Von: luk
Brixen – Am vergangenen Samstag, den 5. Oktober, fand im malerischen Schloss Palaus in Sarns bei Brixen ein besonderes Highlight des politischen Austauschs statt: Die Tiroler Gespräche 2024. Im Mittelpunkt stand die Frage, wie die Zukunft der Europaregion Tirol gestaltet werden kann. Besonders bemerkenswert: Es waren die jungen Vertreter der politischen Parteien, die in lebhaften und tiefgründigen Debatten ihre Visionen, Meinungen und Ideen miteinander teilten. Die Veranstaltung, organisiert von der Europaunion Tirol (EUT), bot eine wertvolle Plattform für offene Diskussionen, konstruktiven Dialog und ein gegenseitiges Lernen in einer entspannten und inspirierenden Atmosphäre.
Globale Regierungsformen: Demokratie als stabilste Basis
Die erste Diskussionsrunde drehte sich um die Frage, welche Regierungsformen die besten Zukunftsaussichten haben. Anna Künig (SVP) und Christopher Pfister (ÖVP) waren sich einig: Demokratie habe sich bewährt und biete die stabilste Grundlage für eine nachhaltige Zukunft. Künig hob hervor, dass demokratische Systeme langfristig erfolgreich sein würden, während Melanie Mair (Süd-Tiroler Freiheit) für eine stärkere direkte Demokratie plädierte, um die Bürger stärker in Entscheidungsprozesse einzubeziehen.
Eine spannende Dynamik entwickelte sich, als Noah Faber (FPÖ) das Wahlergebnis der kürzlich abgehaltenen Bundestagswahl in Österreich ansprach, bei der die FPÖ siegreich hervorging. Faber kritisierte, dass die Demokratie gefährdet sei, wenn Parteien das Ergebnis nicht respektierten. „Herbert Kickl ist der gewählte Kanzler, und das ist zu akzeptieren“, fügte Tim Gerstgrasser (Freiheitliche) hinzu.
Daniel Posch (SPÖ) ist der Meinung, dass es unverhandelbare Grundrechte wie die Menschenrechte gebe, die nicht zur Abstimmung stünden. Auch in der Flüchtlingspolitik zeigten sich klare Differenzen: Während Faber den ungarischen Ministerpräsidenten Viktor Orban für seine restriktive Migrationspolitik lobte, warnte Posch vor den Konsequenzen dieser Haltung: „Orban kann kein Vorbild sein, wenn er Flüchtlinge abschiebt und sie an Österreich weiterreicht.“ Die Diskussion verdeutlichte, wie unterschiedlich die Positionen der Parteien zu Migration und Demokratie sind – Themen, die nationale Interessen und europäische Werte gleichermaßen betreffen.
Europas Zukunft: Stark und geeint?
Die zweite Diskussionsrunde widmete sich der Zukunft Europas. Melanie Mair (STF) betonte die Rolle Europas als Friedensprojekt, während Noah Faber (FPÖ) ein düsteres Bild zeichnete und den Ukraine-Krieg als Beleg für eine fragile europäische Friedensordnung anführte. Für Christopher Pfister (ÖVP) liegt Europas Stärke in der gemeinsamen Währung und den offenen Grenzen, während Daniel Posch (SPÖ) den Wohlstand als zentrale Errungenschaft Europas hervorhob.
Ein spannender Diskurs entwickelte sich um den Begriff der „Heimat“. Pfister stellte fest, dass die jüngere Generation diesen Begriff anders interpretiere als frühere Generationen, während Faber erklärte: „Heimat ist dort, wo man sich daheim fühlt.“ Mair hingegen verband Heimat mit einem klar definierten Ort. Auch beim Thema Minderheitenschutz prallten die Meinungen aufeinander: Mair kritisierte die fehlende Unterstützung des EU-Parlamentariers Herbert Dorfmann für deutsche Schulen in Südtirol, während Künig (SVP) darauf verwies, dass die SVP eine eigene Arbeitsgruppe für dieses Thema eingerichtet habe.
Großen Raum nahm auch der Tourismus ein: Während Tim Gerstgrasser (Freiheitliche) der Ansicht war, dass Overtourismus kein flächendeckendes Problem darstelle, forderte Christopher Pfister nachhaltige Maßnahmen, um Touristen stärker zur Nutzung öffentlicher Verkehrsmittel zu bewegen.
Heimat wachküssen: Gemeinsam in die Zukunft
Die abschließende Diskussionsrunde blickte gezielt auf die Zukunft der Europaregion Tirol. Christopher Pfister (ÖVP) stellte die Euregio als Vorzeigemodell für wirtschaftlichen Erfolg dar, während Noah Faber (FPÖ) das Konzept eines „Europa der Vaterländer“ betonte und sich klar gegen ein zu stark integriertes Europa aussprach. Melanie Mair verwies auf die Migrationsfrage als entscheidenden Faktor für die Zukunft der Region, während Anna Künig auf die Bedeutung der europäischen Zusammenarbeit hinwies: „Wenn jeder sein eigenes Süppchen kocht, sind wir verloren.“
Daniel Posch (SPÖ) äußerte die Hoffnung, dass die Europaregion in 20 Jahren eine starke Position in einem gestärkten Europa einnehmen werde. Zum Abschluss brachte Noah Faber den Gedanken ein, dass die Tiroler – ob aus Nord-, Süd- oder Osttirol – ein Volk seien. Diese Aussage stieß in der Runde auf breite Zustimmung und unterstrich den gemeinsamen Identitätsgedanken der Europaregion.
Ein inspirierender Tag voller Zukunftsvisionen
Die Tiroler Gespräche 2024 boten eine herausragende Gelegenheit, die politischen Ideen und Visionen junger Menschen in einem offenen, inspirierenden Rahmen zu diskutieren. Moderator Eberhard Daum führte souverän durch die Debatten und schuf eine Atmosphäre, in der kritische Auseinandersetzungen ebenso Platz fanden wie der Austausch kreativer Zukunftsperspektiven.
Nach einem intensiven Nachmittag klang die Veranstaltung bei einem geselligen Umtrunk im Schlosspark aus, der Gelegenheit zu vertiefenden Gesprächen und persönlichen Begegnungen bot. Die Veranstaltung war ein voller Erfolg und zeigte eindrucksvoll, wie engagiert und visionär die Jugend an der Gestaltung der Zukunft der Europaregion Tirol arbeitet. Es bleibt spannend zu sehen, wie die präsentierten Ideen das politische und gesellschaftliche Leben Tirols in den kommenden Jahren prägen werden.