Von: mk
Mals/Scoul – Die Umweltschutzgruppe Vinschgau hat große Bedenken gegen das Projekt einer Reschenbahn geäußert. Kritisiert wurde vor allem die Projektbeschreibung, wie sie von Initiativgruppe ‘pro Reschenbahn’ vorgelegt wurde. Der Vorstand der Umweltschutzgruppe Vinschgau sprach von einem “massiven, unverantwortlichen Eingriff in die kulturell und ökologisch wertvolle Malser Haide” dar. Trotzdem ist die Umweltschutzgruppe Vinschgau ist nicht generell gegen eine Bahnverbindung von Mals in Richtung Schweiz, wie Bauingenieur und Verkehrsplaner Paul Stopper, erklärt. Er ist Mitarbeiter des Amtes für öffentlichen Verkehr im Kanton Graubünden.
„Für uns stellt die Verbindung Mals-Scuol eine ökologisch vertretbare Alternative zur Reschenbahn dar“, erklärte die Umweltschutzgruppe Vinschgau. Es gehe also keineswegs um das „Ob“, sondern um das „Wie“.
Die Schweiz habe schon seit vielen Jahren den Wunsch geäußert, die Bahn-Linie Samedan – Scuol der Rhätischen Bahn an das Eisenbahnnetz des Südtirols, genauer an die wiedereröffnete Vinschgerbahn Meran – Mals, anzubinden. Südtirol unter der Führung von Landeshauptmann Luis Durnwalder habe diesen Wunsch jeweils wohlwollend zur Kenntnis genommen, leider aber keinerlei ernsthafte Anstrengungen zu einer Realisierung gezeigt, betont Stopper. Heute sei dies anders: „Sowohl das Südtirol als auch die Schweiz bekundeten mehrmals öffentlich, diese Verbindung zu realisieren. Der Südtiroler Landeshauptmann Dr. Arno Kompatscher hat sich in der Öffentlichkeit sogar dahingehend geäußert, dass er dafür besorgt sein werde, dass das Südtirol zusammen mit der EU bis zu drei Vierteln der Kosten der neuen Bahnlinie aufkommen werden.“
Man rechnet mit Kosten von rund einer Milliarde Euro. Im September 2020 unterzeichneten das Tirol, der Kanton Graubünden, die Autonome Provinz Bozen-Südtirol und die Lombardei eine gemeinsame Absichtserklärung zum sogenannten „Alpenbahnkreuz Terra Raetica“. Dieses Alpenbahnkreuz beinhalte laut Stopper folgende neue normalspurige Bahnlinien:
· Fernpass-Bahn (Garmisch-Partenkirchen – Landeck)
· Bahnlinie Landeck – Scuol
· Bahntunnel Scuol – Mals (im Idealfall via Münstertal)
· Bahntunnel Sta. Maria – Bormio
· Bahnlinie Bormio – Tirano
Mit diesen Bahnlinien könne das durch den ersten Weltkrieg abrupt gestoppte Bahnnetz im sogenannten Rätischen Dreieck resp. eben in der Terra Raetica zu einem nachhaltigen Verkehrs-Netz ergänzt werden. Diese Vereinbarung habe keinerlei Widersprüche hervorgerufen.
„Vor etwa einem halben Jahr bildete sich im Nordtirol, d.h. in Landeck und in Nauders, ein Komitee, das die Fertigstellung der alten Reschenbahn von Pfunds via Nauders und St. Valentin nach Mals propagiert. Diese Eisenbahn soll weitgehend offen geführt werden. Daher rühren auch die massiven Eingriffe in die Landschaft, welche von der Umweltschutzgruppe Vinschgau nun näher betrachtet worden sind. Die Bahnlinie Mals – Scuol hingegen wird weitgehend unterirdisch verlaufen und wäre somit landschaftsverträglich“, betont Stopper.
Das Komitee schieße seit dessen Gründung mit allen Mitteln gegen das von den vier Regierungsvertretern beschlossenen Alpenbahnkreuz, insbesondere gegen den Bahntunnel Mals – Scuol. Es sei deshalb begrüßenswert und vorbildlich, dass sich die Umweltschutzgruppe Vinschgau bereits jetzt mit den beiden Bahnprojekten befasst hat. „Ihr Urteil ist glasklar und eindeutig: Die Reschenbahn würde die Malser Haide völlig umpflügen. Insgesamt ein untaugliches Projekt in der heutigen Zeit“, erklärt Stopper.
Mit dem Tunnelprojekt betrage die Fahrzeit Mals – Scuol noch rund 17 bis 20 Minuten. Heute benötige man mit dem Postauto/SAD-Bus via Martina – Nauders 84 Minuten.
Die Reschenbahn habe noch andere Nachteile: „Zwischen Pfunds und dem Reschenpass müssten 540 Meter Höhendifferenz überwunden werden und von der Passhöhe nach Mals wiederum 500 Höhenmeter. Dazu bräuchte es zahlreiche Kehrtunnels sowohl auf der Nord- als auf der Südrampe. Die Luftlinie Pfunds – Mals beträgt ca. 32 km. die Bahnlinie würde mit den 30 Promille-Steigungen ca. 51 km messen. Die Fahrzeit betrüge sogar länger als heute mit dem Auto über den Reschenpass. Die Schweiz könnte nicht angeschlossen werden, resp. nur mit einem weiten Umweg via Nauders. Die Reschenbahn könnte nur als ganzes Projekt zwischen Landeck und Mals erstellt werden. Eine Etappierung ist unmöglich.“
Anders sei dies beim Bahntunnel Scuol (-Müstair) – Mals: „Dieser Ast kann als erste Etappe erstellt werden, auch wenn die Bahnlinie Landeck – Scuol noch nicht erstellt ist. An eine Reschenbahn würde die Schweiz keinen Rappen bezahlen.“ Und ohne schweizerische Unterstützung sei das „Alpenbahnkreuz Terra Raetica“ und somit eine Bahnzukunft im Rätischen Dreieck zum vorneherein gestorben. „Alle Pläne würden in die Schubladen wandern. In diejenigen Schubladen, in welchen die alten Pläne der Reschenbahn von 1907 bereits liegen“, warnt Stopper.