Von: mk
München – Pestizide aus der Landwirtschaft können sich unkontrolliert über die Luft verbreiten, zum Teil über viele Kilometer hinweg. Mit einer jetzt vom Graubündner Amt für Natur und Umwelt (ANU) veröffentlichten Messreihe aus dem Jahr 2019 könne das Umweltinstitut München nachweisen, dass Pestizide aus dem Südtiroler Obstbau bis in das angrenzende Schweizer Münstertal verfrachtet werden, heißt es in einer Presseaussendung des privaten Vereins. Die Untersuchung wurde vom ANU beauftragt, nachdem das Umweltinstitut bereits 2018 in der Südtiroler Obstbauregion Vinschgau Pestizidrückstände in der Luft gemessen hatte.
„Wir konnten im Schweizer Teil des Münstertals Wirkstoffe finden, die dort nicht eingesetzt werden. Die Funde stimmen außerdem zeitlich mit denen überein, die wir im Vinschgau nachgewiesen haben“, erklärt Karl Bär, Referent für Agrarpolitik beim Umweltinstitut und Leiter der Messreihe im Auftrag des ANU. „Wir können also davon ausgehen, dass Pestizide aus dem intensiven Obstanbau in Südtirol über viele Kilometer hinweg bis ins schweizerische Münstertal verfrachtet werden. Unsere Ergebnisse zeigen einmal mehr, dass die EU bei der Zulassung von Pestiziden unrealistische Annahmen über deren Verbreitung durch die Luft macht“, so Bär weiter. Bei den Zulassungsverfahren werde häufig angenommen, dass keine oder nur eine vernachlässigbare Verbreitung der Wirkstoffe über die Luft stattfindet. Sogar in acht Kilometer Entfernung zur nächsten Obstplantage seien aber noch Pestizide aus dem Obstbau gefunden worden.
Die Standorte für die Messungen im Münstertal wurden in unterschiedlicher Entfernung zu den Obstplantagen im Vinschgau gewählt. Der obere und größere Teil des Münstertals liegt in der Schweiz, der tiefer liegende Teil dagegen gehört zu Südtirol. Der gesamte Schweizer Teil des Tals ist ein Naturpark, die Biosfera Val Müstair. Etwa 80 Prozent der dort ansässigen landwirtschaftlichen Betriebe arbeiten nach den Richtlinien des ökologischen Landbaus. Für die Untersuchung standen im Münstertal von April bis November 2019 an drei Standorten insgesamt sechs Passivsammler.
Mit den Sammlern wurde nach 29 verschiedenen Wirkstoffen gesucht, darunter jene, die das Umweltinstitut 2018 in Südtirol nachweisen konnte. Es wurden außerdem einige für den Getreideanbau typische Wirkstoffe gefunden, die auch im Schweizer Münstertal eingesetzt werden. Insgesamt konnten in den Sammelmedien zehn verschiedene Pestizidwirkstoffe nachgewiesen werden. Darunter hätten sich auch in hohem Maße gesundheitsgefährdende Stoffe wie Captan und Phosmet befunden. Je weiter der Standort vom Südtiroler Teil des Münstertals entfernt gelegen sei, desto geringer sei die Anzahl der nachweisbaren Pestizide sowie deren Konzentration gewesen.
„Auch Maßnahmen zur Minimierung der Abdrift verhindern nicht, dass sich die Mittel durch die Luft verbreiten. Wenn wir vermeiden wollen, dass unsere Umwelt und unsere Gesundheit weiter durch Pestizide gefährdet werden, müssen wir Konsequenzen ziehen: Diese Mittel dürfen nicht mehr eingesetzt werden“, erklärt Bär abschließend.
Auch in Deutschland führte das Umweltinstitut in Zusammenarbeit mit dem Bündnis für eine enkeltaugliche Landwirtschaft und dem unabhängigen Umweltbüro „TIEM Integrierte Umweltüberwachung“ Messungen durch: Insgesamt wurde zwischen 2014 und 2019 bundesweit an insgesamt 163 Standorten die Luft auf Pestizidrückstände untersucht. Es zeigte sich auch bei dieser Untersuchung, dass Pestizide über viele Kilometer über die Luft verfrachtet werden. Selbst in Schutzgebieten wie den Nationalparks Bayerischer Wald und Harz wurden noch mehrere Pestizidwirkstoffe nachgewiesen. Die Ergebnisse wurden am Dienstag im Beisein der deutschen Bundesumweltministerin Svenja Schulze veröffentlicht.