Vortrag in St. Ulrich

„Tourismus – wo steuern wir hin?“

Freitag, 15. November 2024 | 11:55 Uhr

Von: mk

St. Ulrich – Elide Mussner, Co-Vorsitzende der Grünen, hat in Begleitung von Hans Heiss, Historiker und Touriusmusexperte, am Donnerstagabend im Kulturhaus von St. Ulrich/Urtijei den Status Quo der touristischen Entwicklung geschildert und sich gefragt: Wo steuern wir hin? Vor allem in den ladinischen Tälern um die Dolomiten, habe sich der Tourismus in den letzten Jahrzehnten sehr stark entwickelt, dabei sei einiges an Gemeinwohl verloren gegangen.

Hans Heiss betonte in einer Analyse die Wichtigkeit dieses Sektors, schilderte aber auch die mit ihm verbundenen Problemfelder. „Tourismus schafft Arbeitsplätze in den Bergen, stützt die bäuerliche Landwirtschaft, generiert Infrastrukturen, ist aber nur einer der Motoren gedeihlicher Entwicklung. Die Industrie hat einen deutlich größeren wirtschaftlichen Wert für unser Land als der Tourismus. Die sechs mit dem Tourismus verbundenen Hauptrisiken sind Grund- und Landschaftsverbrauch, Ressourcenverbrauch und Klimaerwärmung, architektonische Genmanipulation, erhöhte Bodenpreise und Zweitwohnungsproduktion, eine falsche Mobilität und letztendlich die stille Überschuldung in der Höhe von ca. drei Milliarden. Südtirols Fehlsteuerungen sind aber heilbar, wenn wir sie jetzt kurieren, denn in Kürze wird es zu spät sein. Es braucht transparente Kostenwahrheit, eine systematische Klimazertifizierung muss gefordert werden, eine Raumordnung, die der Situation gewachsen ist soll her, und vor allem brauchen wir Ruhezonen und keinen flächendeckenden Tourismusausbau, so wie er immer wieder gepredigt wird“, so Hans Heiss.

Elide Mussner verwies auf eine Identitätskrise im Tourismus. Durch den Boom des Skitourismus ab den 1980-er Jahren habe man eine Monokultur aufgebaut, die heute nur noch künstlich am Leben gehalten werde. Mit den steigenden Temperaturen würden die Instandhaltungskosten dieser Monokultur steigen und die für die Skiindustrie notwendige Masse an Menschen bedrohe die lokale Lebensqualität. Das Angebot sei uniformiert und man schaffe es nicht, die notwendige Innovation, anzukurbeln. „Alternative Angebote finden zu wenig Beachtung und es fehlt an Bemühungen, die notwendige Diversität im touristischen Angebot zu fördern. Der Strom der Tages- und der Selfie-Touristen ist außer Kontrolle geraten. Die Wohnungskrise mit mangelndem, kaum erschwinglichem Angebot veranlasst viele Ladinerinnen und Ladiner, in Nachbarortschaften zu ziehen, während superreiche ‚Zweithäusler‘ sich in das Tal einkaufen – diese stille Auswanderung bedroht die ladinische Identität“, betont Mussner.

Es brauche einen Paradigmenwechsel. „Wir müssen es schaffen, ein Gleichgewicht zwischen lokaler Lebensqualität und einem adäquaten, innovativen und qualitativ hochwertigen Tourismusangebot, herzustellen.“, sagte Elide Mussner. „Die Spannung in der Gesellschaft, die mit der Wohnungskrise und den ständig steigenden Lebensunterhaltungskosten zu kämpfen hat, muss produktiv angegangen werden. Wir brauchen einen konstruktiven Dialog zwischen Bevölkerung, Politik und TourismusvertreterInnen, damit klare Aktionen im Sinne des Gemeinwohls gesetzt werden. Ein Numerus Clausus für die Skipisten und die Einführung einer Ortstaxe für die Aufstiegsanlagen könnten Maßnahmen sein, die in diese Richtung gehen“, so Mussner.

Den zwei Referaten folgte eine rege Debatte mit zahlreichen Wortmeldungen aus dem Publikum, die klar gezeigt hat, wie viel Diskussionsbedarf besteht. Zum Teil herrscht sichtliche Ratlosigkeit, sogar Verzweiflung bei den Bürgern gegenüber einer scheinbar verständnislosen Lobby. Vor allem das Thema Referendum und Bürgerbeteiligung bei relevanten Entscheidungen wie die Skiweltmeisterschaft und dem Projekt der Liftverbindung Saltria-Monte Pana waren Thema der Diskussion. Aber die zahlreichen Anwesenden sahen sich auch dazu ermutigt, ihren Einsatz für Umwelt und einen verträglichen Tourismus fortzuführen.

Bezirk: Salten/Schlern

Kommentare

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3 Kommentare auf "„Tourismus – wo steuern wir hin?“"


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krokodilstraene
2 h 6 Min

Im Endeffekt läuft es ja darauf hinaus, dass sich der Tourist nur dort wohlfühlt, wo sich auch der Einheimische wohlfühlt!
Das Problem ist nur, dass sehr viele in diesem Sektor diese Tatsache noch nicht begriffen haben.
Wenn sie es nur darauf anlegen, den Touristen nach Strich und Faden zu melken, ohne Rücksicht auf die einheimische Bevölkerung und die Natur und Landschaft, werden sie in absehbarer Zeit ganz gewaltig auf die Schnauze fallen!
Wenn der Ruf erst mal ruiniert ist, dann hilft das ganze Jammern und Lästern nichts mehr – der Tourist ist weg und kommt nicht wieder!

Doolin
Doolin
Kinig
3 h 1 Min

…schau dir Gröden zu ferragosto an, dann siehst wo wir hin steuern…

info
info
Kinig
2 h 48 Min

Steuern? Was Steuern?
Ist das nicht ein Schimpfwort in Gröden?
Wie “Schkonto”?

https://www.suedtirolnews.it/wirtschaft/groedner-seilbahner-sconti-ist-kein-gutes-wort

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