Von: luk
Bozen – Zur Wahl gehen und mitentscheiden – solche und ähnliche Wahlaufrufe hört und sieht man jetzt kurz vor der Landtagswahl häufig. Doch was bewirkt es eigentlich, wenn jemand nicht wählen geht oder gar weiß oder ungültig abgibt? Südtirol News hat beim Politikwissenschaftler Univ. Prof. DDr. Günther Pallaver nachgefragt und einige interessante Antworten und Fakten erhalten.
Nicht-Wähler: Es gibt mehrere Ursachen
Pallaver erklärt, dass Nicht-Wählen von unterschiedlichen Faktoren abhänge: “Nicht alle interessieren sich intensiv für Politik, es ist dies eine Grenze der Partizipationsbereitschaft und somit der Politik.”
Nicht ihr Kreuzchen würden auch Personen machen, die eine soziale Mehrfachbindung aufweisen, schildert der Universitätsprofessor. „Zumindest früher haben die deutschsprachigen Südtiroler in der Regel die SVP gewählt, weil man einer ethnischen Minderheit angehörte. Die Ökologie war früher nicht gerade ein SVP-Thema. Wer plötzlich zwischen ethnischer Loyalität und ökologischer Überzeugung eingeklemmt war, der ging dann oft gar nicht zur Wahl. Wir nennen diese cross pressures.“
Nicht-Wähler könnten aber auch aus Gründen des Protests oder der Gebrechlichkeit (ältere Leute) der Wahl fernbleiben, so Pallaver.
Man könne außerdem nicht von der Wahlbeteiligung auf die Qualität der Demokratie schließen. „Die Einschätzung, dass Demokratien mit einer niederen Wahlbeteiligung instabil seien, ist irrig. Die geringe Wahlbeteiligung bei den Präsidentschaftswahlen in den USA im Jahr 1932 und die hohe Wahlbeteiligung bei der Wahl in Deutschland im selben Jahr zeigen dies. Stabile Demokratie in den USA, 1933 die Diktatur Hitlers.“
Weiß und ungültig: Meist steckt Protest dahinter
Wer weiß und ungültig wählt, der tut dies, laut Pallaver, meist aus Protest. „Dadurch, so denken diese Wähler, kommt die Unzufriedenheit mit den politischen Parteien und der Politik insgesamt weit klarer zum Ausdruck, als wenn man gar nicht wählt. Es ist also Ausdruck des Protestes, hat aber in der Regel keinen Einfluss auf das Wahlergebnis“, so der Politikwissenschaftler.
Nicht-Wählen hat in Südtirol Auswirkung auf Sitzverteilung
Anders verhalte es sich jedoch in Südtirol beim Nicht-Wählen: Denn Wählen oder Nicht-Wählen habe Auswirkungen auf die Sitzverteilung unter den Sprachgruppen.
„Das haben wir sehr schön bei den letzten Landtagswahlen sehen können. 2013 gingen rund 80 Prozent der deutschsprachigen-, aber nur rund 60 Prozent der italienischen Wähler an die Urnen. Das hat zur Verschiebung eines Mandats, das bislang von den Italienern besetzt wurde, hin zu einem zusätzlichen Mandat zugunsten der deutschsprachigen Bevölkerung geführt.“ Für die Vertretung der italienischen Bevölkerung habe das Nicht-Wählen somit eindeutige negative Auswirkungen gehabt, erläutert Pallaver.
Bei den Landtagswahlen am Sonntag könnten sich die Italiener dieses vor fünf Jahren verlorene Mandat zurückholen und womöglich noch um ein weiteres aufstocken. Die SVP-Strategen gehen nämlich davon aus, dass man die derzeit 17 Mandate wohl nicht wird halten können, da die Wahlbeteiligung innerhalb der italienischen Bevölkerung ansteigen dürfte. Besonders der Lega wird ein Erfolg zugetraut.