Von: apa
Bundespräsident Alexander Van der Bellen ruft die politischen Parteien in Österreich im Vorfeld der EU- und Nationalratswahl im kommenden Jahr zur Vernunft auf. Sein Appell laute, über den Wahlsonntag hinauszudenken, so Van der Bellen in einem Interview mit der “Tiroler Tageszeitung” (Samstagsausgabe). Etwa in Europafragen. “Wo soll sich Österreich europapolitisch verankern?”, gab Van der Bellen zu bedenken. “Bei den Rechtsextremen im Europäischen Parlament?”
Es stelle sich eben die Frage, “ob Österreich mit den Gegnern der Europäischen Union künftig gemeinsame Sache machen” wolle, meinte Van der Bellen. Bezüglich der Frage, ob er FPÖ-Chef Hebert Kickl nach der Nationalratswahl einen Regierungsauftrag erteilen würde, gab sich Van der Bellen zurückhaltend. “Darüber jetzt zu sprechen, dafür ist es noch viel zu früh.” Österreich sei trotz mancherlei Probleme eines der weltweit wohlhabendsten Länder, argumentierte Van der Bellen. Daher sei es schon fraglich, ob es sich etwa Ungarns EU-kritischen Premier Viktor Orbán “als Vorbild nehmen” wolle: “Geht es Ungarn wirtschaftlich so gut?”
Ein Backing kam von Van der Bellen für die eher israelfreundliche Positionierung der türkis-grünen Bundesregierung im Nahost-Konflikt. “Ich finde das Abstimmungsverhalten Österreichs in der UNO richtig”, sagte er. “Und zwar aus historischen Gründen. Österreich hat mit Israel ein ausgezeichnetes Verhältnis. Israel hat mit dem 7. Oktober einen unfassbaren Schock erlebt. Die Brutalität der Hamas ist unbegreiflich, abscheulich.” Doch müsse ein Weg zurück an den Verhandlungstisch führen, fordert der Bundespräsident. “Dort werden nicht nur Israelis und Palästinenser Platz nehmen, sicher auch die USA. Vielleicht kann sich hier auch Österreich als Vermittler einbringen.”
Nicht beurteilen wollte Van der Bellen, ob Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka (ÖVP) sein Amt beschädigt – das sei Aufgabe des Parlaments. “Eine interessante Idee” nannte er die Möglichkeit der Abwahl eines Nationalratspräsidenten durch ein konstruktives Misstrauensvotum. Darüber könnte und sollte man im Parlament diskutieren.