Von: apa
Serbiens Präsident Aleksandar Vucic kommt aufgrund der Massenproteste in seinem Land immer stärker unter Druck. “Wir werden uns ändern müssen und vieles dazulernen”, sagte Vucic am Samstagabend, nachdem der von Studenten einberufene Großprotest im Belgrader Stadtzentrum abrupt unterbrochen wurde. Vucic stellte nun indirekt vorgezogene Parlamentswahlen in Aussicht. Die Großkundgebung habe seiner Ansicht nach gezeigt, dass die Bürger ihre Behörden durch Wahlen wechseln wollten.
Vucic spielt Teilnehmerzahlen herunter
In seiner TV-Ansprache hat spielte Vucic die Teilnehmerzahl aufgrund von Angaben der Sicherheitsdienste herunter: er sprach von 88.000 bis 107.000 Teilnehmern. Das regierungsunabhängige Archiv der öffentlichen Kundgebungen gab dagegen an, dass sich in Belgrad zwischen 275.000 und 325.000 oder “noch mehr” Anhänger der Studentenproteste versammelt hätten. Da von den Demonstranten praktisch das ganze Stadtzentrum besetzt wurde, konnte man ihre genaue Zahl demnach nicht feststellen.
Die Studenten erklärten ihre Kundgebung für beendet, nachdem kurz nach 19.00 Uhr unter einer größeren Demonstrantengruppe Panik ausgebrochen war. Wodurch diese ausgelöst wurde, konnte an Ort und Stelle nicht festgestellt wurde. Der Militärexperte Aleksandar Radic und der ehemalige Generalstabschef Zdravko Ponos führten den Panikausbruch auf den Einsatz einer Schallkanone zurück, welche die serbische Polizei seit gut zwei Jahren besitzen soll. Bisher wurde sie noch nie eingesetzt. Vucic wies diese Behauptungen als “abscheuliche Lüge” zurück.
Neuwahlen nicht mehr ausgeschlossen
Serbiens Präsident stellte am Samstagabend indirekt vorgezogene Parlamentswahlen in Aussicht. Die Großkundgebung habe seiner Ansicht nach gezeigt, dass die Bürger ihre Behörden durch Wahlen wechseln wollten. Vor einigen Wochen hatte er Neuwahlen noch ausgeschlossen.
Premier Milos Vucevic hatte am 28. Jänner seinen Rücktritt eingereicht. Das Parlament hat ihn bis dato aber noch nicht bestätigt.
Anlass für die Studentenproteste ist der Einsturz des Bahnhofsvordach in Novi Sad, bei dem am 1. November des Vorjahres 15 Personen ums Leben kamen. Nachdem Studenten der Belgrader Fakultät bei einer Verkehrsblockade zur Erinnerung der Unfallopfer von Funktionären der seit 2012 regierenden Serbischen Fortschrittlichen Partei (SNS) angegriffen wurden, kam es Ende November landesweit zur Blockade aller staatlichen Universitäten. Diese hält seither an.
Studenten fordern Offenlegung aller Dokumente
Die Studenten hatten vier Punkte gefordert. Unter anderem soll die gesamte Dokumentation zur Renovierung des Bahnhofgebäudes in Novi Sad veröffentlicht werden. Auch wenn die Behörden bisher tausende Dokumente veröffentlicht haben, fehlen laut Experten der Belgrader Universität weiterhin entscheidende Schriftstücke. Es soll nämlich um jene Dokumente gehen, die auf Korruption hindeuten. Die gut zwei Jahre dauernden Renovierungsarbeiten sollten laut Kostenvoranschlag etwa 3,5 Millionen Euro kosten. Die Endkosten der Renovierungsarbeiten beliefen sich allerdings auf 15 Millionen Euro. Der Bahnhof war im Juli 2024 feierlich für den Verkehr freigegeben worden, obwohl er noch gar keine Genehmigung erhalten hatte. Nach dem Unfall wurde er erneut zur Baustelle erklärt.
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