Von: mk
Bozen – Rentsch und St. Magdalena in Bozen sind für ihr Südtiroler bäuerliches Flair mit Weingütern und schönen Bauernhöfen bekannt. Doch die Idylle ist getrübt: Das Stadtviertel mit dörflichem Charakter in direkter Nähe zum Zentrum hat ein immenses Verkehrsaufkommen. Mobilitätsstadtrat Stefano Fattor will nun Fahrverbote einführen, aber sein Vorschlag stößt nicht bei allen Anrainern auf Zustimmung. Eva Falser, die selbst in Rentsch aufgewachsen ist und als Mutter zweier Kinder dort lebt, war in der Vergangenheit Teil der Initiativgruppe „Sicheres Rentsch“, die mittlerweile nicht mehr existiert. Im Gespräch mit Südtirol News erklärt sie die Situation.
Südtirol News: Obwohl die Innsbrucker Straße quasi als Umfahrungsstraße parallel zu Rentsch verläuft, ist das Verkehrsaufkommen in Rentsch hoch. Woran liegt das?
Eva Falser: Pendler aus umliegenden Dörfern nutzen die Rentscher Straße als Abkürzung Richtung Stadtzentrum. Aber vor allem tragen überdimensional viele Überlandbusse zu diesem hohen Verkehrsaufkommen bei. Das starke Verkehrsaufkommen bedeutet Lärmbelästigung und Unruhe für die Anrainer. Doch es entstehen dadurch auch Gefahren nicht zuletzt aufgrund struktureller Gegebenheiten. Vor allem für Kinder ist es ungemein gefährlich, zu Fuß oder mit dem Fahrrad unterwegs zu sein.
Wie wirkt sich das konkret aus?
Wegen der engen Straßenverhältnisse auf der Rentscher Straße ragen Überlandbusse teilweise über den Gehsteig und stellen somit eine Gefahr für die Fußgänger dar. Radfahrerinnen und Radfahrer werden fast an die Wand „qequetscht“.
Wie wollte man in der Vergangenheit dem Problem begegnen?
Aufgrund der engen Verhältnisse entstand die die Idee eines „schwebender Gehsteiges“ durch Raumerweiterung. Dies kann allerdings nicht umgesetzt werden, da die Mauer entlang der Rentscher Straße von russischen Kriegsgefangenen erbaut worden ist und unter Denkmalschutz steht. Für Radfahrerinnen und Radfahrer von Rentsch in Richtung Stadtzentrum ist auf der rechten Straßenseite kein zusätzlicher Platz zwischen dem weißem Streifen und der Wand. Autos, aber vor allem Busse drücken Fahrräder förmlich dagegen. Der Gehsteig auf der gegenüberliegenden Seite wurde als Rad- und Fußweg ausgewiesen – aber nur aufwärts nach Rentsch. Auch wenn wir dies grundsätzlich sehr begrüßen, sind sich auf dem engen Gehsteig Fahrradfahrer, Fußgänger und Kinderwagen usw. gegenseitig im Weg und erhöhen das Risiko. Es war dringend notwendig, den Begleitdienst „Pedibus“ für die Kinder einzurichten, die entlang der Rentscher Straße zur Schule gehen, da es sonst zu gefährlich für sie wäre.
Halten sich die Pkw-Fahrer im Stadtviertel an das Tempolimit?
Leider ist dies nicht immer der Fall. Die Geschwindigkeitsbegrenzung wird ständig überschritten, auch Zebrastreifen werden nicht immer beachtet – trotz ausreichender Hinweise. In der Vergangenheit sind mehrere Maßnahmen angedacht worden. „Liegende Polizisten“ konnten aufgrund der strukturellen Gegebenheiten nicht angebracht werden, das Aufstellen von Speedboxen hat nur sehr mäßigen Erfolg erbracht. Die Bedarfsampel vor der Schulzone war dringend nötig und wurde auch umgesetzt. Das bringt zwar mehr Sicherheit aber keine Reduzierung des Verkehrsaufkommens.
Wie schaut es mit der Anbindung an den Radweg aus?
Seit Jahren wird erfolglos über eine Anbindung zum Fahrradweg Bozen-Kardaun auf der Höhe Rivelaunbrücke bzw. ab der Rivelaunbrücke diskutiert, um den Radfahrerinnen und -fahrern mehr Sicherheit zu gewährleisten. Hier hat die Wildbachverbauung allerdings ein Veto eingelegt.
Sie kritisieren auch die Parkplätze auf dem Kirchplatz?
Diese waren eine Übergangslösung während der Bauphase der neuen Parkgarage in Rentsch. Nach Inbetriebnahme der kapazitätsreichen und teilweise unausgelasteten Parkgarage hätte der Kirchplatz wieder autofrei sein müssen. Aber auch nach Jahren und zahlreichen Diskussionen mit den zuständigen Verantwortlichen wird weiterhin auf dem Kirchplatz geparkt. Eine Erleichterung gegen das „wilde“ Parken haben die kürzlich angebrachten Stangen entlang des Gehsteiges und rund um den Zigglbrunnen, unser Wahrzeichen, gebracht. Die europaweite Tendenz geht in Richtung autofreier Innenstädte und Zentren. Wir in Rentsch haben 50 Meter neben dem Kirchplatz eine neue Parkgarage und trotz dieser ist der Kirchplatz – der Teil des Schulweges für viele Kinder ist – immer noch als Parkplatz ausgewiesen. Das Durchgehen bzw. Verweilen am Kirchplatz ist unglaublich gefährlich, da ständig Fahrzeuge in Bewegung sind. Auch der angrenzende Gehsteig ist sehr gefährlich, da auch hier Überlandbusse viel zu nahe vorbeifahren. Außerdem ist ein mit Autos zugeparkter Kirchplatz für ein ästhetisches Dorfbild nicht angemessen.
Was stört Sie sonst noch?
In puncto Skurrilität können wir in Rentsch noch etwas hinzufügen: Der wahrscheinlich kleinste Kinderspielplatz von Bozen und der einzige in Rentsch befindet sich im Hof des Raiffeisenhauses, das aktuell von der Vereinigung „Hands“ geführt wird und alkoholkranke Menschen beherbergt, die dort ihren Entzug machen. Hier bräuchte es dringend einen Alternativplatz. Mit „Hands“ sind wir uns darin vollkommen einig, zumal der Verein den Hof selbst für therapeutische Zwecke nutzen möchte und dies aufgrund des Spielplatzes derzeit nicht möglich ist.
Was halten Sie vom Vorschlag von Mobilitätsstadtrat Stefano Fattor, der zumindest an bestimmten Tagen ein Durchfahrtsverbot von 10.00 Uhr bis 18.00 Uhr einführen will? Anrainer wären ausgenommen.
Diese Maßnahme stellt für die Kinder und die Gefahren, denen sie ausgesetzt sind, keinerlei Erleichterung dar: Um 10.00 Uhr sind die Kinder bereits in der Schule oder im Kindergarten. Zwar würde es weniger Lärmbelästigung und Verschmutzung geben, aber die Anrainer vor sehr große Herausforderungen und existentielle Probleme stellen. Für die Nahversorgung von Rentsch wäre dies katastrophal: Das Lebensmittelgeschäft sowie weitere Geschäfte und Betriebe, Bistros, Hotels Restaurants oder etwa Anbieter von Ferienwohnungen könnten sicherlich nicht mehr ausreichend wirtschaften. Auch für die vielen Weinbauern, die auf ihrem Hof den Verkauf von Wein und Hofprodukten anbieten, wäre dies untragbar.
Welche Lösungen machen ihrer Ansicht nach mehr Sinn?
Die Überlandbusse durch Rentsch müssen umgeleitet werden. Die absurd hohe Anzahl sollte sehr stark reduziert werden. Sie stellen die größte Gefahrenquelle dar. Hauptargument gegen die Reduzierung der Überlandbusse vonseiten der verschiedenen Verantwortlichen ist die sozialpädagogische Werkstätte „Kimm“ in Kardaun. Die muss für Menschen mit Handicap erreichbar bleiben.
Warum geht ihrer Meinung nach in Rentsch in puncto Sicherheit in Rentsch nichts weiter?
Das ist auch für die Anrainer mitunter ein großes Rätsel. Des Öfteren sprechen wir vom „vergessenen Stadtviertel“ von Bozen. Wahrscheinlich wirken wir nach außen hin so idyllisch, dass man nicht hinter die Fassade schaut wird und alte Muster nicht gerne verändert werden. Wir haben und hatten immer wieder Initiativgruppen oder politische Gruppierungen, die die Themen erneut aufgreifen und angehen, aber das größte Problem sind nach wie vor die besonderen strukturellen Gegebenheiten, die wir haben: enge Straßenverhältnisse, die Möglichkeit eines Radwegs nur am Bach entlang oder die Straße geradewegs durch das Viertel hindurch, die auch noch direkt ins Zentrum führt usw. Veränderungen könnten teilweise nur durch einen hohen finanziellen Aufwand erbracht werden oder durch klare Beschlüsse und Entscheidungen, die bei diversen Personengruppen wohl auf Gegenwehr stoßen. Solche wollte bis dato wohl keiner fällen. Wir begrüßen zwar, dass Mobilitätsstadtrat Fattor sich unserer Problematik annimmt, aber die Idee die zurzeit im Raum steht, trifft für mich nicht die Wurzel des Problems.