Der Transitverkehr über den Brenner bleibt ein großes Problem

Transitforum ortet nach 30 Jahren in EU Transit-“Fiasko”

Montag, 30. Dezember 2024 | 13:25 Uhr

Von: apa

Das Transitforum Austria-Tirol hat eine eher ernüchternde Bilanz angesichts der 30-jährigen Mitgliedschaft Österreichs in der EU gezogen. Bereits die damaligen Verhandlungen über den Verkehr seien aufgrund der “Aufgabe” des Transitvertrages ein “österreichisches Fiasko” gewesen, sagte Obmann Fritz Gurgiser zur APA. Generell hätten Union und Mitgliedstaaten den “kapitalen Fehler” gemacht, den “hochsubventionierten Straßengüterverkehr” nicht an den Ursachen zu bekämpfen.

“Sondern stets nur an den Symptomen”, so der Transitforum-Chef, der aber nicht den EU-Beitritt an sich als Wurzel allen (Brenner)-Transit-Übels sehen wollte. In Bezug auf die heimischen Politiker meinte er in diesem Zusammenhang gewohnt wortgewaltig: “Es ist wurscht, ob wir in den letzten 30 Jahren drinnen oder draußen gewesen wären: Sie hätten so oder so die Hosen runtergelassen.” Sprich einen laut Gurgiser ständigen Kniefall vor der “Transitlobby” vollzogen. In die Zukunft gerichtet, stehe die Politik somit an einem Scheideweg: Entscheide sie sich endlich dafür, “die alpine wie europäische Transitproblematik auf Grundlage ihrer eigenen Gesetzgebung an den Ursachen bekämpfen und die zuständigen Behörden damit zu beauftragen” oder: “Will sie den bisherigen Weg als Schutzbarone und Schutzbaronessen des hochsubventionierten Straßengüterverkehrs weiter forcieren und die eigenen Gesetze, Richtlinien missachten”. Und zwar “im Widerspruch zu all dem, was in den letzten 30 Jahren zur Reduktion von Transitbelastungen auf Landes-, Bundes- und EU-Ebene beschlossen und medial ebenso wie in Sonntagsreden mit ordentlichem Eigenlob verkündet wurde”, wie Gurgiser anfügte.

Transitvertrag “verschenkt”

Scharf ins Gericht ging Gurgiser auch im Rückblick mit den österreichischen Beitrittsverhandlern, was die Verkehrs- bzw. Transitpolitik angeht. Der Transitvertrag aus 1992, “ohnedies schon fauler Kompromiss mit 500.000 zu viel berechneten Transitfahrten”, habe zumindest eine Reihe verbindlicher Vereinbarungen enthalten – etwa die 60-prozentige Reduktion von Stickstoffdioxid (NO2). Diese seien dann aber durch die “Aufgabe” bzw. das “Verschenken” des Vertrages im Protokoll Nr. 9 des Beitrittsvertrages zu “allgemeinen Zielsetzungen verkommen.” Zudem sei mit der “Aufgabe der Mauthoheit” die wesentliche Gestaltung einer verursachergerechten Maut verschenkt worden.

Dieser “kapitale Fehler” verbunden mit der geografischen Lage der Brennerstrecke bzw. Tirols seien zwei wesentliche Gründe für das nach wie vor stark virulente Transitproblem. Hinzu komme noch ein dritter, betonte der Transitforum-Obmann. Seitens der Politik auf allen Ebenen – vor allem nahm er dabei auch die Bundes- sowie die Tiroler Politik in die Ziehung – seien nämlich die vorhandenen europapolitischen bzw. europarechtlichen Möglichkeiten nicht ausreichend genutzt und ausgeschöpft worden. “Verkehr ist Leben” – dieser falsche Grundsatz grassiere bei den politischen Entscheidungsträgern noch immer allenthalben.

Vieles sei an Schutzmaßnahmen, vor allem in Tirol, auch erreicht worden in den vergangenen Jahrzehnten, unterstrich Gurgiser – aber dies nur aufgrund des ständigen Drucks, den das Transitforum – es wurde im August 1994, also nach der EU-Volksabstimmung, gegründet – ausgeübt habe. Der Obmann erinnerte dabei etwa an Luftverbesserungen sowie die Implementierung von “sehr viel technischem Lärmschutz.”

Forderungen zum Schutz der privaten und betrieblichen Anrainerschaft

Nun gehe es aber darum, endlich umfassend und nachhaltig den “Schutz der privaten und betrieblichen Anrainerschaft vor den vielfältigen Belastungen des Transitverkehrs zu gewährleisten”. So brauche es etwa eine “verursachergerechte Lkw-Maut am Gesamtkorridor Rosenheim-Verona”, einen verursachergerechten CO2-Aufschlag auf Maut mit Zweckwidmung für Klimaschutzmaßnahmen, das Vorziehen der neuen IG-L (Immissionsschutzgesetz Luft)-Grenzwerte für NO2 und Feinstäube, das Herstellen eines “fairen Wettbewerbs Straße-Schiene”, einen Europäischen Mindestlohn für internationale Berufskraftfahrer im Transit mit mindestens 5.000 Euro brutto monatlich sowie die Bekämpfung des Umwegverkehrs im Alpenraum. Und vor allem: Eine “steuer- und abgabenrechtliche Harmonisierung auf hohem Niveau” in Europa – allein damit könne der Schwerverkehr um 50 Prozent reduziert werden, war Gurgiser überzeugt.

“Bin Tiroler, dann Österreicher, dann Europäer”

Gurgiser hatte vor der EU-Volksabstimmung 1994 – damals gab es das Transitforum nur als lose Plattform – nicht zuletzt aus erwähnten verkehrspolitischen Gründen für ein “Nein” geworben. Das Ergebnis habe er dann aber “akzeptiert”, so der 72-Jährige heute. Dann habe er sich sogleich ein “Europarechtsbuch gekauft” und mit seinem bürgerrechtlichen Engagement so richtig losgelegt. Er fühle sich jedenfalls als “Tiroler, Österreicher und Europäer – in dieser Reihenfolge.”

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