Von: apa
Wenige Tage vor den Machtwechsel in den USA blickt die scheidende US-Botschafterin Victoria Kennedy mit Sorge auf den weltweit wachsenden Einfluss von Populisten, “die auf einfache und bequeme Antworten setzen”. “Einige Politiker spielen nur mit Ängsten und das bringt vielleicht kurzfristige Bestätigung, löst aber kein Problem”, kritisierte Kennedy im APA-Interview. Sie zeigte sich überzeugt, dass die EU-USA-Beziehungen auch unter Donald Trump “stark” bleiben werden.
Kennedy führte den Zulauf für populistische Politiker auf die “komplizierte” Weltlage zurück, die sich in den vergangenen Jahren “in einer sehr, sehr dramatischen Weise” verändert habe. Es gehe darum, “in diesen komplizierten Zeiten zusammenzuhalten und sich nicht zu vergraben, den Kopf in den Sand zu stecken oder auf einfache Antworten auf die sehr komplexen Fragen hereinzufallen”. Vielmehr sei jetzt “die Zeit für die richtigen Antworten und für tatsächliche Reflexion”.
Konkrete Fragen nach dem ab kommenden Montag amtierenden US-Präsidenten Trump, dem ungarischen Ministerpräsidenten Viktor Orbán oder auch X-Eigner Elon Musk wollte die Witwe des früheren demokratischen US-Senators Edward Kennedy nicht beantworten. Sie sei Diplomatin und weder Politikerin noch Kommentatorin, betonte sie. Auch zu den Ursachen der demokratischen Niederlage bei der US-Präsidentenwahl wollte sich Kennedy nicht äußern. Sie sagte lediglich, dass der Ausgang der Wahl zwischen dem Republikaner Trump und der Demokratin Kamala Harris “einer der knappsten der US-Geschichte” gewesen sei.
USA werden Grönlands Souveränität zu “100 Prozent” achten
An einen Bruch zwischen den USA und Europa nach der Rückkehr von Donald Trump ins Weiße Haus glaubt Kennedy nicht. “Die Beziehung zwischen den Vereinigten Staaten und Europa ist so tiefgründig, und war von Regierung zu Regierung stark”, sagte Kennedy. “Sie war stark während der ersten Trump-Regierung, und sie wird auch während der nächsten Trump-Regierung stark sein.” Kennedy verwies diesbezüglich auf die enorme wirtschaftliche Verflechtung – ein Handelsvolumen von 1,6 Billionen US-Dollar – und die gemeinsamen Werte. Die USA und Europa würden nämlich an Rechtsstaat und Demokratie glauben und hätten “eine gemeinsame Vision davon, wie die Welt sein sollte”. Zwar hätten beide Seiten ihre jeweiligen Interessen, doch sei dies selbst unter besten Freunden der Fall. “Aber Freunde kämpfen sich da durch, und wir haben auch die Mittel dafür, uns durch solche Fragen durchzukämpfen.”
Angesprochen auf die umstrittenen Trump-Äußerungen zu Grönland betonte Kennedy, dass die USA “zu 100 Prozent” die territoriale Integrität anderer Staaten respektieren würden, “einschließlich Dänemarks, das ein Verbündeter ist”. Der Respekt vor der territorialen Integrität sei “ein Grundbaustein des Völkerrechts”, unterstrich Kennedy. Sie sei “absolut zuversichtlich”, dass die Trump-Administration die dänische Souveränität über Grönland achten werde.
Biden wollte Beziehungen zu Europa “revitalisieren”
Kennedy scheidet am kommenden Montag zeitgleich mit US-Präsident Joe Biden aus dem Amt, wenn Trump für seine zweite vierjährige Amtszeit angelobt wird. Als Errungenschaft ihrer dreijährigen Tätigkeit in Wien hob die Witwe des früheren demokratischen US-Senators Edward Kennedy die “Revitalisierung” und “Stärkung” der bilateralen Beziehungen zwischen Washington und Wien hervor. Dies sei auch der Auftrag gewesen, den sie Anfang 2022 von Biden bekommen habe. “Und ich denke, dass sich unser Investment in die bilateralen Beziehungen bezahlt gemacht hat”, sagte Kennedy. Dies habe sich etwa darin gezeigt, wie stark Österreich und die anderen europäischen Staaten auf den russischen Aggressionskrieg gegen die Ukraine reagiert hätten, oder etwa auch nach der Hamas-Attacke auf Israel.
Die Beziehungen zwischen Washington und Wien seien “stark” und würden dies auch in Bezug auf sehr spezifische Diskussionen über die Geheimdienstkooperation bleiben, sagte Kennedy auf die Frage nach möglichen Auswirkungen einer FPÖ-Kanzlerschaft auf diesen Bereich. Anders als etwa deutsche Politiker vermied sie es, die nachrichtendienstliche Kooperation mit Österreich auf den Prüfstand zu stellen.
USA auch unter Trump “ganz auf Kontinuität eingerichtet”
Kennedys Vorvorgängerin Alexa Wesner hatte bei ihrem Abschied im Jahr 2017 gemeint, dass Trump nur “vielleicht zehn Prozent” der Politik des demokratischen Präsidenten Barack Obama verändern werde. Kennedy wollte sich mit Blick auf Trumps zweite Amtszeit nicht auf eine ähnliche Prognose einlassen. Innenpolitisch könnte es zwar “einige Auswirkungen” geben, aber außenpolitisch “sind wir ganz auf Kontinuität eingerichtet”, versicherte sie. Diesbezüglich versuchte sie auch Befürchtungen in Bezug auf das US-Engagement in der NATO zu zerstreuen. Das nordatlantische Bündnis sei “ein Eckpfeiler der Sicherheitsarchitektur der Vereinigten Staaten” und werde im US-Kongress parteiübergreifend “sehr stark” unterstützt. “Wir wissen, dass unsere Sicherheit in der Welt von unseren Freunden abhängt”, betonte Kennedy.
Mit Blick auf die Ukraine bekräftigte Kennedy die Position der Biden-Regierung, “dass in der Ukraine nichts ohne die Ukraine passieren sollte”. Auch müsse es “einen gerechten und dauerhaften Frieden, nicht einfach nur eine Pause” geben, sagte sie auf eine Frage nach einem möglichen Deal zwischen Trump und Kreml-Chef Wladimir Putin. Die scheidende US-Regierung tue alles, um die Ukraine bis zum Machtwechsel in Weißen Haus “in die stärkstmögliche Position” zu bringen.
Zeit in Österreich “wie in einem Film”
Ihrem Nachfolger als US-Botschafter will Kennedy mit Ratschlägen zur Seite stehen, wenn er dies wünsche. “Auch ich habe mit meinem von Präsident Trump nominierten Vorgänger gesprochen, bevor ich hier her kam.” Einen Kontakt mit dem wie sie aus einem US-Südstaat stammenden Immobilienmakler Arthur Graham Fisher habe es aber noch nicht gegeben, weil er noch nicht offiziell nominiert sei, so Kennedy. Ihre drei Jahre in Österreich bezeichnete Kennedy als großartige Erfahrung. “Es war wie in einem Film”, schilderte Kennedy die vielen verschiedenen Erlebnisse in Österreich und hob dabei konkret die “wunderschöne Landschaft” sowie Begegnungen mit jungen Menschen hervor. “Diese Dinge werden mich für immer begleiten.”
(Das Gespräch führten Edgar Schütz und Stefan Vospernik/APA)
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