Von: mk
Innsbruck – Gemeinsam für den Schutz der Schwächsten in unserer Gesellschaft – die Kinder – einzutreten, dieses Ziel weiterzuentwickeln und sich zu vernetzen, das ist das Anliegen der ARGE Kinderschutz in Tirol.
„Neben den gesetzlichen Grundlagen bedarf es der engmaschigen Vernetzung und Zusammenarbeit sämtlicher mit dem Kinderschutz befassten Einrichtungen und Behörden. Die Mitglieder der ARGE Kinderschutz kommen daher regelmäßig zusammen, um wichtige Themen aus dem Kinder- und Jugendbereich zu diskutieren. So sollen – unter strenger Einhaltung der Verschwiegenheitspflichten der einzelnen Professionen – Schnittstellen geschlossen und Verbesserungen angeregt werden“, berichtet Tirols Kinder- und Jugendanwältin Elisabeth Harasser. Durch gezielte Öffentlichkeitsarbeit solle überdies die Gesellschaft sensibilisiert und zum Hinschauen motiviert werden, wenn Kinder und Jugendliche Hilfe brauchen.
Vertrauensvolle Zusammenarbeit mit Familien
„Im Jahr 2016 wurden insgesamt 3.184 Gefährdungsabklärungen durchgeführt“, informiert Silvia Rass-Schell, Vorständin der Abteilung Kinder- und Jugendhilfe. Diese Zahlen hätten sich verglichen mit den vergangenen Jahren nicht gravierend verändert. „Was wir in der Sozialarbeit bemerken, ist die Tatsache, dass immer mehr Familien zeitweise sehr an ihre Belastungsgrenzen stoßen“. Die Kinder- und Jugendhilfe benötigt für eine vertrauensvolle Zusammenarbeit mit den Familien auch die gesetzliche Ausgestaltung strenger Verschwiegenheitsbestimmungen. „Die Familien müssen sich sicher sein können, dass auf die Verschwiegenheitspflicht der Kinder- und Jugendhilfe Verlass ist. Trotzdem ist die Vernetzung mit den Systempartnern notwendig, um die Kooperationen und Rahmenbedingungen im Kinderschutz zu verbessern“, weiß Rass-Schell.
Präventiver Kinderschutz
Bewusstes Hinsehen und frühzeitiges Management könne das Auftreten von Kindesmisshandlungen und die daraus resultierenden Spätfolgen verhindern, ist Klaus Kapelari von der Kinderschutzgruppe der Kinderklinik Innsbruck überzeugt. Von der anfänglichen Fokussierung auf Gefahrenabwehr hat sich der Kinderschutz in den vergangenen Jahren zu einem umfassenden Verständnis von präventivem Kinderschutz entwickelt. „Netzwerke im Kinderschutz orientieren sich an den Prinzipien einer ganzheitlichen Gesundheitsförderung und bilden lokale und regionale Unterstützungssysteme unter Einbeziehung der ‚Frühen Hilfen‘. Ziel ist die Entwicklung koordinierter Hilfsangebote für Eltern und Kinder“, zeigt Kapelari auf.
„Fast auf den Tag genau vor 20 Jahren wurde in Österreich das Gewaltschutzgesetz erlassen“, erinnert Eva Pawlata, Leiterin des Gewaltschutzzentrums an diese richtungsweisende Entscheidung. Seit dem 1. Mai 1997 ist das Gesetz in Kraft und gibt Opfern von Gewalt auf zivil-, straf- und öffentlich-rechtlichem Weg Möglichkeiten, sich aus oft jahrelang andauernden Gewaltbeziehungen zu lösen und ein Leben in Sicherheit zu führen. Kernstück des Gesetzes ist die Verhängung eines Betretungsverbotes für GefährderInnen.
Betretungsverbote und Ermittlungsverfahren
„In Österreich wurden seit Einführung des Gewaltschutzgesetzes 1997 bis Ende 2016 insgesamt 111.259 Betretungsverbote ausgesprochen, in Tirol waren es in diesem Zeitraum 6.097, wobei von Jahr zu Jahr eine Steigerung zu beobachten ist“, zieht Pawlata Bilanz. Vergangenes Jahr wurden vom Gewaltschutzzentrum Tirol 1.128 KlientInnen betreut, wobei ca. jede zehnte beratene Person minderjährig war. Mindestens 842 Kinder und Jugendliche waren von miterlebter Gewalt betroffen.
Von 68 Ermittlungsverfahren gegen 88 Beschuldigte, davon 17 Ermittlungsverfahren gegen 30 minderjährige Beschuldigte berichtet Erika Wander von der Staatsanwaltschaft Innsbruck. „Fünf Ermittlungsverfahren gegen fünf des sexuellen Missbrauchs von Jugendlichen Beschuldigte sowie 13 Ermittlungsverfahren gegen 15 Personen, die der Kindesmisshandlung beschuldigt werden, wurden vergangenes Jahr durchgeführt“, so Wander. Zu den in der Kriminalstatistik angeführten Zahlen betreffend (schwerem) sexuellem Missbrauch von Unmündigen sei ergänzend zu bemerken, dass bislang in elf Fällen Anklage erhoben wurde, einige Verfahren wurden eingestellt bzw. sind derzeit, bedingt durch den erheblichen Verfahrensaufwand bei derartigen Delikten, noch nicht abgeschlossen.
Das Landeskriminalamt erfasste 2016 in Tirol insgesamt 6.627 Opfer von Straftaten. „Davon waren 24 Prozent nicht älter als 20 Jahre“, resümiert Katja Tersch. Betrachtet man die jeweiligen Delikte, so handle es sich weitaus am häufigsten um Körperverletzungen. An zweiter und dritter Stelle stehen bei den Jugendlichen Drohungen und Nötigungen sowie bei den unter 14-Jährigen sexueller Missbrauch und Drohungen. Bei den Anzeigen im Bereich des sexuellen Missbrauchs von Unmündigen und Jugendlichen wurde 2016 ein Anstieg verzeichnet.
„Die Sicherstellung des Kindeswohls darf nicht auf den Schultern einer Institution allein getragen werden – um effektiven Kinderschutz zu betreiben, braucht es die Anstrengungen vieler Akteurinnen und Akteure“, ist LRin Christine Baur, zuständig für die Kinder- und Jugendhilfe überzeugt. Aus diesem Grund befürwortet sie die institutionenübergreifende Arbeitsgemeinschaft, in der die Kinder- und Jugendhilfe samt deren Einrichtungen, die Kinder- und Jugendanwaltschaft, die Kinderschutzgruppe der Kinderklinik sowie das Landeskriminalamt und die Staatsanwaltschaft zusammenarbeiten.
Mitglieder der ARGE:
Mag.a Elisabeth Harasser, Kinder- und Jugendanwältin
Mag.a Karin Hüttemann, GF Tiroler Kinder- und Jugend GmbH
OA Dr. Klaus Kapelari, Kinderschutzgruppe Kinderklinik
Mag.a Eva Pawlata, Leiterin des Gewaltschutzzentrums
Dr.in Marion Pavlic, Gerichtsmedizin
Mag.a Silvia Rass-Schell, Leiterin der Abt. Kinder- und Jugendhilfe
Obstlt. Katja Tersch, Landeskriminalamt
Dr.in Erika Wander, Staatsanwaltschaft Innsbruck