Trump will das Kriegsgebiet wirtschaftlich entwickeln

Weltweite Kritik an Trumps Gaza-Ankündigung

Mittwoch, 05. Februar 2025 | 15:27 Uhr

Von: APA/Reuters/AFP/dpa

US-Präsident Donald Trump ist mit seiner Ankündigung, den Gazastreifen übernehmen und Millionen Palästinenser umsiedeln zu wollen, auf scharfe internationale Kritik gestoßen. Aus Deutschland, Frankreich, Spanien, von den Nahost-Ländern sowie China und Russland kam eine klare Ablehnung der Idee. Sowohl die radikal-islamische Hamas als auch die Palästinensische Autonomiebehörde lehnten den Vorschlag ab. Eine Vertreibung wäre völkerrechtswidrig, hieß es aus dem Außenministerium.

Abbas weist Pläne zur Umsiedlung der Palästinenser zurück

Palästinenserpräsident Mahmud Abbas sagte, man werde nach Jahrzehnten des Kampfes und der Opfer die Rechte des palästinensischen Volkes nicht aufgeben. Der Gazastreifen sei “ein integraler Teil des Landes des Staates Palästina, einschließlich des Westjordanlands und Ost-Jerusalems, die seit 1967 besetzt sind”, sagte Abbas nach Angaben seines Büros.

“Die palästinensische Führung bekräftigt ihre feste Position, dass die Zweistaatenlösung die Garantie für Sicherheit, Stabilität und Frieden ist”, schrieb Hussein al-Sheikh, Generalsekretär des Exekutivkomitees der Palästinensischen Befreiungsorganisation (PLO), auf der Plattform X. Diese sieht zwei unabhängige Staaten nebeneinander vor: Israel und einen palästinensischen Staat.

Hamas: “Öl ins Feuer”

Die Hamas warnte vor einer erneuten Verschärfung der Gewalt im Nahen Osten. Trumps Plan ziele darauf ab, “dass die Vereinigten Staaten den Gazastreifen besetzen”, und sei “aggressiv gegenüber unserem Volk und unserer Sache”, erklärte die Terrororganisation am Mittwoch. Er werde nicht zur Stabilität in der Region beitragen, sondern “nur Öl ins Feuer gießen”. Das palästinensische Volk werde es keinem Staat der Welt gestatten, “unser Land zu besetzen” oder ihm eine Vormundschaft aufzuerlegen, warnte die Hamas.

Außenministerium: “Vertreibung Verstoß gegen Völkerrecht”

“Die Lösung des Nahostkonfliktes muss völkerrechtskonform sein. Eine erzwungene Umsiedlung der Palästinenserinnen und Palästinensern käme einer Vertreibung und somit einem Verstoß gegen das Völkerrecht gleich”, teilte das Außenministerium in Wien mit. Die langjährige österreichische Haltung zum Nahostkonflikt bleibe unverändert.

“Eine Vertreibung der palästinensischen Zivilbevölkerung aus Gaza wäre nicht nur inakzeptabel und völkerrechtswidrig”, teilte die deutsche Außenministerin Annalena Baerbock mit, ohne Trump namentlich zu erwähnen. “Dies würde auch zu neuem Leid und neuem Hass führen”, warnte sie. “Ich möchte dies ganz deutlich machen: Gaza gehört den Gaza-Palästinensern und sie müssen in Gaza bleiben”, sagte auch der spanische Außenminister Jose Manuel Albares.

Die Palästinenser im Gazastreifen müssen nach Darstellung des britischen Premierministers Keir Starmer nach Hause zurückkehren und ihre Häuser wieder aufbauen dürfen. Großbritannien sollte sie auf dem Weg zu einer Zwei-Staaten-Lösung beim Wiederaufbau unterstützen, sagte Starmer vor dem Parlament in London.

Jordaniens König lehnt Vertreibung von Palästinensern ab

Jordaniens König Abdullah lehnt Versuche ab, Land zu annektieren und die Palästinenser zu vertreiben. Es müsse vielmehr der Ausbau von Siedlungen gestoppt werden, sagte er. Jordanien gehört wie Ägypten zu den Staaten in der Region, die eine dauerhafte Aufnahme von Palästinensern bereits vor Trumps Gaza-Plänen abgelehnt haben.

Ägypten rief nach Trumps Ankündigung zu einem schnellen Wiederaufbau des Palästinensergebiets auf. Bei einem Treffen mit dem palästinensischen Regierungschef Mohammed Mustafa betonte Ägyptens Außenminister Badr Abdelatty am Mittwoch die Notwendigkeit, mit den Plänen “in einem beschleunigten Tempo” voranzukommen. Dies müsse geschehen, “ohne dass die Palästinenser den Gazastreifen verlassen”.

Das UN-Menschenrechtsbüro in Genf wies den Vorschlag von Trump zurück. “Jede Zwangsumsiedlung oder Deportation von Menschen aus besetzten Gebieten ist streng verboten”, heißt es in einer Erklärung eines Sprechers an die Nachrichtenagentur Reuters. Das Recht auf Selbstbestimmung sei ein grundlegendes Prinzip des Völkerrechts und müsse von allen Staaten geschützt werden. Dies habe der Internationale Gerichtshof (IGH) jüngst erneut unterstrichen.

“Riviera des Nahen Ostens”

Trump hatte in einer Pressekonferenz mit dem israelischen Ministerpräsidenten Benjamin Netanyahu in Washington gesagt, dass Nachbarländer die mehr als zwei Millionen im Gazastreifen lebenden Palästinenser aufnehmen sollten. Der Küstenstreifen habe das Potenzial, die “Riviera des Nahen Ostens” zu werden. Die USA könnten den Gazastreifen übernehmen. Einen Einsatz des US-Militärs schloss Trump nicht aus.

Der frühere israelische Minister für nationale Sicherheit, Itamar Ben Gvir, forderte Ministerpräsident Netanyahu auf, die von Trump vorgeschlagene Räumung des Gazastreifens umzusetzen. Das sei die einzige Lösung, schrieb der ultrarechte Politiker auf dem Kurznachrichtendienst X. Ben Gvirs Partei Jüdische Kraft setzt sich für jüdische Siedlungen im Gazastreifen ein. Netanyahu war in der Pressekonferenz nicht im Detail auf den Vorschlag eingegangen. Er lobte Trump aber dafür, “frische Ideen” aufzubringen und eine Bereitschaft zu zeigen, mit konventionellen Denkmustern zu brechen. Die Palästinenser warfen der israelischen Armee in den vergangenen Monaten vor, sie betreibe eine systematische Zerstörung der Gebäude im Gazastreifen, um eine Rückkehr der Menschen unmöglich zu machen.

Die Vorschläge von Trump zum Gazastreifen sind nach Angaben aus israelischen Regierungskreisen “genial”. Der Besuch von Netanyahu in Washington sei sehr erfolgreich gewesen und habe jegliche Erwartungen und Träume übertroffen, sagt der Insider. Die Beziehung der beiden Politiker sei nie besser und enger gewesen. Trump habe geniale Lösungen für Probleme gefunden, die Israel seit seiner Gründung verfolgten.

US-Senator: “Er hat völlig den Verstand verloren”

In den USA selbst zeigte sich der einflussreiche republikanische Senator Lindsey Graham aus South Carolina zurückhaltend zum Vorschlag seines Parteikollegen. “Wir werden sehen, was unsere arabischen Freunde dazu sagen”, sagte er dem Sender CNN. Die meisten Bürger seines Bundesstaates wären wahrscheinlich “nicht begeistert, Amerikaner zur Übernahme des Gazastreifens zu entsenden”. Er bleibe jedoch zunächst offen für alles. Der demokratische Senator Chris Murphy erklärte auf X zu Trump: “Er hat völlig den Verstand verloren.”

In Deutschland zeigten sich SPD-Außenpolitiker empört. “Dagegen muss die EU Sturm laufen, weil es den Diktaturen dieser Welt Tür und Tor öffnet, ihre imperialistischen Forderungen mit Gewalt durchzusetzen”, sagte der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses im Bundestag, Michael Roth, der Nachrichtenagentur Reuters. Der außenpolitische Sprecher der SPD, Nils Schmid, forderte das Außenministerium auf, sofort mit Frankreich, Jordanien und Ägypten im Rahmen des sogenannten Kleeblatt-Formats zu verhandeln. “Trump ist hier als Immobilienkaufmann unterwegs und nicht als ehrlicher Makler für einen gerechten Interessenausgleich zwischen Israelis und Palästinensern”, sagte er Reuters.

Trendwende der US-Außenpolitik?

Trumps Vorstoß wäre eine radikale Abkehr von den Grundprinzipien der US-Nahostpolitik der vergangenen Jahrzehnte. Insbesondere haben frühere US-Regierungen es vermieden, US-Truppen in den Gazastreifen zu schicken. Unklar blieb zunächst, welche Folgen Trumps Ankündigung für die laufenden Friedensgespräche zwischen Israel und der Hamas haben wird. Der Gazastreifen – ein Landstreifen am Mittelmeer mit einer Länge von etwa 45 Kilometern und nicht mehr als zehn Kilometern Breite – ist durch die 16 Monate des Gaza-Kriegs umfangreich zerstört worden. Die Vereinten Nationen schätzten im Jänner, dass 50 Millionen Tonnen Schutt beseitigt werden müssen, was 21 Jahre dauern und bis zu 1,2 Milliarden Dollar kosten könnte.

Die Hamas hatte den Gaza-Krieg mit einem Überraschungsangriff auf Israel am 7. Oktober 2023 begonnen. Dabei wurden nach israelischen Angaben 1200 Israelis getötet und 250 als Geiseln verschleppt. Nach palästinensischen Angaben starben bei dem folgenden israelischen Vorstoß in den Gazastreifen dort mehr als 47.000 Palästinenser. Vor dem Krieg lebten in dem Palästinenser-Gebiet 2,2 Millionen Menschen.

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