Von: Ivd
Kiew – Am 8. Juli schlug eine Rakete in ein Kiewer Kinderkrankenhaus, in dem sich zu dem Zeitpunkt mehr 600 Kinder, darunter vor allem krebskranke, aufhielten. Diese grausamen Nachrichten ließen auch einen russischen Piloten nicht kalt: Er soll nach Angaben des Kyiv Independent die Namen von 30 seiner Vorgesetzten an den ukrainischen Geheimdienst weitergegeben haben.
Der russische Pilot der 22. Division für schwere Bomber konnte offenbar nicht länger die Augen vor den schrecklichen Konsequenzen des Krieges und den unmoralischen Aggressionen Russlands verschließen. Laut eines Berichts des Kyiv Independent, der sich auf anonyme Quellen aus dem ukrainischen Geheimdienst HUR beruft, hat der Überläufer umfangreiche Informationen über seine Kommandeure an die Ukraine weitergegeben. „Er war schockiert über den Angriff auf das Kinderkrankenhaus und entschied sich, der ukrainischen Seite Dokumente und Fotos des Kommandostabs zu übergeben“, zitiert die Zeitung die Quelle.
Nur wenige Stunden nach dem verheerenden Angriff auf das Kinderkrankenhaus, bei dem beinah 40 Zivilisten getötet und mehr als Hundert verletzt wurden, soll sich der Pilot über den staatlichen Chatbot Diia auf Telegram beim ukrainischen Militärgeheimdienst gemeldet haben. Ob diese Informationen unabhängig verifiziert werden konnten, bleibt allerdings unklar.
Russische Gegendarstellung und Medienmanipulation
Russland macht seinerseits den Westen, allem voran die Ukraine, für den Angriff verantwortlich. Das Narrativ: Eine ukrainische Flugabwehrrakete soll vom Kurs abgekommen sein und das Krankenhaus versehentlich getroffen haben. Als Beleg werden zahlreiche zeitlich oder technisch manipulierte Bilder und Videos von Kreml-Anhängern verbreitet. Für Fabian Hoffmann, Raketenexperten der Universität Oslo, spricht jedoch vieles für einen russischen Angriff. Ein 20 Kilogramm Flugabwehrrakete verfügt nicht über die Sprengkraft, einen solchen Schaden anzurichten. Der russische KH-101-Sprengkopf eines 400 Kilogramm schweren Marschflugkörpers jedoch schon. Bei dem Angriff wurden weite Teile der Betonstrukturen des Krankenhauses vollständig zerstört.
Weiterer Überläufer in Spanien erschossen
Wie es einem russischen Überläufer ergehen kann, zeigt der Fall von Maxim Kusminow: Der 28-jähriger Hubschrauberpilot war im vergangenen Jahr samt eines Transporthelikopters übergelaufen. Im Gegenzug erhielt der junge Russe eine halbe Million US-Dollar und Schutz für sich und seine Familie. Wenige Monate später wurde der 28-Jährige in Spanien von Unbekannten hingerichtet. Der damals der Chef des russischen Auslandsgeheimdienstes SWR, Sergej Naryschkin, beschimpfte Kusminow anschließend als Verräter und moralische Leiche für seinen Seitenwechsel.
Dass ein Pilot, der eigentlich für Zerstörung sorgt, plötzlich zum Überläufer wird, zeigt, wie tief die moralischen Konflikte in diesem Krieg reichen. Immer mehr russische Militärangehörige scheinen sich gegen die Handlungen ihrer Regierung zu stellen und kooperieren mit der Ukraine. Ob dies der Beginn eines größeren Trends ist, bleibt abzuwarten.