Nach harten Verhandlungen in Baku kam es zu Einigung

UNO-Gipfel mit 300 Milliarden Dollar für Klimafinanzierung

Sonntag, 24. November 2024 | 02:13 Uhr

Von: APA/AFP/dpa

Die UNO-Klimakonferenz in Aserbaidschan hat in der Nacht zum Sonntag einen neuen Rahmen für die internationale Finanzierung von Klimaschutz und Anpassung an Klimafolgen beschlossen. Demnach soll der jährliche Beitrag in erster Linie der Industriestaaten bis 2035 auf mindestens 300 Milliarden Dollar erhöht werden. Dies bleibt weit hinter den Forderungen von Entwicklungsländern zurück, ist aber eine Verdreifachung der aktuellen Verpflichtung von jährlich 100 Milliarden Dollar.

Um die Entscheidung war zuvor auf der COP29 in Baku erbittert gerungen worden, auch das Abschluss-Plenum wurde mehrfach unterbrochen. Vertreterinnen und Vertreter besonders verletzlicher Länder wie der kleinen Inselstaaten verließen zwischendurch aus Protest die Verhandlungen. Industriestaaten drangen auf eine Einbeziehung auch wirtschaftlich starker Schwellenländer wie China, was nur sehr begrenzt gelang. Entwicklungsländer, zu denen auch China formal zählt, wurden “ermutigt”, auch “auf freiwilliger Basis” Beiträge zu leisten.

Fehlende Bekräftigung zur Abkehr von fossilen Brennstoffen

Die Notwendigkeit der Senkung der Treibhausgasemissionen sowie das 1,5-Grad-Ziel werden wiederholt benannt, eine Bekräftigung oder gar Fortschreibung der Entscheidungen der UNO-Klimakonferenz 2023 in Dubai fehlt jedoch. Dabei geht es um die Abkehr von fossilen Brennstoffen sowie die Verdreifachung erneuerbarer Energien bis 2030.

Lediglich in einem Beschlussentwurf von Baku, dem “Vereinigte-Arabische-Emirate Dialog über die globale Bestandsaufnahme” fand sich versteckt ein Verweis auf den betreffenden Beschluss von Dubai sowie auf die Ergebnisse der Bestandsaufnahme, des “Global Stocktake”. Nach Einsprüchen mehrerer Delegationen, die eine klarere Sprache wünschten, wurde die Entscheidung über diesen Text jedoch auf das kommende Jahr vertagt.

Regeln für Kohlenstoffmärkte beschlossen

Beschlossen wurden neue Regeln für den Handel mit Emissionszertifikaten nach Artikel 6 des Pariser Klimaschutzabkommens. Kritiker befürchten durch die Kohlenstoffmärkte ein “Greenwashing” durch Staaten mit hohem CO2-Ausstoß und warnen vor Manipulationsmöglichkeiten. Befürworter argumentieren, dass das Verfahren Klimaschutzinvestitionen in Entwicklungsländern fördere.

Das Lima Work Program zu Gendergerechtigkeit im Klimaschutz wird um zehn Jahre verlängert. Hintergrund ist, dass Frauen Studien zufolge wesentlich stärker von Folgen der Erderwärmung betroffen sind als Männer. Zudem spielten sie auf lokaler Ebene eine wichtige Rolle für nachhaltige Lebensweisen.

Beschluss für Gewessler Pflichtprogramm ohne Kür

“Dieser Beschluss ist das Pflichtprogramm, die Kür fehlt aber”, sagte Klimaschutzministerin Leonore Gewessler (Grüne) in einer ersten Reaktion. Es sei gelungen, in schwierigen Zeiten den Kurs zu halten und beim Finanzierungsziel einen notwendigen Beschluss zu fassen. “Ja, wir fallen nicht hinter den Abschied von fossilen Energien zurück, der Kampf gegen die Klimakrise braucht jedoch Fortschritt und dieser fehlt uns hier”, resümierte Gewessler.

Die Entwicklungsländer hatten während der Konferenz Beiträge von 1,3 Billionen Dollar jährlich bis 2035 gefordert, mindestens aber bis 2030 eine Erhöhung der Beiträge der Industriestaaten auf 500 Milliarden Dollar. Die Summe von 1,3 Billionen Dollar wird nun auch in dem Beschluss zwar als Zielgröße genannt, jedoch ohne nähere Angaben zur Herkunft der Mittel. Allerdings wurde ein Prozess beschlossen, die “Baku to Belem roadmap”, um Möglichkeiten dafür auszuloten. Das Wort “mindestens” vor der 300-Milliarden-Dollar-Vorgabe wurde noch in letzter Minute in den Beschlusstext eingefügt. Die nächste COP findet im kommenden Jahr im brasilianischen Belem statt.

UNO-Klimasekretär sieht keinen Grund für Siegesfeiern

UNO-Klimasekretär Simon Stiell räumte ein, der Beschluss sei kein Grund für Siegesfeiern. “Kein Land hat alles bekommen, was es wollte, und wir verlassen Baku mit einem Haufen Arbeit, die noch erledigt werden muss”, sagte er. EU-Klimakommissar Wopke Hoekstra verteidigte dagegen den Beschluss. Es breche eine “neue Ära in der Klimafinanzierung an” und die EU werde weiterhin eine Führungsrolle übernehmen, versprach der Niederländer. Die neuen Ziele seien ehrgeizig, aber auch realistisch.

UN-Generalsekretär António Guterres lobte den Beschluss – forderte aber ein, dass das Geld nun schnell fließen müsse. “Zusagen müssen schnell zu Bargeld werden.” Denn viele überschuldete Entwicklungsländer, die von Katastrophen getroffen werden und bei der Revolution erneuerbarer Energien auf der Strecke bleiben, bräuchten dringend Geld. Der Portugiese sprach von komplexen Verhandlungen in einer unsicheren und gespaltenen geopolitischen Landschaft. “Ich appelliere an die Regierungen, dieses Abkommen als Grundlage zu betrachten – und darauf aufzubauen.”

Durchgehend Enttäuschung bei den NGOs

“Die Welt hat die Chance verpasst, endlich die notwendigen Geldhähne zu öffnen, um der Klimakrise weltweit die Stirn zu bieten. Das ist eine bittere Enttäuschung für alle, deren Existenzen und Heimat schon heute von der Klimakrise zerstört werden”, sagte Jasmin Duregger, Klima- und Energieexpertin bei Greenpeace in Österreich und vor Ort in Baku in einem ersten Statement. Ein Hoffnungsschimmer sei aber die “Baku to Belem roadmap”.

Enttäuscht über das neue Klimafinanzierungsziel zeigte sich auch Martin Krenn, Klima-Experte der Koordinierungsstelle der österreichischen Bischofskonferenz für internationale Entwicklung und Mission (KOO). Die angebotenen 300 Milliarden Dollar pro Jahr würden nicht ansatzweise ausreichen, “um auch nur die notwendigsten lebensrettenden Anpassungsmaßnahmen in den ärmsten Ländern des Globalen Südens sicherzustellen”, kritisierte Krenn das Ergebnis.

“Es fehlen entscheidende Elemente wie die Verdreifachung der erneuerbaren Energien, die Verdoppelung der Energieeffizienz und die Abkehr von fossilen Brennstoffen. Hier haben sich die fossilen Lobbys durchgesetzt, was eine katastrophale Nachricht ist”, ergänzte WWF-Klimasprecher Reinhard Uhrig.

Die Menschenrechtsorganisation Südwind nannte die COP29 “aus entwicklungspolitischer Sicht” eine Farce. Das Ergebnis nehme die reichen Länder des Globalen Nordens weitgehend aus ihrer Verantwortung. “Menschenrechte, Gendergerechtigkeit und die Förderung der am stärksten betroffenen Communities waren nicht mehr als eine Randnotiz”, kritisierte Angelika Derfler, Sprecherin für Klimagerechtigkeit bei Südwind.

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fingerzeig
Superredner
59 Sek

von geforderten 1,2 billionen, runtergehandelt auf 300 mrd.

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