Von: apa
Die bayerische Staatsregierung befürchtet für die nächsten Jahre eine “zugespitzte Situation” im alpenüberquerenden Verkehr. Schon jetzt laufe der Verkehr über die Alpen nicht störungsfrei, erklärte Verkehrsminister Christian Bernreiter (CSU) am Dienstag in München. Durch Bau- und Sanierungsarbeiten auf Straße und Schiene kämen zu den von Tirol veranlassten Blockabfertigungen und Fahrverboten weitere massive Probleme hinzu.
Bernreiter appellierte an die nationalen Regierungen in Berlin und Wien, die bayerischen Belange “endlich ernst zu nehmen”. Auch der bayerische Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger (Freie Wähler) äußerte sich besorgt über die Herausforderungen im Verkehr über die Alpen bzw. der Brennerstrecke. Die Baumaßnahmen auf Schiene und Straße seien bislang “völlig unkoordiniert”. Aiwanger kündigte an, deshalb bei der deutschen Bundesregierung vorstellig zu werden, äußerte aber zugleich wenig Hoffnung auf durchgreifenden Erfolg: “Scheinbar ist Berlin zu weit weg von den Alpen”.
Ein Dorn im Auge sind der bayerischen Staatsregierung schon seit Einführung die Lkw-Blockabfertigung an der bayerisch-tirolerischen Grenze bei Kufstein. Die Nationalstaaten müssten das bereits erarbeitete – und von Bayern, Tirol und Südtirol politisch paktierte – detaillierte Konzept für ein digitales Lkw-“Slotsystem” umsetzen, forderte Bernreiter. “Am besten wäre eine Kopplung mit einer Aufweichung des Tiroler Nachtfahrverbots.”
Mit der angekündigten Klage Italiens gegen Österreich wegen der Tiroler Anti-Transitmaßnahmen verbindet man in Bayern offenbar keine großen Erwartungen. Die Klage habe zwar “Erfolgschancen”, aber eine Entscheidung werde lange dauern, so Bernreiter. Das Slotsystem sei hingegen rasch umsetzbar. Die Klage “schadet nicht”, kommentierte Wirtschaftsminister Aiwanger, allerdings werde sie ebenso wenig wie das Slotsystem “allein” die Lösung bringen. Er ziehe direkte Gespräche vor. Es sei freilich “ein Trauerspiel, dass wir dieses Thema nicht gelöst kriegen”.
Italien sieht das auf der Brennerstrecke eingesetzte Lkw-Dosiersystem sowie Wochenend- und Nachtfahrverbote als EU-rechtswidrig an. Mitte Februar kündigte die Regierung in Rom wie erwartet an, vor dem EuGH dagegen klagen zu wollen. Laut EU-Verträgen muss sie aber zuerst die EU-Kommission einschalten, was auch geschah. Sollte diese die Maßnahmen auch für rechtswidrig halten, kann sie ein Vertragsverletzungsverfahren eröffnen. Reagiert die Kommission nicht innerhalb von drei Monaten (also bis Mitte Mai), kann Italien eigenständig den EuGH anrufen. Verkehrsminister Matteo Salvini (Lega) warf der EU-Kommission bisher stets Untätigkeit vor, da sie nicht von sich aus ein EU-Vertragsverletzungsverfahren einleitete.
Bernreiter erwartete indes zusätzliche Verkehrsprobleme wegen der Sanierung zahlreicher Bauwerke auf wichtigen Alpen-Routen. Er nannte die Luegbrücke auf der Tiroler Brennerautobahn (A13) und die “alternden Bauwerke” im Verlauf von Brenner- und Tauernautobahn sowie der Autobahn A8 München-Salzburg in Bayern.
Erneut kritisierte Bernreiter die “einseitigen Verkehrsbeschränkungen in Österreich” wie Blockabfertigung, Nacht- und Wochenendfahrverbote. Hinzu komme eine geplante Maut auf der Fernpassroute und die Prüfung einer “Dosierampel” bei Seefeld, die “einen Verkehrskollaps in Garmisch-Partenkirchen und Mittenwald” auslösen könne.
Über den Brenner-Nordzulauf der Bahn auf bayerischen Gebiet werde der Bundestag voraussichtlich erst nächstes Jahr entscheiden, listete Bayerns Verkehrsminister weiter auf. Zudem plane die Deutsche Bahn für die Jahre ab 2026 die Sanierung der “Hochleistungskorridore” Nürnberg-Regensburg, Obertraubling-Passau sowie München-Rosenheim-Salzburg. Bayerns Verkehrsminister mahnte “frühzeitig ein tragfähiges Konzept für den Schienenersatzverkehr und die Umleitung von Zügen”. “Egal ob auf der Schiene oder der Straße, in den nächsten Jahren steht der Verkehr über die Alpen vor weiteren großen Herausforderungen”, so Bernreiter.