Von: APA/dpa/Reuters
Die oppositionellen Unionsparteien haben die Bundestagswahl in Deutschland am Sonntag mit deutlichem Abstand gewonnen und werden damit voraussichtlich mit CDU-Chef Friedrich Merz den nächsten Kanzler stellen. Nach den ersten Hochrechnungen von ARD und ZDF kommt die rechtspopulistische AfD auf Platz zwei, gefolgt von der bisherigen Kanzlerpartei SPD und den Grünen. Merz will bis Ostern eine Regierung bilden. Der abgewählte Kanzler Olaf Scholz wird aber nicht mitverhandeln.
“Wir die CDU, die CSU, die Union, wir haben diese Bundestagswahl 2025 gewonnen”, sagte Merz bereits eine halbe Stunde nach Wahlschluss in einem Auftritt vor jubelnden Anhängern. Kurze Zeit später räumte Scholz vor Anhängern die “Wahlniederlage” ein. Er kündigte an, sein Amt als Kanzler “bis zum letzten Tag” fortführen zu wollen. Als Verhandlungsführer der SPD stehe er aber nicht zur Verfügung, präzisierte er am Abend in der TV-Runde der Spitzenkandidaten. Dabei schloss er auch aus, ein Ministeramt übernehmen zu wollen.
Merz drängte auf eine rasche Regierungsbildung. Die Welt “wartet nicht auf langatmige Koalitionsgespräche und -verhandlungen”, sagte er. “Ich habe den Wunsch, dass wir spätestens Ostern mit einer Regierungsbildung fertig sind”, sagte er in der TV-Runde der Parteichefs. Einer Zusammenarbeit mit der AfD erteilte er erneut eine klare Absage. “Wir suchen nicht die Freiheit und den Frieden auf dem Schoß von Putin”, sagte er.
FDP-Chef Lindner kündigt Rückzug an
Der als möglicher Vizekanzler in einer unionsgeführten Regierung kolportierte Verteidigungsminister Boris Pistorius bezeichnete das Ergebnis als “katastrophal”. Die Union müsse nun die demokratischen Kräfte zusammenhalten, die SPD sei gesprächsbereit.
Konsequenzen kündigte FDP-Chef Christian Lindner an, dessen Partei den Wiedereinzug ins Parlament zu verpassen schien. “Wenn die FDP aus dem Bundestag ausscheidet, ist das völlig klar, dass ich dann auch aus der Politik ausscheide”, sagte er in der Runde der Parteichef. Sein Führungsanspruch für die FDP sei dann erloschen.
Linke im Parlament, FDP und BSW müssen zittern
Nach den Hochrechnungen verbessern sich CDU und CSU auf 28,4 bis 28,6 Prozent (Wahl 2021: 24,1 Prozent) – es ist dennoch das zweitschlechteste Bundestagswahlergebnis der Union. Die AfD erreicht 20,4 Prozent (10,4 Prozent). Die SPD von Kanzler Olaf Scholz stürzt dramatisch ab auf ihr schlechtestes Bundestagswahlergebnis seit 1949 und landet bei 16,3 bis 16,4 Prozent (25,7). Die Grünen mit Kanzlerkandidat Robert Habeck verlieren leicht und kommen auf 12,2 bis 12,3 Prozent (14,7). Die Linke steigert sich deutlich auf 8,5 bis 8,9 Prozent (4,9). Die FDP halbiert ihr Ergebnis und liegt bei 4,7 bis 4,8 Prozent (11,4). Das BSW, eine Abspaltung der Linken, kommt bei seiner ersten Bundestagswahl auf 4,9 bis 5,0 Prozent.
Laut ARD und ZDF erringen CDU und CSU 196 bis 209 Sitze im Parlament, die AfD kommt auf 141 bis 149 Sitze. Die SPD erhält 113 bis 119 Mandate, die Grünen 84 bis 90, die Linke 61 bis 62 und das BSW 0 bis 34. Ob Union und SPD gemeinsam eine Mehrheit im Bundestag haben, hängt zentral vom Abschneiden von FDP und BSW ab. Scheitern beide Parteien an der Fünf-Prozent-Hürde, geht sich eine Mehrheit aus. Schafft nur eine von ihnen den Einzug, würde es für Schwarz-Rot einen dritten Koalitionspartner brauchen.
Koalition mit Union für SPD “kein Automatismus”
Die abgewählten Sozialdemokraten zeigten sich zurückhaltend, was eine Regierungsbeteiligung unter den Unionsparteien betrifft. Dies sei “kein Automatismus”, sagte SPD-Generalsekretär Matthias Miersch. “Das ist eine historische Niederlage für die SPD”, sagte er. Parteichef Lars Klingbeil bezeichnete die Wahl als Zäsur für die SPD, die nun programmatisch und personell neu aufgestellt werden müsse. Es müsse jetzt ein “Generationenwechsel” kommen.
AfD-Kanzlerkandidatin Alice Weidel sprach von einem “historischen Erfolg” ihrer Partei. “Wir sind offen für Koalitionsverhandlungen mit der CDU”, sagte Weidel in der ARD. “Die Menschen wollen eine blau-schwarze Koalition haben”, sagte sie auch im ZDF. “Wir stehen bereit, mit einer ausgestreckten Hand.” Sie rechne aber nicht damit, dass die Union diese Hand ergreifen werde. In den nächsten Jahren werde die AfD stärkste Kraft werden. Co-Parteichef Tino Chrupalla sagte: “Wir sind jetzt die politische Mitte”.
CSU bekräftigt Nein zu Grünen
CSU-Spitzenkandidat Alexander Dobrindt bekräftigte das Nein seiner Partei zu einer Koalition mit den Grünen. Für eine Koalition seien die Grünen auch nicht nötig, sagte er mit Blick auf die laut ersten Prognosen knappe Mehrheit von Unionsparteien mit SPD. Hingegen bekräftigte der Grüne Kanzlerkandidat Robert Habeck, dass seine Partei “Verantwortung übernehmen” wolle.
Linken-Spitzenkandidatin Heidi Reichinnek äußerte sich “unfassbar dankbar” über das Wahlergebnis. Sie kündigte an, die Linke werde sich nun im Bundestag für politische Veränderungen einsetzen, “ob wir in der Opposition oder in der Regierung sind, ist egal”. FDP-Chef Christian Lindner räumte eine Niederlage seiner Partei ein, zeigte sich aber trotzdem kämpferisch. Es brauche nun starke Nerven, sagte er mit Blick auf die Hochrechnungen, die die FDP knapp nicht im Parlament sahen. BSW-Spitzenkandidatin Sahra Wagenknecht sagte, dass ihre Partei “noch zittern müssen” werde.
Unions-Kanzlerkandidat Merz hat ebenfalls wie die anderen Bundestagsparteien eine Koalition mit der in Teilen rechtsextremen AfD ausgeschlossen. Deshalb dürfte sich die Regierungsbildung schwierig gestalten. Der 69-Jährige will einen schärferen Kurs in der Asylpolitik durchsetzen. Außerdem will er die deutsche Wirtschaft nach zwei Rezessionsjahren wieder in Schwung bringen – mit weniger Bürokratie und niedrigeren Steuern.
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