Erklärung Kompatschers zum Regierungsprogramm

Wahl des Landeshauptmanns: Lebhafte Debatte im Landtag

Donnerstag, 18. Januar 2024 | 13:33 Uhr
Update

Von: mk

Bozen – Am heutigen Donnerstagvormittag ist der Landtag zur Wahl des Landeshauptmannes zusammengetreten. Der Zweite Tagesordnungspunkt, die Namhaftmachung von drei Landtagsabgeordneten als Mitglieder des Einvernehmenskomitees, wurde vertagt.

Zu Beginn der Sitzung gedachte der Landtag eines ehemaligen Präsidiumsmitglieds, das Ende vergangenen Jahres verstorben ist: Helmuth Renzler ist am 11. Dezember 2023 im Alter von 70 Jahren nach einer schweren Krankheit verstorben. Er war von 2013 bis 2023 Landtagsabgeordneter, Präsidialsekretär sowie Mitglieder des III. und des IV. Gesetzgebungsausschusses, ab September 2020 bis zum Ende der XVI. Legislatur Vorsitzender des III. Gesetzgebungsausschusses. Er war auch Mitglied des Einvernehmenskomitees. „Helmuth hat sich stets bemüht, Schnittpunkte zu finden und Risse zu kitten, wobei er immer auf zwischenmenschliche Beziehungen setzte und auf Lösungen, die für die gesamte Gemeinschaft von Nutzen waren“, erklärte Landtagspräsident Josef Noggler. „Mit ihm hat uns ein Politiker mit Leidenschaft verlassen, der nie aufgehört hat, seinen Beitrag für den sozialen Frieden und den Wohlstand in unserem Land zu leisten.“

Präsident Noggler teilte auch die Namen der Fraktionen mit, die sich nach der konstituierenden Sitzung vom 13. November 2023 gebildet haben: SVP – Südtiroler Volkspartei (Vorsitzende M. Amhof), Team K (P. Köllensperger), Süd-Tiroler Freiheit (S. Knoll), Grüne Fraktion – Gruppo verde – Grupa vërda (B. Foppa), Fratelli d’Italia A. Scarafoni), JWA Wirth Anderlan (J. Wirth Anderlan), Die Freiheitlichen (U. Mair), Partito Democratico – PD – Demokratische Partei (S. Repetto), Für Südtirol mit Widmann “FSW” (T. Widmann), Uniti per l’Alto Adige – Lega Alto Adige Südtirol (C. Bianchi), La Civica ( A. Gennaccaro) und Vita (R. Holzeisen). Anschließend erinnerte Noggler an die Bestimmungen zur Wahl des Landeshauptmanns gemäß Art. 66 des Wahlgesetzes. Allen Abgeordneten sei die Regierungserklärung der Koalitionspartner übermittelt worden, die auch die Anzahl der Landesräte enthalte.

Arno Kompatscher (SVP), der von SVP, Fratelli d’Italia, Freiheitlichen, Uniti per l’Alto Adige – Lega Alto Adige Südtirol und La Civica für das Amt des Landeshauptmanns vorgeschlagen wurde, erläuterte vor der Wahl die Regierungsvereinbarung zwischen den fünf Parteien. Seit seiner ersten Wahl zum Landeshauptmann vor zehn Jahren hätten sich sieben Staatsregierungen abgewechselt, es habe Krisen gegeben wie die Pandemie oder den Krieg, die Klimakrise, den demografischen Wandel. All diese habe zu einem Vertrauensverlust beigetragen und zu Spaltungen, was man auch an der Zahl der Landtagsfraktionen wiedererkenne. Die Regierungsmehrheit brauchte auch die Unterstützung von fünf Fraktionen, was komplizierte Verhandlungen erforderte, aber der Zeitplan konnte eingehalten und ein hervorragendes Ergebnis erzielt werden. Im Mittelpunkt der Regierungserklärung stehe die Wiederherstellung der Kompetenzen der Autonomie. Es gebe dazu einen Vorschlag für ein Verfassungsgesetz. Dann gebe es Themen, die den Bürgern am Herzen liegen, wie angemessene Löhne, nachhaltiger Wohnraum, Gesundheitsversorgung, Sicherheit, Vermeidung von Altersarmut, Klimaneutralität, Bürokratie. Wunder seien nicht möglich, aber es werde klar definiert, wie bestimmte Aspekte verbessert werden können. Hier sei die Rolle des Landtages wichtig, den er zur Mitarbeit lade. Die Ausgangslage sei gut und man könne optimistisch sein: Südtirol habe die genannten Krisen dank der Arbeit der Bürgerinnen und Bürger und der Arbeit auf politischer Ebene besser überwunden als andere Regionen in Europa; allerdings könnten Krisen nur durch die Überwindung der Brüche innerhalb der Gesellschaft überwunden werden – was auch gegenseitigen Respekt im Rat erfordere. Dazu brauche es die Mitarbeit aller, im gegenseitigen Respekt.

Er hätte sich in der Rede mehr Inhalte erwartet, bemängelte Sven Knoll (Süd-Tiroler Freiheit) und wies darauf hin, dass diese Sitzung unter Polizeischutz stattfinde. Es sei ein historischer Moment, man gehe eine Koalition ein mit den Nachfolgern der Faschisten. Es hätte politische Alternativen gegeben, um aus Verantwortung für die Autonomie geradlinig zu bleiben. Aber man habe sich erpressen lassen und einen “Pakt mit dem Teufel” abgeschlossen. Er frage sich, wie man die Autonomie ausbauen könne, wenn in der Landesregierung Leute säßen, die die Schutzfunktion Österreichs leugnen, die die Südtiroler Freiheitskämpfer Terroristen nennen. Viele Leute im Lande seien enttäuscht, auch von Kompatscher, der anfangs höchstens nur zehn Jahre bleiben wollte. Auch das schade der Glaubwürdigkeit, ebenso die Entscheidungen im Vorfeld dieser Sitzung, etwa bei der Einberufung. Man signalisiere damit, dass der Landtag nicht so wichtig sei. Man bastle nun an einer Koalition der Verlierer, damit jene, die vom Volk gewählt wurden, nicht ihrer Aufgabe nachkommen könnten – eine Missachtung des Wählerwillens, für die die derzeitige Regierung die Verantwortung trage. Diese Art des Regierens tue dem Land nicht gut, Südtirol verliere damit seine politische Glaubwürdigkeit, auch nach außen. Die Süd-Tiroler Freiheit werde keine Koalition unterstützen, in der Faschisten säßen und in der der Landeshauptmann den Wählerwillen missachte.

Mit der Regierungserklärung habe man sich festgelegt, mit wem man dieses Land regieren wolle, erklärte Brigitte Foppa (Grüne), dies sei eine Entscheidung von Kompatscher gewesen, der vor zehn Jahren angetreten sei, um eine Zeitenwende einzuleiten, hin zu mehr Demokratie und Bürgerbeteiligung. Auch in der Integrationspolitik hätte Kompatscher andere Zeichen setzen können, stattdessen habe er sich bei Meloni um ein Abschiebezentrum bemüht. Auch beim Kampf um Bürgerrechte und gegen Diskriminierung vermisse man Einsatz. Der Kampf gegen den Klimawandel sei nur vorgetäuscht, es fehle dazu ein Kapitel in der Regierungserklärung. Es habe Proteste gegeben, die Kompatscher sicher weh getan hätten. Dass er sich jetzt als Garant für Werte ausgebe, nehme man ihm nicht ab. Foppa kritisierte auch, wie man mit den Koalitionspartnern und damit mit der italienischen Sprachgruppe umgegangen sei. Das sei vor 5 Jahren schon so gewesen – damals habe niemand protestiert, heute sei das Vertrauen verloren. Die Menschen hätten bei den Wahlen nicht über die Autonomiereform abgestimmt, das sei eine alleinige Entscheidung Kompatschers gewesen.

Man habe nun die Gewissheit darüber, was sich abgezeichnet habe, bemerkte Paul Köllensperger (Team K), dass es eine Koalition mit den Rechten wird. Es gehe der SVP nur um die Machterhaltung. Die Ideale von Transparenz und Nachhaltigkeit seien vergessen, dabei habe Kompatscher vor 10 Jahren viel Vorschussvertrauen gehabt. Es sollte ihm zu denken geben, wenn die Leute dagegen auf die Straße gingen. Er fragte, ob Werte keine Rolle mehr spielten. Es zählten allein die Beziehungen nach Rom. Wer mit dem Teufel paktiere, müsse seine Seele verkaufen. Die Rechtsparteien hätten im Koalitionsprogramm alles erhalten, was sie gefordert hätten, genauso werde es bei den SVP-Bezirken gehen. Kompatscher hätte die Wahl gehabt, er hätte sich auch für eine andere Koalition entscheiden können. Er habe sich von Rom erpressen lassen. Er wolle nun ein Garant gegen rechtes Gedankengut sein, aber wie wolle er sich damit durchsetzen? Die Autonomie zusammen mit den Postfaschisten kitten, das sei keine kluge Strategie. Wie wolle er das den Großeltern erklären, die unter dem Faschismus gelitten hätten? Durch eine Elferregierung werde der Landtag weiter geschwächt, Respekt vor dem Landtag gebe es schon lange nicht mehr. Aus dem Hoffnungsträger sei ein Gefallener geworden, er werde in die Geschichte eingehen als jener, der den Postfaschisten die Tür geöffnet habe. Auch die SVP werde daraus nicht schadlos hervorgehen. Kompatscher habe seine Wähler getäuscht, er stehe sich nun selber im Wege.

Maria Elisabeth Rieder (Team K) wollte ihre Diplomatie zur Seite legen. Nach fünf Jahren sei sie enttäuscht von seiner Art, Politik zu betreiben. Die letzten drei Monate seien von Machterhalt und Kampf um die Posten geprägt, Kompatscher habe sich vorführen lassen, von Rom, von den Koalitionspartnern und von den Mächtigen in der Partei. Die Sondierungsgespräche seien Makulatur gewesen, das Ergebnis sei bereits mit Rom abgesprochen gewesen. Im Jahr 2013 hatte sich Kompatscher als großer Hoffnungsträger präsentiert, aber zwischen Worten und Taten liegen Welten, und das Bild der Politik, das in den letzten Wochen vermittelt wurde, war voller Ungereimtheiten, die von den Bürgern bemerkt wurden, von denen viele ihn als Garanten für eine Regierung der Mitte gewählt hatten. Rieder zitierte die kritischen Äußerungen Kompatschers zu Fratelli d’Italia und fügte hinzu, dass die Bürger neben der Autonomie auch andere Probleme wie unzureichende Löhne, unbezahlbaren Wohnraum usw. hätten, die aber verschwunden seien. Als Wertegarant sei er nicht überzeugend bei dieser Verhandlungsführung. In diesem Zusammenhang tue er so, als sei er ein Alleinherrscher, aber er habe dieses Koalitionsprogramm mit den Werten der Koalitionspartner mitzutragen. Vertrauen stehe bei vielen ganz oben auf der Werteskala, es sei leicht zu verlieren und fast unmöglich wieder zu gewinnen. Sie vertraue ihm nicht mehr.

Bernhard Zimmerhofer (Süd-Tiroler Freiheit) kritisierte die Größe der Regierungsmannschaft, die Schweiz komme mit 7 Ministern aus. Kompatscher sei nicht mehr glaubwürdig, das hätten die Koalitionsverhandlungen gezeigt, aber bereits sein nicht eingehaltenes Versprechen, nur zehn Jahre im Amt zu bleiben. Er habe in der Corona-Zeit das Land gespalten, er habe seine Partei gespalten, in seiner Amtszeit hätten Tausende junge Leute das Land verlassen, und es gebe eine schleichende Italianisierung in allen Bereichen. Es werde bei der Wahlschlappe vom Oktober nicht bleiben, die SVP-Wähler würden immer älter und irgendwann aussterben. Nun wolle er mit ultranationalistischen Kräften die Autonomie ausbauen, da würden die Hühner lachen. Zimmerhofer kritisierte auch die Freiheitlichen für ihre Regierungsbeteiligung.

Sandro Repetto (Demokratische Partei) berichtete, er habe KI angewandt, um eine Präambel für ein Koalitionsprogramm mit dieser Koalition zu schreiben. Es sei ungefähr dasselbe herausgekommen, was diese Koalition vorgelegt habe, aber dafür habe es nicht drei Monate gebraucht. Die Koalition vertrete 37 Prozent der Bevölkerung, nicht die Mehrheit, das müsse man sich immer vor Augen halten. Kompatscher habe die Autonomie Rom überantwortet, anstatt die Bürger einzubinden, die andere Prioritäten hätten, etwa bei der Mehrsprachigkeit. Diese Regierung entstehe unter dem Vorzeichen von Opportunismus und Zynismus, in Absprache mit Rom. Man habe den italienischen Partnern die Auswahl ihrer Landesräte überlassen und damit gezeigt, dass die Italiener die SVP nicht interessierten. Kompatscher tue sich mit den Erben Urzìs zusammen, der mit einem Referendum den Friedensplatz verhindert hätte und der stets die faschistischen Denkmäler verteidige. Man befinde sich mitten in einer globalen Krise, die den Bezug auf ganz andere Werte erfordern würde. Stattdessen verbünde man sich mit den Freunden Orbans und den Feinden Europas.

Die SVP habe in ihrer Führungsschwäche eine strategische Fehlentscheidung getroffen, meinte Madeleine Rohrer (Grüne). Die Regierungserklärung sei nebulös und vage. Es stehe der Kampf gegen Gewalt an Frauen drin und die Nachhaltigkeit, aber das sei ein Mindestmaß. Man werde sich in diesen Fragen auf Stillstand einstellen müssen, wenn in dieser Koalition Leugner des Klimawandels säßen. Diese Rechts-Rechts-Koalition sei eine bewusste Entscheidung des Landeshauptmanns, man such ein Auskommen mit Rom, während das, was in Südtirol passiere, nur zweitrangig sei. Es seien andere Koalitionen möglich gewesen, aber dann hätte die SVP einen weiteren deutschen Landesrat abgeben müssen – daran erkenne man, um was es gegangen sei. Nach fünf Jahren mit der Lega müsse man bereits Stillstand feststellen, bei den Lebenshaltungskosten, bei der Sanität, bei der Abwanderung der Jungen. Das autonome Südtirol mache seine Entscheidungen vom Einvernehmen mit Rom abhängig, das habe nichts mit Autonomie zu tun. Dafür trage der Landeshauptmann die Hauptverantwortung. Das Programm trage eine rechte Handschrift, das erkenne man auch daran, was nicht erwähnt werde. Unter dem Vorwand der Entbürokratisierung würden Dienste abgebaut und die Macht der Landesregierung ausgebaut. Das werde man bald bei der Raumordnung erkennen. Der Landeshauptmann habe den Landtag um Zusammenarbeit gebeten, dazu brauche es aber auch den Respekt der Landesregierung vor dem Landtag.

Jürgen Wirth Anderlan (JWA) sah die Koalitionsverhandlungen als Castingshow. Er frage sich, ob diese ungewöhnliche Liebesbeziehung imstande sei, das Ruder herumzureißen, oder ob es weiter abwärts gehe. Im neuen Koalitionsprogramm stehe nicht viel anderes als im alten. Anstatt die Coronajahre aufzuarbeiten, eines der größten Verbrechen der letzten Jahre, werde eine sozialwissenschaftliche Studie angekündigt. Man studiere lieber die Gendersprache als für mehr Sicherheit für die Frauen zu sorgen. Heute würden Unsummen für Waffen ausgegeben, während die Bürger nicht bis zum Monatsende kämen. Er hoffe, dass Kompatscher bald in sein Heimatdorf zurückkehren könne.

Luis Walcher (SVP) kritisierte die Töne Wirth Anderlans. Er verteidigte das Programm, das ein Ergebnis intensiver Arbeit sei, und bemängelte, dass man die Regierung kritisiere, ohne auf das Programm einzugehen. Der Vertrauensverlust rühre auch von solcher inhaltsloser Kritik her. Die SVP habe die Autonomie aufgebaut, im ständigen Austausch mit Österreich. Nun wolle man wieder herstellen, was man vor der Verfassungsreform 2001 hatte. Es gehe nun bei der Regierungsarbeit, die den Menschen unter den Nägeln brennen, um die Abwanderung der Jugend, um die Sanität, die von anderen geschätzt werde, um den ländlichen Raum u.a. Man werde dieses Programm mit Begeisterung und dem nötigen Schwung umsetzen. Die SVP habe bis jetzt für die Menschen in diesem Land gearbeitet und sie werde es weiter tun.

Weitere Beiträge in der Debatte

Angelo Gennaccaro (La Civica) wies darauf hin, dass eine Ära zu Ende gehe und er sich entschlossen habe, die betreffende Koalition zu unterstützen, da nur eine Regierung mit einem soliden Fundament die Entwicklung der Provinz garantieren könne. Die Civica habe die Pflicht, das Wahlprogramm umzusetzen, in das die Wähler ihr Vertrauen gesetzt hätten: Das Programm sei nicht rechtslastig. Das Votum der Bürger, die sich für die Partei mit der relativen Mehrheit entschieden hatten, müsse respektiert werden, und man habe Vertrauen in Präsident Kompatscher, in seine unermüdliche Arbeit und in seine Werte. Die Entscheidung, der Koalition beizutreten, sei nicht leicht gefallen, aber man werde als Garant dafür auftreten, dass der Balken in der Mitte bleibe. Die Entwicklung der Autonomie konnte nur nach der Wiederherstellung der Standards der Streitbeilegungserklärung erfolgen, in Zusammenarbeit mit der 6er-Kommission und den Parlamentariern. Die Arbeit von Kompatscher sei schwierig, aber er sei der Aufgabe gewachsen: Er glaube an ein europäisches, offenes Südtirol, das in der Lage sei, extremistische Tendenzen zu entschärfen.

Zeno Oberkofler (Grüne) erinnerte an die Versprechungen, die ihm Kompatscher zur Klimapolitik gemacht habe. Dieses Vertrauen sei nun enttäuscht worden, er habe sich von jenen abgewandt, die ihn unterstützt hätten, und sich jenen zugewandt, die den Klimawandel leugneten. Jetzt gebe es keine Entschuldigung mehr, Kompatscher habe bewusst eine bestimmte Richtung eingeschlagen. Die letzten drei Monate seien ein Trauerspiel gewesen, der Streit um die Gutachten, die Kundgebungen, der Kampf um die Posten. Diese Koalition sei ein Affront gegen jene, die gegen den Faschismus bekämpft hätten, man mache homophobe, rassistische, rechtspopulistische Aussagen salonfähig. Südtirol werde derzeit von Europa genau beobachtet und könne sich nicht mehr als europäisches Modell verkaufen. Kompatscher werde vielleicht in Erinnerung bleiben als derjenige, der das Statut reformiert habe, aber sich auch als derjenige, dem der Mut zur Führung fehlte.

Christian Bianchi (Uniti per l’Alto Adige – Lega Alto Adige Südtirol) erinnerte daran, dass auch in Leifers die Linke vor der Koalition mit den Rechten gewarnt hatte, aber man habe gesehen, dass die Welt nicht untergegangen sei und dass man gut regiert habe. Nun habe man seriös an einem Regierungsprogramm gearbeitet, und die Koalitionspartner würden regelmäßig darüber wachen, dass es umgesetzt werde. Es sei historisch, dass die Autonomie ins Zentrum der Regierungsarbeit gerückt werde, und dazu gebe es auch Zusagen von Rom, Zusagen, die die Mitte-Links-Regierungen nicht gegeben hätten. Das Regierungsprogramm enthalte zahlreiche Aussagen zu Themen, die den Bürgern wichtig seien, die Einbindung der Civica bezeuge auch, dass die Bedürfnisse der Städte ein besonderes Anliegen seien. Man werde auch mehr für den Zusammenhalt unter den Bürgern tun müssen, wenn diese nicht mehr an die Politik glaubten, würden alle verlieren. Man habe um zwei Landesräte für die Italiener gekämpft, weil einer allein diesen Auftrag nicht ausfüllen könne, wie man in der Vergangenheit gesehen habe. Die Autonomie sei für alle Sprachgruppen da.

Alex Ploner (Team K) erinnerte an die Wahlkampfaussage, dass Südtirol ein besonderes Land sei, und fragte, warum man dann diese Koalition eingehe. Der SVP gehe es um den Machterhalt, dafür würden viele Prinzipien über Bord geworfen, was man z.B. auch an der Rodelbahn Cortina sehen könne, eine verpasste Gelegenheit, die Euregio einzubinden. Rom bestehe nun unter dem Motto „siamo italiani“ auf Cortina, und mit solchen Leuten gehe Kompatscher eine Koalition ein. Auch andere Bauten in Zusammenhang mit Olympia entsprächen nicht den Versprechungen. Kompatscher habe verbrannte Erde hinterlassen, daher tue er sich schwer mit einem Vertrauensvorschuss. Am Ende des Regierungsprogramms lade man alle zur Mitarbeit ein, auch die Opposition. Das habe auch im letzten Programm gestanden, aber die Vorschläge der Opposition seien immer niedergestimmt worden. Laut Medien habe die SVP bereits im Vorfeld beschlossen, alles vom Team K abzulehnen. Viele Aussagen im Programm passten nicht mehr zu der einstigen Losung vom modernen, weltoffenen Südtirol.

Marco Galateo (Fratelli d’Italia) erklärte, er habe noch nie so viel über Faschismus reden gehört. Eigentlich sei man hier, um den Landeshauptmann zu wählen, aber niemand gehe auf die Inhalte des Regierungsprogramms ein. Kompatscher habe von Anfang an erklärt, dass er derselbe geblieben sei und bleiben werde. Die Wähler hatten ihre Vertreter gewählt, und der Landtag hatte die Pflicht, auf das Mandat zu reagieren. Es wurde viel Arbeit geleistet, um eine Mehrheit zu schaffen, die vier von fünf Italienern im Rat umfasste, was sicherlich keine Hegemonie über die italienische Gruppe darstellte. Es sah also eher nach einem Komplex von Verlierern aus, die die Wahl verloren hatten, weil sie, anstatt sich auf die Bedürfnisse des Volkes zu konzentrieren, über Faschismus redeten. In Wahrheit hatten die SVP-Vertreter bei der Diskussion der Vorschläge gesagt, die Vorschläge der Fratelli d’Italia klängen links: In Wirklichkeit waren es nur Vorschläge, die an die Bedürfnisse des Volkes und die Zukunft der Provinz dachten, ohne die Werte der Zugehörigkeit zu einer Nation zu leugnen. Kompatscher habe das Vertrauen seiner Fraktion, weil er gezeigt habe, dass er Divergenzen überwinden könne.

Hannes Rabensteiner (Süd-Tiroler Freiheit) sagte nein zu einem Landeshauptmann, der sich von Rom erpressen lasse, der die Zuwanderung fördere, indem er allen Gemeinden die Aufnahme vorschreiben wolle, der nichts getan habe für die Bürger, die nicht bis ans Monatsende kämen, der die Italianisierung zulasse und nur an Posten denke.

Rosmarie Pamer (SVP) zeigte wenig Verständnis für das politische Spiel, alles zu kritisieren, auch wenn im Regierungsprogramm wichtige Dinge stünden. Es sei ihr eine Ehre, mit Kompatscher zusammenarbeiten, den sie bereits seit seiner Zeit als Präsident des Gemeindenverbandes kenne. Sie schätze seinen Einsatz für Land und Bürger, er stelle sich vorbehaltlos in den Dienst für die Mitbürger. Er habe Schwächen, aber viele Vorzüge. Pamer kritisierte dieses beleidigende Trauerspiel. Seit zehn Jahren halte Kompatscher den Kopf hin, wenn es in diesem Lande brenne, und es habe mehrmals gebrannt. Sie fragte, wer sonst diese Rolle übernehmen könnte: jemand, der bei den Sondierungsgesprächen plötzlich einen Rückzieher mache, oder jemand, der zuerst Bedingungen stelle und sich dann nicht an die eigenen Versprechungen halte. Kompatscher sei der richtige Mensch zur richtigen Zeit.

Anna Scarafoni (Fratelli d’Italia) meinte, dass Neuerungen stets auf Widerstand stießen. Diese Koalition sei ein absolutes Novum. Man habe lange und intensiv über jedes Detail des Programms geredet, im Respekt vor anderen Personen und ihren Überzeugungen und ihrer Geschichte. Das Ergebnis sei eine Synthese. Kompatscher sei immer noch ein Hoffnungsträger, er habe in den Verhandlungen die Fähigkeit gezeigt, Divergenzen zu überwinden. Daher stimme sie mit Überzeugung für ihn.

Sie sei lange genug auf der Oppositionsbank gesessen, um die Stellungnahmen der Opposition einordnen zu können, bemerkte Ulli Mair (Freiheitliche). Derzeit erlebe man in Italien eine Debatte, in der die Rechtsparteien für Föderalismus und die Linksparteien für Zentralismus einträten. Südtirol müsse in dieser Debatte mitwirken und dürfe die Entscheidung nicht anderen überlassen. Auch in Europa gehe es um eine Grundsatzdebatte, um mehr Zentralismus da und mehr Subsidiarität dort. Unser Land werde nicht durch schöne Worte verbessert, sondern durch konkrete Maßnahmen. Die Freiheitlichen hätten in harten Verhandlungen darauf bestanden, dass die wesentlichen Themen ins Programm einfließen: Ehrenamt, Einwanderung, Wohnbau u.a. Im Landtag seien mehr bzw. weniger konstruktive Bewegungen vertreten, die Freiheitlichen würden auf konkrete Maßnahmen setzen. Diese Koalition sei eine pragmatische, nüchterne Arbeitskoalition. Das Versteifen auf Symbole und Ideologie überlasse man anderen.

Ein Rechts-Links-Geplänkel könne man von ihr nicht erwarten, erklärte Renate Holzeisen (Vita), der Autoritarismus habe ein neues Gesicht bekommen. Sie könne nicht für diesen Landeshauptmann stimmen, der in den vergangenen Jahren autoritäre Maßnahmen ergriffen habe, die nachhaltige Schäden hinterlassen hätten. Man müsse diese Autonomie gerade heute vor Attacken von außen schützen, und davon merke man im Koalitionsprogramm nicht. Im Zivilschutzbereich, der bei den Coronamaßnahmen eine wesentliche Rolle gespielt habe, riskiere man den Verlust der Zuständigkeit ab Mai, wenn Italien sich nicht gegen diesen Eingriff wehre. Die Bevölkerung wisse nicht, was für Auswirkungen diese internationalen Gesundheitsvorschriften auf Südtirol haben würden. In Zukunft würde der Direktor einer vorwiegend privatfinanzierten internationalen Organisation die Entscheidungen treffen. Das Bewusstsein darüber fehle ihr sowohl bei der Koalition wie auch zum Großteil bei der Opposition. Wesentlich für eine Demokratie seien freie Medien, daher sei sie sofort aufgesprungen, als sie vom zunächst geplanten Medienbeirat gehört habe. Die Medien würden bereits jetzt in die Schranken gewiesen, wenn es um angebliche Falschinformationen gehe. Was eine Falschinformation sei, zeigten die Fakten und die Dialektik unter den Medien, die man allerdings in den letzten Jahren vermisst habe. Holzeisen kritisierte auch jenen Passus im Programm, der sich gegen bilingualen Unterricht in der deutschen Schule ausspreche – gerade im städtischen Gebiet sei ein solcher Unterricht gefragt. Sie werde die Regierung immer dann unterstützen, wenn sie sinnvolle Maßnahmen sehe, sie werde aber gegen Fehlentscheidungen kämpfen.

Myriam Atz Tammerle (Süd-Tiroler Freiheit) sah in dem Koalitionsprogramm keinen Inhalt. Viele Versprechungen, die in den letzten Jahren gemacht wurden, würden nicht mehr erwähnt. Es gebe keine Sicherheit, für die Frauen, beim leistbaren Wohnen, bei der Gesundheitsversorgung, bei den Renten, bei den Lebenskosten. Eine Studie habe belegt, wie weit die angeblich beste Autonomie bereits beschnitten wurde. Es seien viele Versprechen gegeben worden, nichts sei gehalten worden, das könne man auch am Wahlergebnis ablesen. Diese Landesregierung bestehe hauptsächlich aus Wahlverlierern, das entspreche nicht dem Wählerwillen. Es sei daher kein Wunder, wenn das Vertrauen der Wähler verloren gehe. Daher werde ihre Fraktion nicht für Kompatscher stimmen.

Bezirk: Bozen