Lega startet Petition

Tod durch Taser-Einsatz: Wie harmlos sind die Elektroschocker?

Freitag, 08. März 2024 | 08:09 Uhr

Von: mk

Bozen – Nachdem mehrere Anträge im Gemeinderat gescheitert sind, sammelt die Lega in Bozen nun Unterschriften, um die Stadtpolizei mit Tasern auszustatten. Bereits innerhalb einer halben Stunde haben rund 100 Personen die Petition unterzeichnet. Ein erfolgreiches Ergbnis soll dazu beitragen, die Mehrheit rund um Bürgermeister Renzo Caramaschi doch noch umzustimmen. Der Lega zufolge handelt es sich beim Taser um ein probates Mittel zur Abschreckung und zur Selbstverteidigung für die Ordnungskräfte. Doch es gibt auch Daten, die in eine andere Richtung deuten.

Lega

Elektroschocker werden weltweit zunehmend von Polizeitruppen eingesetzt. Die pistolenähnliche Waffe schießt bei Abzug zwei oder vier Projektile mit Widerhaken ab, die über Drähte mit dem Gerät verbunden bleiben. Bei Kontakt mit dem Hautgewebe fließt Strom durch den Körper. Es kommt für mehrere Sekunden zu starken Kontraktionen der Skelettmuskulatur sowie zu Schmerzen. Die getroffene Zielperson verliert die Kontrolle über ihren Körper und fällt meist zu Boden.

Laut italienischem Gesetz gilt der Taser – ähnlich wie eine Pistole – als Waffe. Träger müssen deshalb einen entsprechenden Waffenschein besitzen. Im Jahr 2018 hat Lega-Chef Matteo Salvini als damaliger Innenminister ein Gesetzesdekret verabschiedet, das vorsah, Carabinieri sowie Staats- und Finanzpolizei im Rahmen eines Experiments in zwölf Städten mit Tasern auszurüsten, und im Anschluss in ein Gesetz umgewandelt wurde.

Nach einer kurzen Unterbrechung im Jahr 2020 hat die damalige Innenministerin Luciana Lamorgese unter der Regierung von Mario Draghi erneut grünes Licht für den Einsatz von Tasern in 18 Städten gegeben – diesmal für sämtliche Ordnungskräfte.

Missbrauch möglich?

Kritiker wie die Menschenrechtsorganisation Amnesty International befürchten, dass die Hemmschwelle der Ordnungshüter, die Geräte auch tatsächlich anzuwenden, durch ihre scheinbare Harmlosigkeit sinkt.

Weil Elektroschocker dem Opfer während des Einsatzes Schmerzen bereiten und dabei vergleichsweise geringe physische Schäden ohne bleibende Folgen anrichten, eignen sie sich außerdem besonders gut, um ein Opfer zu quälen, ohne dass man dies nachweisen kann.

Polizeikräfte könnten die Waffe missbrauchen, um ihre Autorität auf unangemessene Weise gegenüber Zivilisten durchzusetzen. Als Beispiel wurden Fälle aus den USA zitiert, bei denen Taser im Rahmen einer normalen Fahrzeugkontrolle benutzt wurden.

Um diesem Vorwurf zu begegnen, besitzen moderne Elektroschockpistolen, die von den Behörden gebraucht werden, Einrichtungen, die den Verwender identifizieren – etwa in Form von mit Seriennummer versehenem Konfetti, das mit den Projektilen verschossen wird. In anderen Fällen werden Videokameras mit dem Entsichern der Waffe aktiv. Außerdem lassen sich Einsatzparameter über eine Computerschnittstelle des Tasers auslesen.

Das den italienischen Sicherheitskräften zur Verfügung gestellte Tasermodell ist in der Lage, zwei Ladungen abzufeuern. Vor dem Einsatz der Geräte müssen die Beamten diese vorzeigen und sie sind verpflichtet, medizinische Hilfe zu kontaktieren, nachdem eine Person mit einem Taser ruhig gestellt wurde.

Befürworter des Tasers argumentieren, dass Ordnungshüter aggressive Straftäter leichter außer Gefecht setzen können, ohne in ein Handgemenge zu geraten, das für sie selbst gefährlich werden könnte, und ohne Gebrauch von der Schusswaffe zu machen. Allein der Umstand, dass die Ordnungshüter in Italien die Elektroschocker vor ihrer Anwendung erst zeigen, wirke abschreckend und helfe Straftaten zu vermeiden, erklärt die Lega.

Es gibt Risiken und Nebenwirkungen

Doch auch wenn Elektroschocker nicht als tödliche Waffe gelten, kann deren Einsatz gefährlich sein. Amnesty International veröffentlichte Zahlen, wonach zwischen 2001 und 2008 in den USA 334 Menschen bei Taser-Einsätzen starben.

Befürworter der Waffe sehen in vielen Fällen allerdings keinen kausalen Zusammenhang zwischen den Stromschlägen und dem Tod einer Person. Vielmehr führen sie ins Feld, dass in den meisten der 334 Fälle weitere Faktoren eine Rolle gespielt hätten, wie etwa Drogen- oder Medikamenteneinfluss sowie Vorerkrankungen der Getroffenen.

Nach Angaben der Zeitung „Arizona Republic“ sind im Zeitraum von 1999 bis 2005 allerdings 167 Menschen in den USA und Kanada nach Angriffen mit einer Taserwaffe gestorben. In 27 Fällen haben Gerichtsmediziner den Taser als Todesursache identifiziert oder es konnte zumindest nicht ausgeschlossen werden, dass die Waffe zum Tod der Zielperson beigetragen hat.

Tatsache bleibt: Der Einsatz eines Elektroschockers ist für die getroffene Person in jedem Fall mit akuten Schmerzen verbunden. Bei Personen mit Herzschwäche oder einem Herzschrittmacher kann der Einsatz bei einer zu langen Einwirkzeit effektiv zum Tod führen.

Weitere Gesundheitsrisiken sind Medienberichten zufolge Augenverletzungen und Krampfanfälle, aber auch ein Lungenkollaps, Hautverbrennungen sowie Gelenks-, Muskel- und Sehnenverletzungen. Immer wieder enden Taser-Einsätze auch deshalb tödlich oder mit schweren Verletzungen, weil die Getroffenen beim Aufprall des Kopfes auf hartem Boden ein Schädel-Hirn-Trauma erleiden.

Bezirk: Bozen