Von: APA/AFP
Bei einer von bedrohlichen Szenen geprägten Geiselübergabe im Gazastreifen sind am Donnerstag acht weitere Israelis freigekommen. Der 80-jährige Gadi Moses und die 29-jährige Arbel Yehud, die beide auch einen deutschen Pass haben, wurden bei ihrer Übergabe in Khan Younis von einer Menschenmenge bedrängt. Israel setzte daraufhin kurzzeitig die geplante Freilassung palästinensischer Gefangener aus, später verließen aber zwei Busse mit Häftlingen das israelische Ofer-Gefängnis.
Insgesamt wurden am Donnerstag drei Israelis und fünf Thailänder nach mehr als 15-monatiger Gefangenschaft bei zwei Übergabe-Aktionen in Jabalija im Norden und in Chan Junis im Süden des Palästinensergebiets an das Internationale Rote Kreuz übergeben und anschließend von israelischen Spezialeinheiten nach Israel gebracht.
Sackerl mit “Souvenirs” übergeben
Die Soldatin Berger war in der Früh von vermummten Hamas-Kämpfern in Jabalija durch die Menge auf eine Bühne geführt und aufgefordert worden, den schreienden Menschen zuzuwinken, was sie zögernd tat, während sie von einem Hamas-Kämpfer gefilmt wurde. Ihre Geiselnehmer übergaben der 20-jährigen ein Sackerl mit “Souvenirs” an ihre monatelange Geiselhaft und eine goldgerahmte Freilassungs-“Urkunde”.
Nach ihrer Freilassung wurde Berger nach Israel gebracht, wo sie von ihren Eltern empfangen wurde. Die 20-Jährige war am 7. Oktober 2023 von islamistischen Kämpfern entführt worden, als sie ihren Wehrdienst auf einem Posten nahe dem Gazastreifen leistete.
Die Übergabe der deutsch-israelischen Geiseln Moses und Yehud am Mittag verzögerte sich um eineinhalb Stunden und verlief chaotisch. Sie fand in Khan Younis vor den Überresten des Hauses statt, in dem der im Oktober vergangenen Jahres von israelischen Soldaten getötete Hamas-Militärchef Jahja Sinwar aufgewachsen war.
Vermummte schoben Geiseln durch schreiende Menschenmenge
Von Kopf bis Fuß schwarz gekleidete und vermummte Kämpfer der militanten Palästinenserorganisation Islamischer Jihad schoben die Geiseln durch eine schreiende und bedrohlich drängelnde Menschenmenge zu den Rot-Kreuz-Fahrzeugen. Der 80-jährige Moses wurde hin und her geschubst, Yehud wirkte stark verängstigt.
Die 29-jährige Yehud war gemeinsam mit der Familie ihres Verlobten beim Hamas-Überfall auf den Kibbuz Nir Oz verschleppt worden. Auch der frühere Landwirt Moses, einer der Gründer von Nir Oz, wurde damals als Geisel genommen. Seine Lebensgefährtin wurde ebenfalls verschleppt und später im Gazastreifen getötet.
Netanyahu sprach von “schockierenden Szenen”
Israels Regierungschef Benjamin Netanyahu sprach mit Blick auf die Geisel-Übergabe von “schockierenden Szenen”, die ein “weiterer Beweis für die unvorstellbare Grausamkeit” der Islamisten seien. Der deutsche Botschafter in Israel, Steffen Seibert, verurteilte die “abstoßenden” Szenen.
Kurz darauf ordnete die israelische Regierung nach Angaben des Büros von Regierungschef Netanyahu zunächst an, die geplante Freilassung von 110 palästinensischen Gefangenen bis auf Weiteres auszusetzen. Wenig später erklärte Netanyahus Büro jedoch, die zwischen Israel und der Hamas tätigen Vermittler hätten zugesichert, dass künftige Freilassungen “in Sicherheit” erfolgen würden.
Busse verlassen Ofer-Gefängnis
Daraufhin verließen zwei Busse mit Häftlingen das israelische Ofer-Gefängnis im Westjordanland. Ein Teil der freigelassenen Häftlinge traf am Abend in Ramallah ein, wo sich hunderte Palästinenser versammelt hatten und die Freigelassenen jubelnd begrüßten. Die israelische Gefängnisverwaltung erklärte, dass sie “110 Terroristen” im Rahmen des Abkommens mit der Hamas freigelassen habe. Die Häftlingsinteressenvertretung Palestinian Prisoners’ Club hatte von 30 Minderjährigen gesprochen, die sich unter den Freizulassenden befänden.
Einer der ranghöchsten freigelassenen Palästinenser war Zakaria Zubeidi, der mehrfach inhaftierte frühere Anführer der Al-Aqsa-Märtyrer-Brigaden, des bewaffneten Flügels der säkularen Fatah-Partei von Palästinenserpräsident Mahmoud Abbas. Der 49-Jährige stieg als erster aus einem der Busse aus, machte ein Siegeszeichen und wurde von der Menge unter Jubel auf die Schultern genommen.
Weitere Geiseln sollen nicht gefährdet werden
Die Angehörigen der freigelassenen Deutsch-Israelin Arbel Yehud forderten nach deren Rückkehr nach Israel, die Freilassung der weiteren noch im Gazastreifen festgehaltenen Geiseln nicht zu gefährden. “Wir fordern alle auf, diese offene Tür nicht zufallen zu lassen”, hieß es in einer Erklärung der Familie. Unter den verbliebenen Geiseln befinden sich Yehuds Lebensgefährte und dessen Bruder.
Für Samstag war eine weitere Geiselfreilassung geplant. Dann sollen laut israelischen Regierungsangaben drei Männer freikommen. Sieben weibliche Geiseln waren an den vergangenen beiden Wochenenden freigelassen worden und nach Israel zurückgekehrt. Auf der Liste der verbleibenden Geiseln, die ebenfalls noch freigelassen werden sollen, ist auch der österreichisch-israelische Doppelstaatsbürger Tal Shoham.
Das Waffenruhe-Abkommen zwischen Israel und der Hamas sieht in einer ersten sechswöchigen Phase die Freilassung von insgesamt 33 Geiseln vor. Acht von ihnen sind nach israelischen Angaben tot, es geht in ihrem Fall um die Überführung der sterblichen Überreste. Im Gegenzug sollen insgesamt rund 1.900 Palästinenser aus israelischer Haft freikommen.
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