Wahlsieger Merz will rasch mit der SPD sprechen

Merz strebt Koalition der Union mit der SPD an

Montag, 24. Februar 2025 | 14:28 Uhr

Von: APA/AFP/Reuters/dpa

Unions-Kanzlerkandidat Friedrich Merz (CDU) strebt nach seinem Erfolg bei der Bundestagswahl in Deutschland eine Koalition mit der SPD an. Die Union und die Sozialdemokraten hätten im neuen Bundestag genug Mandate, um eine schwarz-rote Koalition zu bilden, sagte Merz am Montag. “Genau das ist das, was wir auch wollen”, fuhr Merz fort. Er werde noch am Montag mit SPD-Chef Lars Klingbeil und dem aktuellen deutschen Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) Gespräche dazu führen.

Merz bekräftigte, dass er aus dem Wahlergebnis von 28,5 Prozent für die Union einen klaren Regierungsauftrag ableitet. Ziel sei es nun, eine “vernünftige Übergangsphase” vorzubereiten. In den Gesprächen mit der SPD wolle er vorrangig drei Themenbereiche besprechen: Außenpolitik, Migration sowie Wirtschaft und Industrie. Merz machte aber deutlich, dass er auch das unter der “Ampel”-Koalition geänderte Wahlrecht wieder ändern wolle, weil es “einseitig gegen die Union” gerichtet sei. 15 Wahlkreisgewinner der CDU und drei der CSU schafften wegen des neuen Wahlrechts den Einzug in den Bundestag nicht. “Ein solches Wahlrecht beschädigt unsere Demokratie”, sagte Merz.

Klingbeil mahnt bei Regierungsbildung zur Geduld

Klingbeil sieht keine schnelle Regierungsbildung seiner Partei mit der Union und Merz. Deutschland müsse zwar schnell handlungs- und entscheidungsfähig sein, sagte der SPD-Co-Chef am Montag nach Gremiensitzungen der Sozialdemokraten in Berlin. Ob aber die SPD einer unionsgeführten Regierung beitreten werde, “das steht nicht fest”. Es könne Wochen oder Monate dauern, bis der Prozess einer Regierungsbildung abgeschlossen sei.

Zunächst müsse sondiert werden, danach verhandelt, und schließlich müssten die SPD-Mitglieder einem Koalitionsvertrag zustimmen, sagte Klingbeil. “All diese Schritte liegen vor uns.” Zudem habe Unions-Kanzlerkandidat Merz mit Äußerungen in den vergangenen Tagen die Gräben zwischen CDU/CSU und SPD eher tiefer gemacht. Klingbeil betonte: “Das werden harte Jahre für uns, das wird ein harter Kampf.” Zugleich bekräftigte er, dass er am Mittwoch in der neuen SPD-Bundestagsfraktion für den Vorsitz kandidieren werde. Als Co-Parteichef der SPD will er im Amt bleiben. Auch die SPD-Co-Vorsitzende Saskia Esken schloss persönliche Konsequenzen aus dem Wahlergebnis der Sozialdemokraten vom Sonntag aus.

Die SPD hatte bei der Bundestagswahl mit 16,4 Prozent ihr schlechtestes Ergebnis in der Geschichte der Bundesrepublik eingefahren. Rechnerisch wäre aber eine Koalition mit CDU/CSU zur Bildung einer neuen Regierung möglich. Die SPD fiel hinter die AfD zurück, die bei der Wahl auf Platz zwei kam. Grüne und Linke sind ebenfalls im neuen Deutschen Bundestag vertreten, FDP und BSW nicht.

Söder sieht gemeinsame Verantwortung

CSU-Chef Markus Söder sieht Christdemokraten und Sozialdemokraten in einer gemeinsamen Verantwortung, in einer künftigen Regierungskoalition ein weiteres Erstarken extremer Kräfte zu verhindern. “Dies ist tatsächlich die letzte Patrone der Demokratie”, sagte Söder am Montag nach einer CSU-Vorstandssitzung in München. Wenn es nicht gelinge, einen Richtungswechsel zu organisieren, dann werde Deutschland weiter nach rechts außen schlingern, warnte er.

Söder mahnte, es brauche nun eine Koalition der Vernunft und der Bodenständigkeit. Es brauche vor allem einen grundlegenden Richtungswechsel im Land. “Ich glaube, dass mit der SPD ein solcher Richtungswechsel organisierbar ist.” Als zentrales Thema nannte Söder die Begrenzung der Migration. Das sei ein gemeinsamer Auftrag. “Ich glaube, dass das möglich ist.” Die CSU erreichte am Sonntag in Bayern 37,2 Prozent – ein deutliches Plus im Vergleich zur Wahl 2021, aber dennoch das drittschlechteste CSU-Bundestagswahlergebnis der Geschichte.

Scholz will Konsequenzen ziehen

Scholz deutete am Wahlabend persönliche Konsequenzen an. Bei möglichen Koalitionsgesprächen mit der CDU/CSU werde er “nicht der Verhandlungsführer der SPD” sein. Nach der Wahlschlappe der Sozialdemokraten will Scholz seine Arbeit als Regierungschef bis zum letzten Tag “ordentlich zu Ende” führen. Das sei ihm ganz wichtig, sagte Scholz am Montag in Berlin nach Beratungen der Parteigremien. Es sei eine große Ehre, der neunte Kanzler der Bundesrepublik Deutschland zu sein, der vierte Sozialdemokrat, der in der Geschichte der Bundesrepublik dieses wichtige Amt ausfüllen dürfe.

Scholz sprach von einem bitteren Wahlergebnis der SPD, für das er Verantwortung trage. Die SPD werde dringend gebraucht, als Kämpferin für Demokratie und Recht, aber als auch eine Stimme für diejenigen, die auf Gerechtigkeit und ein gutes Miteinander angewiesen seien. Scholz sagte, er werde in diesem Jahr 50 Jahre Mitglied der Sozialdemokratischen Partei sein. “Das ist für mich ein besonderes Ereignis.”

Habeck möchte keine wichtige Rolle mehr

Grünen-Kanzlerkandidat Robert Habeck will keine wichtige Funktion in seiner Partei mehr ausfüllen. “Ich werde keine führende Rolle in den Personaltableaus der Grünen mehr beanspruchen oder anstreben”, sagte er am Montag in Berlin. Die Grünen waren bei der Bundestagswahl auf 11,6 Prozent abgesackt, nach 14,7 Prozent bei der vorhergehenden Wahl.

“Es war ein großartiger Wahlkampf”, sagte der bisherige deutsche Wirtschaftsminister und Vizekanzler. Aber auch: “Es ist kein gutes Ergebnis, ich wollte mehr, und wir wollten mehr.” Habeck war das Gesicht der deutschen Grünen im Wahlkampf, die Kampagne war ganz auf ihn zugeschnitten. Die beiden Parteichefs Franziska Brantner und Felix Banaszak wollen weitermachen.

Lindner kündigte Abschied an

Der langjährige FDP-Chef Christian Lindner kündigte bereits am Wahlabend seinen Abschied aus der Politik an, nachdem seine Partei den Wiedereinzug in den Bundestag verpasste – nach 2013 zum zweiten Mal in der Geschichte der Bundesrepublik. “Nun scheide ich aus der aktiven Politik aus”, schrieb er im Onlinedienst X.

AfD-Chefin Alice Weidel wertete die massiven Zugewinne ihrer Partei als “historisches Ergebnis”. Damit habe sich die AfD “als Volkspartei nun fest verankert”. Weidel zeigte sich zu einer Regierungsbeteiligung bereit: “Unsere Hand wird immer ausgestreckt sein”, sagte sie. Alle anderen Parteien schließen eine Zusammenarbeit mit der AfD allerdings aus.

Bei der Abstimmung über den 21. Deutschen Bundestag kam es zu massiven Verschiebungen in der Wählergunst. Größte Gewinnerin ist mit einem Zuwachs von 10,4 Prozentpunkten die AfD. Größte Verliererinnen sind mit einem Minus von über 9,2 Punkten die SPD und die FDP mit einem Minus von 7,1 Punkten.

BSW verfehlte Einzug knapp

Dem vorläufigen amtlichen Endergebnis zufolge wurde die Union mit 28,5 Prozent stärkste Kraft. Es folgen die AfD mit 20,8 Prozent, die SPD mit 16,4 Prozent, die bisher mit der SPD regierenden Grünen mit 11,6 Prozent und die Linke mit 8,8 Prozent. Die FDP blieb mit 4,3 Prozent klar unter der Fünf-Prozent-Hürde.

Das BSW will das Ergebnis der Bundestagswahl nun juristisch überprüfen lassen und es gegebenenfalls vor Gericht anfechten. Nur ein Bruchteil der Auslandsdeutschen habe an der Abstimmung teilnehmen können, erklärte Spitzenkandidatin Sahra Wagenknecht. Es stelle sich die Frage der Rechtmäßigkeit des Ergebnisses. Das BSW war mit 4,972 Prozent knapp an der Fünf-Prozent-Hürde gescheitert. Laut Wagenknecht fehlten ihrer Partei rund 13.400 Stimmen, um in den Bundestag zu kommen.

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