Menschenrechtsrat warnt vor möglichem Völkermord

UNO-Gremium fordert Stopp von Waffenverkäufen an Israel

Freitag, 05. April 2024 | 15:02 Uhr

Von: APA/AFP/dpa/Reuters

Der UNO-Menschenrechtsrat hat angesichts der Lage im Gazastreifen einen Stopp der Waffenverkäufe an Israel gefordert. In einer am Freitag verabschiedeten Resolution verlangte das Gremium, wegen der “möglichen Gefahr eines Völkermords im Gazastreifen” jegliche Waffenlieferungen nach Israel einzustellen. Für die Resolution stimmten 28 der 47 Mitglieder des Menschenrechtsrats, sechs votierten dagegen und 13 enthielten sich der Stimme. Israel kritisierte die Entscheidung.

Es ist das erste Mal, dass der UNO-Menschenrechtsrat Position zu dem seit einem halben Jahr andauernden Krieg zwischen Israel und der radikalislamischen Hamas im Gazastreifen bezieht. Dies sei notwendig, “um weitere Verletzungen von internationalem humanitärem Recht und Menschenrechtsverletzungen zu verhindern”, hieß es in der Resolution. Der Rat hat keine Möglichkeit, die Einhaltung seiner Resolutionen durchzusetzen.

In zwei weiteren Resolutionen forderte der Menschenrechtsrat der Vereinten Nationen einen Bericht zu Israelischen Siedlern sowie die Beachtung des Rechts der Palästinenser auf Selbstbestimmung.

Der UNO-Menschenrechtsrat hat 47 rotierende Mitgliedsländer. Österreich ist aktuell nicht vertreten.

Nein-Stimmen zum Stopp der Waffenverkäufe kamen unter anderem von Deutschland und den USA. Unter den Unterstützern waren etwa Belgien, Finnland und Luxemburg. Die USA begründeten ihre Haltung damit, dass in dem Text die Hamas nicht ausdrücklich für ihren Überfall auf Israel am 7. Oktober verurteilt werde.

Die deutsche Botschafterin Katharina Stasch argumentierte, der Text erwähne die islamistische Hamas nicht, spreche Israel das Recht auf Selbstverteidigung ab und enthalte Vorverurteilungen gegen Israel. Israel müsse allerdings die palästinensische Zivilbevölkerung schützen und Hilfslieferungen zulassen.

Frankreich begründete seine Enthaltung mit der umstrittenen Verwendung des Völkermord-Begriffs. Der Verweis auf Völkermord könne “nicht in einen Text von solcher Tragweite wie eine Resolution dieses Rates aufgenommen werden, ohne dass die Einstufung von einer dazu befugten gerichtlichen Instanz bestätigt worden” sei, erklärte Botschafter Jérôme Bonnafont.

Israels Botschafterin Meirav Shachar kritisierte die Entscheidung mit den Worten, jede Ja-Stimme sei “eine Stimme für die Hamas”. Der palästinensische Vertreter Ibrahim Mohammad Khraishi forderte hingegen ein “Ende des Völkermords”.

In einer Stellungnahme kritisierte auch Israels Außenministerium, dass die Hamas und ihre brutalen Verbrechen am 7. Oktober in der “antiisraelischen Resolution” nicht erwähnt würden. Zudem ignoriere sie die Waffenlieferungen des Irans an die Hamas. Die Resolution gestehe Israel nicht das Recht auf Selbstverteidigung zu.

Der UNO-Menschenrechtsrat hat außerdem einen Bericht zur Gewalt von israelischen Siedlern in Palästinensergebieten in Auftrag gegeben. Eine bestehende Expertenkommission soll die Identitäten von jenen Siedlern und Siedlergruppen feststellen, die die palästinensische Zivilbevölkerung terrorisieren oder einschüchtern, wie das Gremium in einer Resolution forderte. Der Bericht soll in gut einem Jahr vorliegen. Er soll auch beleuchten, ob und wie Israel gegen die Rechtsverstöße vorgeht. Die Resolution wurde mit der Zustimmung von 36 Ländern angenommen, drei Staaten waren dagegen. Deutschland enthielt sich als eines von acht Ländern der Stimme.

Seit der Terrorattacke der Hamas auf Israel im vergangenen Oktober hat das UNO-Nothilfebüro (OCHA) im Westjordanland mehr als 700 Fälle von Siedler-Gewalt mit 17 getöteten und mehr als 400 verletzten Palästinensern dokumentiert. Im Vergleichszeitraum von Oktober 2022 bis April 2023 war es zu etwa 560 solcher Vorfälle gekommen.

Diese Angriffe und der Siedlungsbau im Westjordanland werden als eines der Hindernisse für Bemühungen um eine langfristige Friedenslösung im Nahost-Konflikt gesehen. EU-Außenminister hatten sich im März erstmals auf Sanktionen gegen radikale israelische Siedler im Westjordanland verständigt. Zuvor hatten die Vereinigten Staaten entsprechende Strafmaßnahmen verhängt.

Der Krieg im Gazastreifen wurde durch den beispiellosen Angriff der Hamas auf Israel am 7. Oktober ausgelöst, bei dem nach israelischen Angaben etwa 1.170 Menschen getötet und rund 250 weitere als Geiseln in den Gazastreifen verschleppt wurden.

Israel geht seitdem massiv militärisch im Gazastreifen vor. Dabei wurden nach Angaben des von der Hamas kontrollierten Gesundheitsministeriums, die sich nicht unabhängig überprüfen lassen, inzwischen mehr als 33.000 Menschen getötet.