Von: APA/dpa/Reuters
Die oppositionellen Unionsparteien haben die Bundestagswahl in Deutschland am Sonntag mit deutlichem Abstand gewonnen und dürften mit CDU-Chef Friedrich Merz den nächsten Kanzler stellen. Nach Hochrechnungen von ARD und ZDF kommt die rechtspopulistische AfD auf Platz zwei vor der bisherigen Kanzlerpartei SPD. Merz will bis Ostern eine Regierung bilden. Der abgewählte Kanzler Olaf Scholz wird nicht mitverhandeln. FDP-Chef Christian Lindner erklärte seinen Rückzug.
“Wir die CDU, die CSU, die Union, wir haben diese Bundestagswahl 2025 gewonnen”, sagte Merz bereits eine halbe Stunde nach Wahlschluss in einem Auftritt vor jubelnden Anhängern. Kurze Zeit später räumte Scholz vor Anhängern die “Wahlniederlage” ein. Er kündigte an, sein Amt als Kanzler “bis zum letzten Tag” fortführen zu wollen. Als Verhandlungsführer der SPD stehe er aber nicht zur Verfügung, präzisierte er am Abend in der TV-Runde der Spitzenkandidaten. Dabei schloss er auch aus, ein Ministeramt übernehmen zu wollen.
Merz drängte auf eine rasche Regierungsbildung. Die Welt “wartet nicht auf langatmige Koalitionsgespräche und -verhandlungen”, sagte er. “Ich habe den Wunsch, dass wir spätestens Ostern mit einer Regierungsbildung fertig sind”, sagte er in der TV-Runde der Parteichefs. Einer Zusammenarbeit mit der AfD erteilte er erneut eine klare Absage. “Wir suchen nicht die Freiheit und den Frieden auf dem Schoß von Putin”, sagte er. Scholz sprach sich wie Merz für eine rasche Regierungsbildung aus.
FDP-Chef Lindner geht
Konsequenzen zog bereits am Wahlabend jener Politiker, der maßgeblich zum Aus der Ampelkoalition und den vorgezogenen Neuwahlen beigetragen hat: FDP-Chef Christian Lindner teilte auf X mit, dass er aus der aktiven Politik ausscheide. Die Bundestagswahl brachte eine Niederlage für die FDP, aber hoffentlich einen Neuanfang für Deutschland. Dafür hatte ich gekämpft”, sagte er. Hochrechnungen hatten zuvor gezeigt, dass die FDP den Sprung über die Fünf-Prozent-Hürde für den Einzug in den Bundestag verpassen dürfte.
Linke im Parlament, kaum noch Chancen für FDP
Nach den Hochrechnungen verbessern sich CDU und CSU auf 28,5 Prozent (Wahl 2021: 24,1 Prozent) – es ist dennoch das zweitschlechteste Bundestagswahlergebnis der Union. Die AfD erreicht 20,5 bis 20,6 Prozent (10,4 Prozent). Die SPD von Kanzler Olaf Scholz stürzt dramatisch ab auf ihr schlechtestes Bundestagswahlergebnis seit 1949 und landet bei 16,5 Prozent (25,7). Die Grünen mit Kanzlerkandidat Robert Habeck verlieren leicht und kommen auf 11,8 bis 11,9 Prozent (14,7). Die Linke steigert sich deutlich auf 8,7 Prozent (4,9). Die FDP halbiert ihr Ergebnis und liegt bei 4,4 bis 4,5 Prozent (11,4). Das BSW, eine Abspaltung der Linken, kommt bei seiner ersten Bundestagswahl auf 4,9 bis 5,0 Prozent.
Laut ARD und ZDF erringen CDU und CSU 197 bis 208 Sitze im Parlament, die AfD kommt auf 141 bis 150 Sitze. Die SPD erhält 114 bis 121 Mandate, die Grünen 82 bis 86, die Linke 60 bis 64 und das BSW 0 bis 35. Scheitern beide Parteien an der Fünf-Prozent-Hürde, geht sich eine Mehrheit aus. Schafft nur eine von ihnen den Einzug, würde es für Schwarz-Rot einen dritten Koalitionspartner brauchen.
Koalition mit Union für SPD “kein Automatismus”
Die abgewählten Sozialdemokraten zeigten sich zurückhaltend, was eine Regierungsbeteiligung unter den Unionsparteien betrifft. Dies sei “kein Automatismus”, sagte SPD-Generalsekretär Matthias Miersch. Ähnlich äußerte sich Co-Parteichefin Saskia Esken. “Oh Nein. In diese Falle werden wir ganz sicher nicht tappen”, sagte sie im ZDF auf die Frage, ob die SPD nicht in einer AfD-Falle sitze und daher jedenfalls in die Regierung müsse. “Wir entscheiden souverän für uns, ob wir es für geboten halten, in eine Koalition zu gehen”, sagte sie. Der zweite Co-Chef Lars Klingbeil sprach sich für einen Generationenwechsel in der Partei aus. Noch am Wahlabend tagte in der Parteizentrale das SPD-Präsidium, um über Konsequenzen aus der Wahl zu beraten.
AfD-Kanzlerkandidatin Alice Weidel sprach von einem “historischen Erfolg” ihrer Partei. “Wir sind offen für Koalitionsverhandlungen mit der CDU”, sagte Weidel in der ARD. “Die Menschen wollen eine blau-schwarze Koalition haben”, sagte sie auch im ZDF. “Wir stehen bereit, mit einer ausgestreckten Hand.” Sie rechne aber nicht damit, dass die Union diese Hand ergreifen werde. In den nächsten Jahren werde die AfD stärkste Kraft werden. Co-Parteichef Tino Chrupalla sagte: “Wir sind jetzt die politische Mitte”.
CSU bekräftigt Nein zu Grünen
CSU-Spitzenkandidat Alexander Dobrindt bekräftigte das Nein seiner Partei zu einer Koalition mit den Grünen. Für eine Koalition seien die Grünen auch nicht nötig, sagte er mit Blick auf die laut ersten Prognosen knappe Mehrheit von Unionsparteien mit SPD. Hingegen bekräftigte der Grüne Kanzlerkandidat Robert Habeck, dass seine Partei “Verantwortung übernehmen” wolle.
Linken-Spitzenkandidatin Heidi Reichinnek äußerte sich “unfassbar dankbar” über das Wahlergebnis. Sie kündigte an, die Linke werde sich nun im Bundestag für politische Veränderungen einsetzen, “ob wir in der Opposition oder in der Regierung sind, ist egal”. FDP-Chef Christian Lindner räumte eine Niederlage seiner Partei ein, zeigte sich aber trotzdem kämpferisch. Es brauche nun starke Nerven, sagte er mit Blick auf die Hochrechnungen, die die FDP knapp nicht im Parlament sahen. BSW-Spitzenkandidatin Sahra Wagenknecht sagte, dass ihre Partei “noch zittern müssen” werde.
Unions-Kanzlerkandidat Merz hat ebenfalls wie die anderen Bundestagsparteien eine Koalition mit der in Teilen rechtsextremen AfD ausgeschlossen. Deshalb dürfte sich die Regierungsbildung schwierig gestalten. Der 69-Jährige will einen schärferen Kurs in der Asylpolitik durchsetzen. Außerdem will er die deutsche Wirtschaft nach zwei Rezessionsjahren wieder in Schwung bringen – mit weniger Bürokratie und niedrigeren Steuern.
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