Anhebung des Pensionsalters hatte für heftige Proteste gesorgt

Umstrittene Pensionsreform in Frankreich ist in Kraft

Freitag, 01. September 2023 | 16:53 Uhr

Von: APA/dpa/AFP

In Frankreich ist die umstrittene Pensionsreform von Präsident Emmanuel Macron nach monatelangen und teils gewaltsamen Protesten am Freitag in Kraft getreten. Große Kundgebungen zum Start der Reform, mit der das Pensionsantrittsalter schrittweise von 62 auf 64 Jahre steigt, gab es nicht. Die neue Chefin der Gewerkschaft CGT, Sophie Binet, hatte Macron aber vor wenigen Tagen bei einem Treffen aufgefordert, zur Pensionsreform ein Referendum zu organisieren.

Etwa 600.000 Menschen mit geringen Pensionen bekämen bereits vom Herbst an eine Aufstockung um bis zu 100 Euro pro Monat, sagte Arbeitsminister Olivier Dussopt am Freitag dem Sender France 2. “Einige Umsetzungsdekrete werden noch in den kommenden Wochen veröffentlicht”, sagte der Minister. Dussopt besuchte anlässlich des Inkrafttretens am Freitag ein Regionalbüro der Pensionsversicherung im elsässischen Mulhouse.

Die im März verabschiedete Reform gilt als bedeutendste Reform der zweiten Amtszeit Macrons. Regierung und Gewerkschaften hatten darüber einen monatelangen Konflikt ausgetragen. An insgesamt 14 Aktionstagen beteiligten sich zeitweise pro Tag mehr als eine Million Menschen an Demonstrationen.

Der Rückgriff auf den viel kritisierten Verfassungsartikel 49.3 hatte der Regierung eine Verabschiedung ohne abschließende Abstimmung im Parlament ermöglicht. Dies hatte die Proteste gegen die Reform nach ihrer Verabschiedung noch einmal angefacht. Wegen der Gewalt auf den Straßen war sogar ein geplanter Staatsbesuch des britischen Königs Charles III. im März abgesagt worden.

Die Gewerkschaften hatten geschlossen Front gegen die Reform gemacht und die Massenproteste organisiert. Begleitet wurden die Proteste von Streiks bei Bahnen und an den Flughäfen. Wochenlang wurde in Teilen von Paris kein Müll eingesammelt.

Macron hatte das sensible Thema Pension eigentlich schon in seiner ersten Amtszeit auf die Agenda gehoben. Nach den sogenannten Gelbwesten-Protesten 2018/19 kam jedoch die Corona-Pandemie und die Reform wurde vorerst abgeblasen. Im Wahlkampf 2022 kündigte der Präsident dann einen zweiten Anlauf an und warnte die Bevölkerung vor – alle müssten etwas mehr arbeiten. Ursprünglich strebte er eine Erhöhung des Pensionsantrittsalters auf 65 Jahre an, entschied sich angesichts der sich abzeichnenden Proteste dann für eine Erhöhung auf 64 Jahre.

Auch bisher arbeiteten bereits viele Menschen in Frankreich über 62 Jahre hinaus, wenn sie mit Erreichen der Altersgrenze noch nicht genug für eine abschlagsfreie Pension eingezahlt hatten.

Macron begründete die Reform mit einem drohenden Defizit in der Pensionskasse. Denn angesichts einer alternden Bevölkerung müssten die Beschäftigten – ähnlich wie in Österreich – mit ihren Beiträgen für eine steigende Zahl von Pensionisten aufkommen. Um die Höhe der Pension stabil zu halten, müsse die Bevölkerung etwas länger arbeiten.

Ziel der Reform war es zudem, die bisher geltenden 42 Pensionssysteme zu vereinheitlichen. Die meisten der Sonderkassen werden nun abgeschafft, unter anderem die für die Strom- und Gasindustrie und den Pariser Nahverkehr.

Zudem wird die Zahl der Beitragsjahre für die Vollpension nun schneller als bisher geplant von 42 auf 43 Jahre angehoben. Wer nicht lange genug gearbeitet hat, soll wie bisher spätestens mit 67 Jahren seine volle Pension beziehen können.

Wer in schwierigen Berufen arbeitet, kann auch künftig früher in den Ruhestand gehen. Ausnahmen gelten auch weiterhin für Menschen, die bereits als Jugendliche gearbeitet haben. Als soziale Ausgleichsmaßnahme sieht die Reform die Anhebung der Mindestpension bei voller Beitragszeit auf 1.200 Euro vor. Diese Regel soll auch für Menschen gelten, die bereits ihre Pension beziehen.

Die bisher geltende Pension mit 62 hatte der konservative Präsident Nicolas Sarkozy 2010 nach langen Streiks durchgesetzt.