Von: luk
Bozen – Im Landtag wurden heute Anträge von Grünen und Team K zu den Themen Vaterschaftsurlaub und Bürokratieabbau behandelt.
Beschlussantrag Nr. 42/19: Recht auf eine erfüllte Vaterschaft (eingebracht von den Abg. Dello Sbarba, Foppa und Staffler am 5.2.2019); der Landtag möge die Landesregierung verpflichten, 1. in Zusammenarbeit mit dem Beirat für Chancengleichheit, der Gleichstellungsrätin und der Handelskammer eine Informations- und Sensibilisierungskampagne zum Thema Recht auf Vaterschaftsurlaub in die Wege zu leiten; 2. bei der italienischen Regierung vorzusprechen, um die Tage, an denen Väter Anrecht auf einen zu 100 % vergüteten Vaterschaftsurlaub haben, auf mindestens 15 Tage zu erhöhen, wobei der Arbeitgeber in diesem Fall verpflichtet ist, diesem stattzugeben; diese Tage dürfen nicht zum Nachteil der verpflichtenden Mutterschaft gehen oder auf die Mutter des Kindes übertragen werden; 3. das Audit Vereinbarkeit Familie und Beruf verstärkt voranzutreiben, wobei zusätzlich zu den bestehenden Bewertungskriterien neue Standards zur Förderung der Vaterschaftsurlaube vorgesehen werden sollen.
“Aus einer Umfrage des Arbeitsförderungsinstituts AFI geht hervor, dass acht von zehn Vätern mehr Zeit mit den eigenen Kindern verbringen möchten”, erklärte Riccardo Dello Sbarba (Grüne). “Die Anzahl der Väter, die vom fakultativen Vaterschaftsurlaub Gebrauch machen, belief sich 2016 auf 20,5 Prozent, während es 2011 nur 13 Prozent waren. Dies zeigt, dass bei richtigen Voraussetzungen die Väter bereit sind, die Erfahrung der Elternschaft mit den Müttern paritätisch zu erleben. Die eingeschränkten Rechte der Väter, die den Vaterschaftsurlaub beanspruchen möchten, stellen jedoch ein großes Hindernis dar. Für die Privatwirtschaft sieht das Gesetz nur vier Tage Vaterschaftsurlaub vor, der zu 100 Prozent vergütet wird und innerhalb der ersten fünf Monate nach der Geburt des Kindes zu nehmen ist; die Arbeitgeber sind in diesem Fall verpflichtet, den Vätern dieses Recht zu gewähren. Oft wissen viele Väter gar nicht um dieses Recht bzw. um die Pflicht des Arbeitgebers, dieses anzuerkennen.” Europäische Länder mit großzügiger Regelung hätten auch eine höhere Geburtenrate.
Brigitte Foppa (Grüne) verwies auf die großen Unterschiede zwischen öffentlicher Verwaltung und Privatbetrieben. In letzteren würden Mütter oft kündigen, um wieder bei den Kindern zu sein. Das würde sich stark ändern, wenn die Vaterschaftsurlaube stärker gefördert würden. Betriebe, die die Vereinbarkeit von Familie und Beruf gewährleisteten, würden vom Land prämiert, aber es handle sich nicht einmal um einen Betrieb pro Monat.
Peter Faistnauer (Team K) erklärte, dass er zweimal Vaterschaftsurlaub in Anspruch genommen habe. Dem Antrag könne er in den meisten Punkten zustimmen. Nicht alle aber könnten sich den Wartestand leisten.
Sven Knoll (Süd-Tiroler Freiheit) betonte, dass es für alle die gleichen Möglichkeiten geben sollte. Die Familie sollte aber selbst entscheiden können, wer den Elternurlaub in Anspruch nehme. Kinder sollten nicht eine Frage der finanziellen Machbarkeit sein.
Ulli Mair (Freiheitliche) gefiel der Titel des Antrags nicht. Die Inanspruchnahme des Vaterschaftsurlaubs sei nicht gleichbedeutend mit erfüllter Vaterschaft. Ihr Vater sei seinerzeit einer der wenigen gewesen, der mit dem Kinderwagen in die Stadt spaziert sei. Alles hänge von den persönlichen Einstellungen und Gegebenheiten ab. Man stimme Punkt 1 und 3 des Antrags zu, werde sich aber bei Punkt 2 enthalten.
LR Waltraud Deeg bedauerte, dass das Land keine Zuständigkeit bei der Elternzeit habe. Die staatliche Regelung sei 2001 sehr fortschrittlich gewesen im europäischen Vergleich. Es gebe unter anderem einen Bonus für die Väter, der finanziell aber nicht gedeckt sei. Der Vaterschaftsurlaub werde wenig genutzt, zum einen wegen des traditionellen Rollenbildes, das nur mutige Väter beispielgebend durchbrechen könnten, zum anderen wegen der finanziellen Einbußen. Für letztere habe das Land das Familiengeld Plus eingeführt. Sie habe jüngst mit der Familienministerin gesprochen, die eine Erhöhung von 5 auf 7 Tagen angekündigt habe. Auf europäischer Ebene denke man an zehn Tage. Das genannte Audit zur Familienfreundlichkeit sei kompliziert und erfasse nicht alle Betriebe. Jeder der 100 ausgezeichneten Betriebe sei ein Leuchtturm. Sie hoffe, dass viele dem Beispiel folgen. Das Audit sei jedenfalls effizienter als Sensibilisierungsplakate. Dem Antrag werde man nicht zustimmen.
Riccardo Dello Sbarba erinnerte daran, dass das Land für die Punkte 1 und 3 sehr wohl Zuständigkeit habe. Er selbst habe 2 Monate Vaterschaftsurlaub genommen, als er Lehrer gewesen sei. Später, in der Zeitungsredaktion, wäre das nicht leicht möglich gewesen. In der Privatwirtschaft habe man ein eingeschränktes Recht, solange es nicht zur Pflicht werde.
Die Punkte 1 und 3 des Antrags wurden mit 15 Ja und 17 Nein, Punkt 2 mit zehn Ja, 19 Nein und drei Enthaltungen abgelehnt.
Beschlussantrag Nr. 46/19: Nachhaltiger Bürokratieabbau (eingebracht von den Abg. Unterholzner, Köllensperger, Rieder, Faistnauer, Ploner A. und Ploner F. am 5.2.2019); der Landtag möge die Landesregierung verpflichten, 1) Das Bassanini-Gesetz (Staatsgesetz Nr. 127 vom Mai 1997), folglich eine Umkehrung der Bringschuld dahingehend zu fördern, dass die öffentliche Hand sich die Informationen, die sie sich selbst besorgen kann oder gar schon besitzt, nicht mehr beim Bürger einfordert, konsequent umzusetzen. 2) Eine Prüfstelle im Südtiroler Landtag zu integrieren, welche für den Bürokratiecheck und dem Folgekostencheck von Gesetzen und Vorschriften zuständig ist und analysiert welche Belastung eine eingeführte Regelung effektiv verursacht. 3) Unnötige Behördengänge durch ein besseres digitales System und eine konsequente digitale Verwaltung zu vermeiden und dadurch die Bürger/innen von Verwaltungsaufgaben zu entlasten.
“In erster Linie geht es einmal darum, die Bürger und Bürgerinnen vor überhäufter Bürokratie zu schützen und durch eine bessere Rechtsetzung den Verwaltungsaufwand für Unternehmen zu minimieren”, erklärte Josef Unterholzner (Team K). “Dies kann einerseits mit einer Umkehrung der Bringschuld, folglich dadurch, dass nicht mehr die Bürger oder die Unternehmer Dokumente und Informationen liefern müssen, sondern die Öffentliche Hand als Dienstleister nur für Sachen, die sie sich selbst nicht besorgen kann, die Pflicht an das Volk weitergibt, erfolgen. So sieht es das Bassanini Gesetz Nr. 127 vom 15. Mai 1997 betreffend die „Verwaltungsvereinfachung” bereits vor. Andererseits sollten zukünftig Behördengänge vermieden werden, indem das meiste digitalisiert wird. Voraussetzung dafür ist natürlich ein funktionierendes E-Government-System.” Es brauche mehr Vertrauen und mehr Eigeninitiative. Gesetze sollten auf ihre bürokratische Last überprüft werden.
Sven Knoll (Süd-Tiroler Freiheit) sah die Bürokratie in Italien als besonders ausgeprägt, was auch für Südtirol ein Problem sei. Das Problem betreffe die Unternehmen, aber auch die Hausärzte und viele andere Berufe. Man vergeude viel Zeit mit eigentlich unnützen Amtsgängen.
Hanspeter Staffler (Grüne) sah sich zwischen zwei Stühlen, da er ja 20 Jahre Teil der Verwaltung gewesen sei. Es seien die Gesetze, die Bürokratie erzeugten, und die Gesetze würden auch in diesem Hohen Haus gemacht. Die Abg. Noggler und Wurzer hätten in der vergangenen Legislatur einen Antrag für einen Bürokratie-Check der Gesetze vorgelegt (“für die Schublade”, wie Präsident Noggler mitteilte). Es brauche eine rechtliche Basis für den Bürokratieabbau: ein Gesetz über die Gesetzgebung. Der Antrag habe dagegen den falschen Ansatz, daher werde er sich der Stimme enthalten.
Für Paul Köllensperger (Team K) ist das Bassanini-Gesetz der Beweis, dass der Staat seine eigenen Gesetze nicht einhält. Es wäre an der Zeit, wenn wenigstens Südtirol es einhalten würde. Köllensperger kündigte auch einen entsprechenden Gesetzentwurf an.
Ulli Mair (Freiheitliche) erinnerte an den angenommenen Antrag der Freiheitlichen zum Bürokratieabbau und fragte, was daraus geworden sei. Es brauche auch eine Überprüfung der bestehenden Gesetze.
Franz Locher (SVP) wies vor allem auf die Kosten der Bürokratie hin und nannte als Beispiel die EEVE. Bürokratisch sei es auch, wenn man die Einschreibung nicht in der Schule vornehmen könne, sondern daheim digital erledigen müsse. Digitalisierung bedeute nicht unbedingt Vereinfachung. Die Bauämter seien heute überlastet mit digitalen Ansuchen. Wenn man nicht unkomplizierter werde, komme man aus dem Schlamassel nicht heraus.
Bürger anderer Länder würden sich immer wundern, wenn sie mit der italienischen Bürokratie konfrontiert seien, bemerkte Andreas Leiter Reber (Freiheitliche). Die Südtiroler hätten sich daran gewöhnt und ärgerten sich oft schon gar nicht mehr. Es sei unsinnig, wenn die Verwaltung Nachweise verlange, die sie bereits habe. Mit der richtigen Vernetzung könne man dem abhelfen. Die Digitalisierung bringe in den allermeisten Fällen einen Vorteil.
Gerhard Lanz (SVP) wunderte sich darüber, dass man in derselben Sitzung einen Bürokratieabbau fordere und dann neue Studien oder einen zweiten Rechtsweg zu den Berufskammern. Lanz wies darauf hin, dass sich auch die österreichische Wirtschaft über zu viel Bürokratie beschwere. Es gehe darum, was man im eigenen Land tun könne. Man müsse mehr mit Hausverstand vorgehen.
Sandro Repetto (Demokratische Partei) hegte wenig Hoffnung, die Bürokratie zu verringern. Das habe er zuletzt auch am neuen Urbanistikgesetz bemerkt. Wenn man die Rechte aller berücksichtigen wolle, brauche es halt Vorschriften. Alle Regierungen kündigten Bürokratieabbau an, aber das sei schwer.
Die Debatte wird am Nachmittag fortgesetzt.