dass in Südtirol immer mehr in Schieflage gerät und die Verantwortlichen nichts dagegen tun“.
„Auch ich sehe diese Entwicklung mit Sorge und ich spüre den Auftrag, hier gegenzusteuern – und weil nicht anders möglich, eben auf einer eigenen Liste“, unterstreicht Widmann. Bereits zahlreiche Unterstützer hätten sich gemeldet und ihre Bereitschaft bekundet, die Kandidatur zu unterstützen bzw. auch selbst zu kandidieren – aus den Reihen der SVP ebenso wie von außerhalb, so Widmann.
Widmann ist bekanntlich im Zuge der SAD-Affäre rund um diverse Abhörprotokolle aus der Landesregierung ausgeschieden, nachdem der Landtag im Rahmen einer Sondersitzung den Vorschlag von Landeshauptmann Arno Kompatscher abgesegnet hat, die Landesregierung zu verkleinern. Wie aus den Abhörprotokollen hervorging, hatte sich Widmann abschätzig über Kompatscher geäußert, sich im Anschluss aber geweigert, zurückzutreten.
Die Landtagswahl im Herbst verspricht demnach, spannend zu werden. Die dominierende wie regierende Südtiroler Volkspartei ist von der Affäre durchaus gebeutelt worden, auch wenn zuletzt wieder Ruhe eingekehrt ist. Die Kandidatur Widmanns könnte durchaus noch für Aufruhr sorgen. Landeshauptmann Arno Kompatscher tritt – aufgrund der Begrenzung auf drei Amtsperioden – ein letztes Mal als Spitzenkandidat der Sammelpartei an.