Von: mk
Vals/Meransen – Die Südtiroler Landesregierung hat einen weiteren massiven Ausbau des Skigebietes Gitschberg beschlossen. Die Umweltgruppe Eisacktal spricht sich entschieden gegen diese weitere Erschließung am Gitschberg aus: „Damit werden die Interessen einzelner, lokaler, privater Unternehmen, über das dauerhaften Wohlergehen der Südtiroler Bevölkerung und den Schutz einer intakten, unbeeinträchtigten Naturlandschaft gestellt.“
Die Gitschberg-Jochtal AG beabsichtigt den bislang unbeeinträchtigten Bergrücken des Klein-Gitsch, zwischen dem Landschaftsschutzgebiet Altfasstal und dem bestehenden Skigebiet Gitschberg mit einem neuen Lift zu erschließen. Die Abfahrt soll über den exponierten Kamm in nördliche Richtung ebenso möglich sein, wie über zwei neue Skipisten in südwestliche Richtung. Letztere beiden Abfahrten ermöglichen die direkte Anbindung an die Talabfahrt, bzw. an die Liftstation des Verbindungsliftes Schilling-Gaisjoch.
„Bereits beim Bau des Verbindungsliftes Schilling-Gaisjoch, welcher das Skigebiet Vals-Jochtal mit dem Gitschberg verbindet, wurde die skitechnische Verbindung der Bevölkerung als unabdingbare Notwendigkeit verkauft; ohne diese sei der Niedergang der beiden Skigebiete (und damit natürlich der ganzen Tourismusregion Vals-Meransen) unabwendbar gewesen. In diesem Zusammenhang nahm man sogar die Verletzung des Landschaftsschutzgebietes Altfasstal durch den Überflug der Kabinenbahn in Kauf – ganz zu schweigen von der Rodung eines naturnahen Waldbestandes im Bereich der Mittelstation Tanne. Noch ist unklar, ob die dortigen Populationen des Auerhuhnes, eine Art mit der höchstmöglichen Schutzkategorie laut Vogelschutzrichtlinie Schaden genommen hat“, erklären die Umweltschützer.
Der Bau des Verbindungsliftes scheine aber den Zweck der Rettung der Tourismusregion Vals-Meransen nicht erfüllt zu haben und ökonomisch nicht nachhaltig gewesen sein, zumal zum jetzigen Zeitpunkt erneute Investitionen in Millionenhöhe notwendig seien, um den drohenden Untergang derselben zu verhindern. Erneut werde eine massive Erweiterung eines Skigebietes, das südtirolweit ihresgleichen sucht, mit diesem Totschlagargument gerechtfertigt. Eine Diskussion über die langfristige Sinnhaftigkeit des Ausbaues einer Ski-Infrastruktur in einem südexponierten Berggebiet, in Anbetracht der globalen klimatischen Entwicklung bzw. über den Grundsatz des ständigen Wachstums in einem Bereich der weder ökonomisch, sozial oder ökologisch nachhaltig ist, bleibe leider vollständig aus.
Fakt sei, dass sich der Landesumweltbeirat, also das wissenschaftlich-beratende Gremium der Landesregierung, klar und mit fundierten Argumenten, gegen die Erschließung des Klein Gitsch ausgesprochen habe. Das betreffende Gutachten Nr. 3/2019 vom 15.04.2019 zeige sich selten klar. Darüber war sich auch die Landesregierung zum Zeitpunkt der Genehmigung im Klaren. Wortwörtlich heißt es im Beschluss: „Nach Einsicht in das technisch-wissenschaftliche Qualitätsurteil der Arbeitsgruppe im Umweltbereich im Sinne des Artikels 3 des Landesgesetzes vom 13. Oktober 2017, Nr. 17 und nach Überprüfung des Einwandes vom Alpenverein Südtirol (AVS) Sektion Brixen vom 23. Jänner 2018 hat der Umweltbeirat am 3. April 2019 die Machbarkeitsstudie und den Umweltbericht bewertet und ein negatives Gutachten (Gutachten Nr. 3/2019) hinsichtlich der Umweltverträglichkeit der ergänzenden Eingriffe erteilt.“
Einige Zeilen weiter heißt es allerdings: „Da die Gutachten der Kommission im Sinne des Artikels 5, Absatz 2 des LG 14/2010 und des Umweltbeirates voneinander abweichen, wägt die Landesregierung autonom die Vor- und Nachteile des Vorhabens ab und kommt zum Schluss, dass die sozioökonomischen Überlegungen überwiegen, denn es handelt sich um ein familienfreundliches Skigebiet in einer peripheren Lage. Anderenfalls würden die dort ansässige Bevölkerung und die Gäste auf andere Skigebiete ausweichen. Die ergänzenden Eingriffe für die Entwicklung der Skizonen “Gitschberg” und “Vals-Jochtal” werden also von der Landesregierung genehmigt, und zwar mit der Auflage, dass für die Gestaltung der Bergstation der Aufstiegsanlage “Kleingitsch” ein Gutachten des Landesbeirates für Baukultur und Landschaft eingeholt wird.“
Laut den Umweltschützern ist die Botschaft klar: „Man bleibt bei der immerwährenden Mär vom wirtschaftlichen Wohlstand, der von Oben nach Unten durchsickert und opfert diesem Mythos auch die letzten Reste naturnaher Landschaften. Alles für die ‚Familienfreundlichkeit‘ und die ‚Peripherie‘. Meransen und Vals in der Gemeinde Mühlbach sind vieles, aber im südtirolweiten Vergleich sicher nicht ‚peripher‘.“
Die Umweltgruppe Eisacktal hyla möchte mit dieser Stellungnahme dezidiert und nachdrücklich die Stimme, gegen die aus unserer Sicht kurzsichtige Argumentation der Landesregierung erheben, und gegen das Erschließungsprojekt der Gitschberg-Jochtal AG protestieren.
Neben der fundamentalen Unvereinbarkeit derartiger Projekte mit den Umwelt- und Klimazielen Südtirols würden mehrere Gründe dagegen sprechen. Die einzelnen Punkte im Wortlaut:
• Die Lebensräume und Pflanzengesellschaften im Eingriffsgebiet entsprechen Natura 2000- Habitaten, deretwegen andernorts ganze Schutzgebiete ausgewiesen werden. Es handelt sich um seltene, artenreiche und ökologisch wie landschaftlich besonders wertvolle Standorte, die maßgeblich und identitätsstiftend für die Südtiroler Bergwelt sind.
• Die betroffenen Gebiete sind für die lokalen Populationen des Alpen-Schneehuhns und des Birkhuhns (EU-Vogelschutzrichtlinie, Anhang I) von großer Bedeutung. Die Richtlinie sieht vor, dass die Lebensräume dieser Arten nicht beeinträchtigt werden dürfen. Doch genau das passiert hier unweigerlich.
• Das Gebiet des Klein-Gitsch ist aus dem ganzen Brixner Talkessel uneingeschränkt sichtbar. Die landschaftliche Beeinträchtigung ist enorm, da die Integrität der natürlichen Bergkulisse zerstört wird. Wir sind der Meinung, dass sich dies auch negativ auf den Erholungswert der betroffenen Landschaft, und somit letztlich auch auf den Tourismus und das internationale Verständnis von Südtirol als naturnahe Alpenregion auswirkt.
• Die Errichtung der geplanten Skipisten wirkt sich negativ auf das Feuchtgebiet am Ochsenboden aus. Dabei handelt es sich um einen per Landesgesetz, bzw. im Landschaftsplan der Gemeinde Mühlbach erfassten und somit geschützten Standort. Schutz und Erhalt der Feuchtzone sind mit der Errichtung der Skipiste, die genau oberhalb darüber verlaufen soll, unvereinbar.
Aus den angeführten Gründen appelliert die Umweltgruppe Eisacktal hyla an alle Verantwortungsträger und -trägerinnen, den beabsichtigten Ausbau des Skigebietes, im Sinne der ökologischen und landschaftlichen Nachhaltigkeit und im Sinne aller bisherigen Lippenbekenntnisse der Politik, mit sofortiger Wirkung zu stoppen.