Trump verurteilt

Trump als erster Ex-US-Präsident strafrechtlich verurteilt

Freitag, 31. Mai 2024 | 13:37 Uhr

Von: APA/dpa/Reuters/AFP/ANSA

Im Prozess um die Verschleierung von Schweigegeld-Zahlungen an eine Pornodarstellerin haben die Geschworenen den ehemaligen US-Präsidenten Donald Trump in allen 34 Anklagepunkten schuldig gesprochen. Das teilte die Jury am Donnerstag in New York mit. Es ist das erste Mal in der amerikanischen Geschichte, dass ein Ex-Präsident wegen einer Straftat verurteilt wird. Das Strafmaß wird am 11. Juli verkündet werden.

Trump droht eine – wenngleich unwahrscheinliche – mehrjährige Freiheitsstrafe, die auch zur Bewährung ausgesetzt werden könnte, oder eine Geldstrafe. Der Republikaner kann Berufung einlegen – und selbst bei einer rechtskräftigen Verurteilung bei der Präsidentenwahl im November antreten. Trump bezeichnete seine Verurteilung in einer ersten Reaktion als “Schande”, den Prozess als “Farce” und den Richter als “korrupt”. Er werde weiter kämpfen, das “wirkliche Urteil” werde bei der US-Präsidentenwahl im November fallen. Sein Anwalt kündigte an, “so schnell wie möglich”, also nach Verkündung des Strafmaßes, Berufung einzulegen.

In dem Prozess war Trump vorgeworfen worden, er habe seine Aussichten auf einen Erfolg bei der Präsidentenwahl 2016 durch die Zahlung von 130.000 Dollar Schweigegeld an die Pornodarstellerin Stormy Daniels verbessern wollen und den Geldfluss anschließend unrechtmäßig verbucht. Daniels hatte in dem Verfahren ausgesagt, sie habe im Jahr 2006 in Trumps Hotel-Suite am Lake Tahoe Sex mit ihm gehabt. Der heute 77-Jährige bestreitet das.

Daniels (bürgerlicher Name: Stephanie Clifford) reagierte nach Angaben ihres Anwalts sehr emotional auf den Schuldspruch für Trump. Seine Mandantin sei erleichtert, dass der Fall nun vorbei sei, sagte Jurist Clark Brewster am Donnerstagabend (Ortszeit) US-Medien. Für die 45-Jährige sei das Urteil auch deshalb “wirklich emotional” gewesen. Brewster selbst sagte zu dem Schuldspruch: “Kein Mensch steht über dem Gesetz, und der selbstlose, fleißige Einsatz jedes einzelnen Geschworenen sollte respektiert und gewürdigt werden.”

Obwohl die – von keiner Seite bestrittene – Schweigegeldzahlung an Daniels selbst nicht illegal war, soll Trump bei der Erstattung des Betrags an seinen damaligen Anwalt Michael Cohen Unterlagen manipuliert haben, um den wahren Grund der Transaktion zu verschleiern. Dadurch habe er sich der illegalen Wahlkampf-Finanzierung in 34 Fällen schuldig gemacht. Trumps Anwälte hatten argumentiert, es habe sich um gewöhnliche Anwaltshonorare gehandelt.

Der Kreml hat den historischen New Yorker Schuldspruch gegen Trump als Beleg für eine Verfolgung politischer Gegner durch das Weiße Haus bewertet. “Die Tatsache, dass dort eine De-facto-Eliminierung politischer Rivalen mit allen verfügbaren legalen und illegalen Mitteln stattfindet, ist offensichtlich”, sagte Kreml-Sprecher Dmitri Peskow am Freitag in Moskau vor Journalisten.

Der russische Staatschef Wladimir Putin hatte im Februar gesagt, dass er im US-Präsidentschaftsrennen Amtsinhaber Joe Biden gegenüber Trump bevorzuge. Er begründete dies damit, dass Biden “erfahrener” und “vorhersehbar” sei: “Er ist ein Politiker der alten Schule.” US-Beobachter halten diese Äußerungen jedoch für unglaubwürdig. Biden hat den russischen Präsidenten immer wieder hart kritisiert, während Trump in seiner Amtszeit als Präsident ein gutes Verhältnis zu Putin pflegte und diesem immer wieder Bewunderung gezollt hat.

Der republikanische Vorsitzende des US-Repräsentantenhauses, Mike Johnson, nannte das Urteil “falsch” und “gefährlich” “Heute ist ein beschämender Tag in der amerikanischen Geschichte”, schrieb er auf der Plattform X. Es habe sich um eine “politische Übung” gehandelt, keine juristische. Die Entscheidung sei ein weiterer Beweis dafür, dass die Demokraten vor nichts zurückschreckten, um abweichende Meinungen zum Schweigen zu bringen und ihre politischen Gegner zu vernichten, so Johnson weiter. Trump werde gegen das “absurde” Urteil klagen und siegen.

Ungarns Regierungschef Viktor Orbán, ein langjähriger politischer Verbündeter Trumps, sprach dem verurteilten Ex-Präsidenten Mut zu. “Ich habe den Herrn Präsidenten als Ehrenmann kennengelernt. Als Präsident hat er stets Amerika an die erste Stelle gesetzt, er hat sich in der ganzen Welt Respekt verschafft und diesen Respekt genutzt, um Frieden zu schaffen. Letztlich sollen die Menschen im November (bei den Wahlen – Anm.) das Urteil fällen! Setzen Sie Ihren Kampf fort, Herr Präsident!”, schrieb Orbán am Freitag auf der Plattform X.

Italiens Vize-Ministerpräsident Matteo Salvini stellte sich in einer ersten Reaktion auf X öffentlich auf die Seite Trumps: “Solidarität und volle Unterstützung für @realDonaldTrump, Opfer von juristischer Verfolgung und eines politischen Prozesses”, so der Chef der rechtspopulistischen Lega. “In Italien kennen wir traurigerweise den Einsatz der Justiz als Waffe durch die Linke, die seit Jahren versucht, politische Gegner mit rechtlichen Mitteln zu erledigen.”

Der Schlüsselzeuge der Anklage, Trumps Ex-Anwalt Cohen, begrüßte das Urteil gegen seinen früheren Chef. Der Jurist sprach im Onlinedienst X am Donnerstag von einem “wichtigen Tag” für die Rechtsstaatlichkeit. Es sei eine schwierige Reise für ihn uns seine Familie gewesen, aber “die Wahrheit ist immer wichtig”. Cohen hatte in dem Prozess ausgesagt, Schweigegeld mit dem Einverständnis Trumps gezahlt zu haben. Dieses bekam er laut Anklage vom Trump-Konzern getarnt als Anwaltskosten zurück.

Das Wahlkampfteam von US-Präsident Biden bezeichnete Trump als “verurteilten Straftäter”. “Wir haben heute in New York gesehen, dass niemand über dem Gesetz steht. Donald Trump hat immer fälschlicherweise geglaubt, dass er nie mit Konsequenzen rechnen muss, wenn er das Gesetz zu seinem persönlichen Vorteil bricht”, heißt es in einer Mitteilung. “Es gibt nach wie vor nur eine Möglichkeit, Donald Trump vom Oval Office fernzuhalten: an der Wahlurne. Ob verurteilter Verbrecher oder nicht, Trump wird der republikanische Präsidentschaftskandidat sein.”

Anhänger von Trump riefen nach dem Schuldspruch gegen ihn zu Krawallen und Vergeltung auf. In sozialen Netzwerken wurden vielfach Gewalttaten und Proteste gefordert. Das ergab eine von Reuters vorgenommene Sichtung der Stellungnahmen auf den drei Trump-nahen Websites: Trumps eigene Plattform Truth Social, Patriots.Win und Gateway Pundit. “Jemand in New York, der nichts zu verlieren hat, muss sich um Merchan kümmern”, schrieb ein User auf Patriots.Win mit Blick auf den Richter Juan Merchan. “Hoffentlich wird er von Illegalen mit einer Machete getroffen”, hieß es in Anspielung auf illegal eingereiste Einwanderer. Auf Gateway Pundit hieß es in einem Post: “Es ist Zeit, ein paar Linke zu erschießen. Das lässt sich nicht durch Wahlen regeln.”

Viele Trump-Anhänger werteten den Schuldspruch als Beleg dafür, dass das politische System nicht funktioniere. “1.000.000 (bewaffnete) Männer müssen nach Washington gehen und alle aufhängen. Das ist die einzige Lösung”, schrieb einer auf Patriots.win. Ein anderer fügte hinzu: “Trump sollte bereits wissen, dass er eine Armee hat, die bereit ist, für ihn zu kämpfen und zu sterben.” In mehreren Posts wurde dazu aufgerufen, Demokraten ins Visier zu nehmen, und in einigen Fällen wurde vorgeschlagen, sie zu erschießen. Alle drei Websites haben Richtlinien gegen gewalttätige Äußerungen, und einige der Beiträge wurden später entfernt. Ein Sprecher von Truth Social bezeichnete den Bericht von Reuters über die Gewaltaufrufe gleichzeitig als “manipulativ, falsch, verleumderisch und offensichtlich dumm”.

Das Urteil dürfte sich auch auf den gegenwärtigen Wahlkampf in den Vereinigten Staaten auswirken – die Frage dabei ist aber: wie stark und zu wessen Vorteil? Trump versucht den Fall in einen persönlichen Vorteil umzumünzen und seine Anhängerschaft zu mobilisieren, indem er sich als Opfer einer politisch motivierten Justiz inszeniert. Die erste strafrechtliche Verurteilung eines ehemaligen US-Präsidenten dürften viele Wähler jedoch als Schande verstehen.

Amtsinhaber Biden wiederum, der im November wiedergewählt werden möchte, scheint von der Prozessserie gegen seinen Herausforderer bisher nicht erkennbar zu profitieren. Neueste Umfragen deuten eher darauf hin, dass das Urteil für viele Amerikaner wenig an ihrer Wahlentscheidung für den 5. November ändern dürfte. Einfluss könnte aber das Strafmaß haben – vor allem für den eher unwahrscheinlichen Fall einer Haftstrafe.