Der Konflikt im Ostkongo schwelt seit Jahren

UNO: Im Kongo könnte das Schlimmste noch bevorstehen

Freitag, 07. Februar 2025 | 14:03 Uhr

Von: APA/dpa

Für Millionen Menschen in der Konfliktregion im Ostkongo ist trotz eines Abflauens der Kämpfe kein Ende ihres Elends in Sicht. “Wenn nichts unternommen wird, könnte das Schlimmste noch bevorstehen”, warnte der UNO-Hochkommissar für Menschenrechte, Volker Türk, in Genf. “Die Gefahr einer Eskalation der Gewalt in der gesamten Subregion war noch nie so groß wie heute.” In Tansania brieten indes die afrikanischen Staaten in einem Sondergipfel über den Konflikt.

Türk sprach bei einer Sondersitzung des UNO-Menschenrechtsrats zur Eskalation des Konflikts in und um die Großstadt Goma im Osten der Demokratischen Republik Kongo. Der Österreicher, der das Amt seit 2022 inne hat, berichtete von verheerender Gewalt. Sein Büro untersuche Berichte über Massenvergewaltigungen und sexuelle Ausbeutung. Menschenrechtsaktivisten berichteten, sie würden von Rebellen und dem ruandesischen Militär verfolgt. “Ich bin auch besorgt über das hohe Risiko einer Zwangsrekrutierung von Kindern zu Militärdiensten”, sagte Türk.

Sondergipfel der afrikanischen Staaten in Tansania

In der tansanischen Küstenmetropole Daressalam begann unterdessen ein Sondergipfel afrikanischer Staaten über den Konflikt. Bei den Beratungen, zunächst auf Ministerebene, werde nach einem gemeinsamen Weg zur Bekämpfung der Unsicherheit im rohstoffreichen Ostkongo und für regionale Stabilität gesucht, schrieb das Sekretariat der Ostafrikanischen Gemeinschaft (EAC) auf der Plattform X über das gemeinsame Treffen der Staatengemeinschaft. Am Samstag wird auf der Ebene der Staats- und Regierungschefs weiter beraten – dann werden mit dem kongolesischen Präsidenten Félix Tshisekedi und dem ruandesischen Präsidenten Paul Kagame die Vertreter der betroffenen Staaten erwartet.

Vorwürfe gegen Nachbarland Ruanda

Die kongolesische Regierung beantragte eine Untersuchung der Geschehnisse im Ostkongo durch den Menschenrechtsrat, um Verantwortliche für die jüngste Gewalt zur Rechenschaft ziehen zu können. Sie beschuldigte das Nachbarland Ruanda, die M23-Rebellen zu unterstützen und selbst an den Angriffen beteiligt zu sein. M23-Rebellen haben das Gebiet vor wenigen Tagen überrannt und die Kontrolle in Goma übernommen. Nach UNO-Angaben gab es in der Stadt mindestens 2.900 Tote. Laut Regierungsangaben wurden zudem 700.000 Menschen vertrieben.

Ein Vertreter Ruandas sagte im UNO-Menschenrechtsrat (MRR), in Gomas Umgebung seien Waffenlager und Hinweise auf einen bevorstehenden Angriff gefunden worden. Sein Land werde so etwas nicht zulassen. Eine Vertreterin Deutschlands verurteilte die Offensive der M23-Rebellen und verlangte, dass Ruanda sich zurückzieht und die Unterstützung der Rebellen aufgibt. Auch nach Ansicht von UNO-Experten unterstützt Ruanda die M23-Miliz.

Die kongolesische Regierung wirft Ruanda vor, es auf die wichtigen Rohstoffe der Region abgesehen zu haben. Dort werden einige der seltensten und wertvollsten Metalle der Welt abgebaut, darunter Gold, Nickel, Kobalt, Kupfer und das Erz Coltan – vieles, was zum Beispiel für die Herstellung von Smartphones nötig ist. Ruanda wiederum spricht vom Schutz seiner territorialen Sicherheit und der Volksgruppe der Tutsi im Kongo.

Die kongolesische Regierung verlangt von westlichen Ländern mehr Druck auf Ruanda, sich zurückzuziehen, zum Beispiel durch Sanktionen. Tshisekedis Sprecherin sagte am Freitag dem von der UNO betriebenen Rundfunksender “Radio Okapi”, Kongo erwarte von dem Gipfel einen sofortigen Waffenstillstand, eine klare Verurteilung der Aggression, einen Abzug der ruandesischen Truppen und die Übergabe der Stadt Goma an die offizielle Verwaltung.

UNO-Generalsekretär António Guterres rief am Donnerstag zu einer Waffenruhe im Ostkongo auf. “Bringen Sie die Waffen zum Schweigen, stoppen Sie die Eskalation. Wir befinden uns an einem kritischen Punkt und es ist Zeit, sich für den Frieden zu vereinen”, erklärte Guterres.

Mitarbeiter von Schweizer Hilfswerk getötet

Am Donnerstag wurden drei Personen, die Teil eines humanitären Einsatzes waren, bei einem Angriff getötet, wie das Hilfswerk der Evangelisch-reformierten Kirche Schweiz (Heks) mitteilte. Das Hilfswerk unterstütze die Angehörigen der einheimischen Mitarbeiter. Die Projektarbeit im Territorium Rutshuru in Nord-Kivu, wo der Angriff am Mittwoch passierte, werde vorübergehend ausgesetzt. Die Hintergründe werden untersucht. Der Angriff stelle jedenfalls eine schwere Verletzung des humanitären Völkerrechts dar, so das Heks.

Caritas nimmt Nothilfe wieder auf

Trotz der äußerst angespannten Sicherheitslage fuhr die Caritas ihre Nothilfe für Menschen in der Region am Freitag wieder hoch. Die humanitäre Situation in Goma sei “nach den Tagen schrecklicher Gewalt katastrophal”. “Immer noch fallen Schüsse, immer noch kommt es zu Plünderungen und Überfällen, werden Frauen und Mädchen sexuell missbraucht, aber die Hilfen müssen auch unter diesen Umständen so schnell wie möglich wieder anlaufen”, sagte Caritas-international-Referentin Jutta Herzenstiel laut Kathpress. Die Menschen seien völlig unterversorgt, Kinder mangelernährt. Die Bewegungsfreiheit für Hilfsorganisationen scheine “einigermaßen gegeben”, nachdem die Rebellen-Miliz M23 einen Waffenstillstand ausgerufen habe.

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