Vance bei der Münchner Sicherheitskonferenz

US-Vizepräsident Vance beklagt Demokratie-Verlust in Europa

Freitag, 14. Februar 2025 | 21:52 Uhr

Von: APA/Reuters

US-Vizepräsident JD Vance wirft europäischen Regierungen vor, die Demokratie einzuschränken und Angst vor der eigenen Bevölkerung zu haben. In seiner gut 18-minütigen Rede auf der Münchner Sicherheitskonferenz verzichtete Vance am Freitag weitgehend auf die erwarteten Forderungen nach höheren Verteidigungsausgaben und konzentrierte sich fast ausschließlich auf angebliche Demokratiedefizite. In Anspielung auf die AfD sagte er: “Es gibt keine Berechtigung für Brandmauern.”

Zuvor hatte der deutsche Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier die Regierung von US-Präsident Donald Trump aufgefordert, damit aufzuhören, alle Regeln zu brechen. “Selbst die Stärksten, auch die USA, werden in diesem 21. Jahrhundert auf Bündnispartner angewiesen sein.” Demokratie sei kein beliebiges Geschäftsmodell. “Als Demokrat macht es mir größte Sorge, wenn eine kleine unternehmerische Elite die Macht, die Mittel und den Willen hat, einen wesentlichen Teil der Spielregeln liberaler Demokratien neu zu bestimmen”, warnte er. “Und erst recht macht mir Sorge, wenn einige aus dieser Elite aus ihrer Verachtung für Institutionen und Normen unserer Demokratie keinen Hehl machen.”

Vance selbst hatte am Freitagvormittag bei einem Treffen mit Steinmeier noch erklärt, dass “Deutschland ein großartiger Verbündeter der USA” sei. Auch CDU-Chef Friedrich Merz sagte nach einem Treffen mit Vance, dass beide “die besondere Bedeutung der transatlantischen Beziehungen bekräftigt” hätten. Er habe vorgeschlagen, “dass als vertrauensbildende Maßnahme vor Beginn der Gespräche mit Russland ein Waffenstillstand in der Ukraine vereinbart werden sollte”, schrieb Merz auf X. “Es ist fast schon ein übergriffiger Umgang mit den Europäern, insbesondere mit uns Deutschen”, sagte Merz später den Sendern RTL und ntv zur Rede von Vance.

Teil der Botschaften des Vertreters von Trump war auch ein Interview im “Wall Street Journal”, in dem er die Zusammenarbeit mit der AfD und den Stopp der “Massenmigration” fordert. Die neue US-Regierung und ihr Berater, der umstrittene Milliardär Elon Musk, unterstützen rechtsgerichtete Regierungen und Parteien in Europa. Kritik an diesem Kurs weisen sie als undemokratisch zurück. Vance nannte in seiner Rede etwa angebliche Demokratie-Defizite in Ländern wie Großbritannien oder Schweden. “Die Redefreiheit in Europa ist auf dem Rückzug”, sagte er. Tatsächlich gelten aus historischen Gründen seit Jahrzehnten unterschiedliche Regelungen auf beiden Seiten des Atlantiks: In den USA ist beispielsweise offene Nazi-Werbung anders als in Deutschland mit seiner Verantwortung für den Holocaust erlaubt.

Kritik aus Europa an Trumps Kurswechsel der US-Politik

Europäische Regierungen hatten bereits in den vergangenen Tagen den Kurswechsel der US-Politik unter Präsident Trump kritisiert. Der Vorstoß für Verhandlungen mit Russland über die Ukraine erfolgte ohne Abstimmung mit europäischen- und NATO-Partnern. Trump hat zudem Irritationen mit Gebietsansprüchen von Grönland bis zum Gazastreifen ausgelöst. Die Europäer seien sehr wichtige Verbündete, betonte Vance in München, fügte aber hinzu: “Wir glauben auch, dass es wirklich wichtig ist, zu erkennen, dass Europa in Zukunft eine größere Rolle für seine eigene Sicherheit übernehmen muss. Und natürlich wird Deutschland als größte Volkswirtschaft in Europa dabei eine wichtige Rolle spielen.”

Die EU-Außenbeauftragte Kaja Kallas sagte, die Rede von Vance erwecke den Eindruck, dass die USA einen “Kampf” mit Europa austragen wollten. “Wenn man sich diese Rede anhört, versuchen sie, einen Streit mit uns anzuzetteln, und wir wollen keinen Streit mit unseren Freunden anzetteln”, ergänzt Kallas. Die Verbündeten sollten sich auf größere Bedrohungen wie Russlands Aggression gegen die Ukraine konzentrieren.

Scholz widerspricht Vance

Auch Deutschlands Bundeskanzler Olaf Scholz äußerte Unverständnis über die Äußerungen von Vance. “Was hier gesagt wurde, das irritiert und das darf auch nicht einfach wegkommentiert und kleingeredet werden”, sagte der SPD-Politiker im Deutschlandfunk. Scholz betonte: “Wir brauchen eine Brandmauer.” In Deutschland müsse ganz klar sein, dass es mit extrem rechten Parteien wie der AfD keine Zusammenarbeit gebe. Auch sei es gut so, dass man Regeln habe, die zum Beispiel Symbole verbieten, die aus dem Faschismus stammen.

Die Bundesrepublik sei eine Demokratie, die sich erschaffen habe aus der Gegnerschaft zum Nationalsozialismus und zum Faschismus, betonte Scholz. Mit Blick auf die Zukunft der NATO äußerte sich der deutsche Kanzler in dem Interview besorgt und forderte, alles dafür zu tun, dass die Verteidigungsallianz weiter funktionieren könne. Es sei allerdings nun ganz offensichtlich, dass dies keine einfache Aufgabe werde, sagte er.

Der deutsche Verteidigungsminister Boris Pistorius kritisierte die Äußerungen von Vance als “nicht akzeptabel”. “Er spricht von der Annullierung der Demokratie und wenn ich ihn richtig verstanden habe, vergleicht er Zustände in Teilen Europas mit denen in autoritären Regierungen. Das ist nicht akzeptabel”, sagte der SPD-Politiker am Freitag zu Beginn seiner Rede über Sicherheitspolitik in München.

Trump pflichtet Vance bei

US-Präsident Donald Trump pflichtete indes seinem Vize bei und sagte, die Europäer würden ihre Redefreiheit verlieren. Trump sagte vor Reportern in Washington zudem, die Rede von Vance auf der Münchner Sicherheitskonferenz sei gut angekommen. Diese Darstellung stimmt indes nicht mit anderen überein. So hat ein Reuters-Reporter, der sich in einem der Nebenräume der Konferenz aufhielt, wo mehr Delegierte die Rede von Vance hören konnten, gesagt, die Anwesenden hätten fassungslos gewirkt und nicht applaudiert. Vance hatte gesagt, die Redefreiheit in Europa sei auf dem Rückzug. Anders als der chinesische Außenminister Wang Yi hatte Vance keine Fragen zugelassen.

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