Von: mk
Branzoll -Mit einem klaren Appell an Politik und Gesellschaft hat der Heimatpflegeverband Südtirol bei seiner 75. Jahreshauptversammlung die Bedeutung verbindlicher Klimaschutzmaßnahmen, eines sorgsamen Umgangs mit natürlichen Ressourcen und einer verantwortungsvollen Raumordnung betont. In ihrer programmatischen Rede forderte Obfrau Claudia Plaikner ein Landesklimagesetz, das dem bestehenden Klimaplan endlich Verbindlichkeit verleiht. Darüber hinaus rückte die Versammlung die Rolle der Heimatpflege als „Lobby für Heimat und Umwelt“ sowie zentrale Bildungs- und Kulturprojekte in den Fokus.
Branzoll als Bühne für Vergangenheit und Zukunft
Die diesjährige Jahreshauptversammlung fand im geschichtsträchtigen Branzoll statt – dem ehemals nördlichsten Flusshafen an der Etsch und bedeutenden Umschlagplatz für Waren aus dem Mittelmeerraum. Zahlreiche herrschaftliche Ansitze und historische Wirtschaftsgebäude im Ortskern zeugen bis heute von dieser Blütezeit. Bei einer Dorfführung sowie einem Festvortrag der Branzoller Heimatpfleger Giorgio Bertinazzo und Günther Pallaver standen die wirtschaftliche, kulturelle und sprachliche Bedeutung des Ortes im Mittelpunkt – insbesondere die historische Flößerei, die auf Initiative des Heimatpflegevereins Branzoll als immaterielles UNESCO-Kulturerbe wiederbelebt werden soll. Der Politologe Günther Pallaver verwies auf aktuelle Entwicklungen, die zeigen, wie über Gemeinden wie Branzoll hinweg entschieden wird – im Fall von Branzoll mit der Bauschuttdeponie, der Kläranlage oder dem geplanten Verladebahnhof. In diesem Zusammenhang würdigte er die Rolle des Heimatpflegeverbandes in dessen 76-jähriger Geschichte: “Die entscheidende Frage ist nicht, was der Heimatpflegeverband erreicht hat, sondern vielmehr: Was wäre alles geschehen, wenn es ihn nicht gegeben hätte?“
„Südtirol braucht ein Landesklimagesetz“
Mit einem Blick zurück auf die Geschichte des Ortes leitete auch Obfrau Claudia Plaikner zu ihrer programmatischen Rede über. Im Zentrum stand dabei die Frage nach der Ausrichtung der Heimatpflege in Zeiten tiefgreifender Umbrüche: „Wohin geht unsere Fahrt – und halten wir die Route?“ Sie verwies auf die großen Herausforderungen unserer Zeit – Klimakrise, Ressourcenverbrauch, Biodiversitätsverlust und soziale Veränderungen – und betonte die Notwendigkeit einer Heimatpflege, „die Orientierung gibt, verwurzelt ist, aber offen für neue Themen“.
„Wir haben einen Klimaplan mit dem ehrgeizigen Ziel der Klimaneutralität bis 2040. Doch was bringt ein Plan, wenn er keine rechtliche Verbindlichkeit hat?“, fragte Plaikner mit Blick auf die stockende Umsetzung. Ihre Forderung war klar: „Wenn Südtirol weiterhin Vorreiter im Klimaschutz bleiben will, müssen wir jetzt ein hochwertiges Landesklimagesetz verabschieden.“
Heimatpflege als Lobby für Heimat und Umwelt
Plaikner fasste ihre Vision des Verbandes in vier Leitbegriffe: Veränderung, Verankerung, Verantwortung und Freude. Diese stehen für eine Heimatpflege, die sich den Herausforderungen der Gegenwart stellt, aus der Tiefe der eigenen Wurzeln Kraft schöpft, Verantwortung für Natur und Gesellschaft übernimmt – und Freude an der gemeinsamen Arbeit findet. Zugleich unterstrich sie die gesellschaftspolitische Relevanz der Heimatpflege: „Der Heimatpflegeverband ist im Verbund mit vielen Organisationen die Lobby für Heimat und Umwelt – und darauf dürfen wir mit Stolz blicken.“
Ein starkes Jahr mit starken Projekten
Geschäftsführer Florian Trojer gab in seinem Bericht Einblick in ein besonders aktives Verbandsjahr – mit der Jubiläumsausstellung „75 Jahre Heimatpflegeverband Südtirol“ in Kooperation mit dem Südtiroler Künstlerbund, dem Festakt zur Aufnahme des Wiesnwasserns auf der Malser Haide in die Liste des immateriellen UNESCO-Kulturerbes, der Wanderausstellung historischer Fenster „ZeitFenster“ und dem Jugendprojekt „Ol(t)s HONDwerk“, das für die gelungene Weitergabe von Brauchtum und Kulturgut mit einem Preis der Südtiroler Bauernjugend ausgezeichnet wurde.
Besondere Aufmerksamkeit erhielt erneut die „Heimatmappe“ – ein Projekt, das inzwischen mehr als 13.000 Schülerinnen und Schüler von der ersten bis zur dritten Klasse der Grundschule begleitet und heimatpflegerische Themen auf spielerische Weise vermittelt. „Dieses Projekt ist ein Riesenaufwand – aber es lohnt sich“, sagte Trojer und bedankte sich beim Amt für Deutsche Kultur sowie der Stiftung Südtiroler Sparkasse für die Unterstützung. Gabriele Crepaz, Vertreterin der Sparkassenstiftung, lobte das gelungene Projekt und sicherte die langfristige Unterstützung für die Heimatmappe zu: „Gute Kinderliteratur erkennt man daran, dass sie auch für Erwachsene funktioniert. Mich hat die Heimatmappe neugierig gemacht – und Neugierde ist das, was uns am Leben hält.“ Die Mappen für die vierten und fünften Klassen befinden sich derzeit in Ausarbeitung.
Achammer: „Ich bin froh, dass es die mahnende und kritische Stimme des Heimatpflegeverbandes gibt“
Landesrat Philipp Achammer betonte in seinem Grußwort die Bedeutung kultureller Verwurzelung gerade in einer Zeit zunehmender Verunsicherung. Kulturgüter – materiell wie immateriell – und Heimat gäben Orientierung, wenn sie offen und inklusiv verstanden würden. Er dankte dem Heimatpflegeverband für die enge Zusammenarbeit beim neuen Kulturgütergesetz, das insbesondere Kleindenkmälern und Strohdächern neue Perspektiven eröffne, und hob die Bedeutung der Vermittlung kultureller Werte an die junge Generation hervor. „Ich bin froh, dass es die mahnende und kritische Stimme des Heimatpflegeverbandes gibt“, so Achammer abschließend.
Gemeinsam Heimat bewahren
Zum festlichen Abschluss stellte Agnes Andergassen, Vorsitzende der Arbeitsgemeinschaft Lebendige Tracht, die „Tracht des Jahres“ vor: Die Überetscher/Unterlandler Frauentracht in lichtem Grün – passend zum sonnenreichen Süden Südtirols – mit rund 3,5 Meter langen, handbestickten Samtbändern. Das Lebensbaum-Motiv am Brustlatz gilt dabei nicht nur als Blickfang, sondern als Glückssymbol für die Trägerin.
Mit einem herzlichen Dank an alle ehren- und hauptamtlich Engagierten schloss Obfrau Plaikner die Versammlung und verblieb beim letzten der vier Leitbegriffe der Heimatpflege, der Freude: „In der Heimatpflege erfahre ich immer wieder, wie groß die Freude ist, im Netzwerk zu arbeiten und gemeinsam Heimat zu bewahren und weiterzuentwickeln.”
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