Die Proteste nach den Wahlen halten in Venezuela unvermindert an

Weitere Proteste nach Präsidentschaftswahl in Venezuela

Mittwoch, 31. Juli 2024 | 16:20 Uhr

Von: APA/Reuters/dpa

Nach der umstrittenen Präsidentschaftswahl in Venezuela kämpft die Opposition weiter für einen Machtwechsel und einen Rückzug des autoritären Präsidenten Nicolás Maduro. Dieser kann unverändert auf den Rückhalt des Militärs zählen, das ihm Loyalität zusicherte. Tausende Regierungsgegner gingen am Dienstag in der Hauptstadt Caracas auf die Straße und protestierten gegen das aus ihrer Sicht manipulierte Wahlergebnis, das den seit 2013 regierenden Maduro als Sieger ausweist.

Die Demonstranten skandierten “Wir haben keine Angst” und bejubelten ihren Präsidentschaftskandidaten Edmundo González Urrutia. Bei den Protesten kamen nach Angaben von regierungsunabhängigen Organisationen landesweit bisher mindestens elf Demonstranten ums Leben. Hunderte wurden nach offiziellen Zahlen festgenommen.

Die Streitkräfte, die in dem südamerikanischen Land ein wichtiger Machtfaktor sind, sicherten Maduro unterdessen ihre Unterstützung zu. “Wir bekräftigen die absolute Loyalität und bedingungslose Unterstützung für den Bürger Nicolás Maduro Moros, den verfassungsmäßigen Präsidenten der Bolivarischen Republik Venezuela, unseren Oberbefehlshaber (…)”, sagte Verteidigungsminister Vladimir Padrino López. Das Militär werde notfalls “schlagkräftig” vorgehen, um die Ordnung aufrechtzuerhalten. “Wir haben es mit einem Staatsstreich zu tun, der von den faschistischen Kräften der extremen Rechten mit Unterstützung der imperialen Kräfte, des US-Imperialismus, angezettelt wurde”, sagte Padrino. “Wir werden diesen Staatsstreich vereiteln.” Schon bei früheren Protesten konnte Maduro sich auf das Militär verlassen.

In Caracas rief Oppositionsführerin María Corina Machado unterdessen ihren Anhängern zu, das wahre Ergebnis der Wahl sei eindeutig und nicht verhandelbar. “Das Einzige, über das wir zu verhandeln bereit sind, ist eine friedliche Machtübergabe.” Die Opposition hat nach eigenen Angaben Zugang zu über 80 Prozent der detaillierten Wahlergebnisse aus den einzelnen Stimmbezirken, die der Nationale Wahlrat bisher nicht veröffentlicht hat. Demnach soll González auf 67 Prozent der Stimmen und Maduro auf 30 Prozent kommen. Die Regierung bezeichnet die Demonstrationen als Putschversuch. Präsident Maduro warf der Opposition in einer Fernsehansprache vor, Gewalt zu schüren. Der Vorsitzende des regierenden sozialistischen Kongresses, Jorge Rodriguez, forderte sogar die Verhaftung von Gonzalez und Machado.

Nach der Präsidentenwahl am Sonntag hatte die regierungstreue Wahlbehörde Maduro offiziell zum Sieger erklärt. Die Opposition wirft der Regierung Wahlfälschung vor. Auch die USA, die EU und eine Reihe lateinamerikanischer Länder zweifeln das offizielle Wahlergebnis an. Die Organisation Amerikanischer Staaten erkennt Maduros Wiederwahl nicht an und setzte für Mittwoch eine Dringlichkeitssitzung des Ständigen Rats zur Lage in Venezuela an.

Bei Protesten gegen das Wahlergebnis kamen laut der regierungsunabhängigen Organisation Foro Penal bisher mindestens elf Demonstranten ums Leben, darunter zwei Jugendliche. Zudem wurde nach Angaben der Generalstaatsanwaltschaft ein Polizist getötet. Im ganzen Land seien 749 Demonstranten festgenommen worden, sagte Generalstaatsanwalt Tarek William Saab. Sie hätten unter anderem Polizeiwachen, Büros des Wahlamtes, Rathäuser und Krankenhäuser angegriffen. Ihnen werde Terrorismus, Aufstachelung zum Hass und die Blockade öffentlicher Straßen vorgeworfen.

Die internationale Gemeinschaft reagierte besorgt auf die Entwicklungen. Zahlreiche Länder haben Venezuela aufgefordert, die Auszählung der Stimmen öffentlich zu machen. Die USA erwägen Insidern zufolge neue Sanktionen, sollte es nicht zu mehr Transparenz kommen. Auch die diplomatischen Spannungen in der Region haben sich weiter verschärft. Costa Rica erklärte sich bereit, Machado und Gonzalez politisches Asyl zu gewähren. Machado dankte der Regierung, erklärte aber, es sei ihre Priorität, “diesen Kampf” von Venezuela aus fortzusetzen.

Angesichts des harten Vorgehens der Sicherheitskräfte gegen Demonstranten forderte der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell ein Ende der Repression. “Die Regierung in Venezuela sollte die Festnahmen, die Unterdrückung und die gewalttätige Rhetorik gegen die Opposition beenden”, schrieb der Chefdiplomat der Europäischen Union auf X. “Die Behörden und Sicherheitskräfte müssen den Respekt vor den Menschenrechten garantieren.” UNO-Menschenrechtskommissar Volker Türk zeigte sich in einer Stellungnahme besorgt über die Gewalt. “Ich bin beunruhigt über Berichte über die unverhältnismäßige Anwendung von Gewalt durch Sicherheitskräfte und bewaffnete Gruppen, die die Regierung unterstützen”, so Türk.

Auch Außenminister Alexander Schallenberg (ÖVP) sieht “großen Anlass zur Besorgnis”. Im Gespräch mit der APA unterstrich er zudem: “Es gibt sehr berechtigte Zweifel an diesem Wahlgang.” Es seien ja keine Wahlbeobachter zugelassen gewesen. “Maduro und seine Leute sind auch im eigenen Interesse dringend aufgefordert, größtmögliche Transparenz walten zu lassen. Das ist auch die Forderung sowohl der Vereinten Nationen als auch der Europäischen Union.”

Die Verantwortlichen in Venezuela sollten endlich der Realität ins Auge blicken, forderte Schallenberg weiters. Laut UNHCR haben bereits knapp acht Millionen Menschen das Land verlassen. “Das ist ein Viertel der Bevölkerung.” Ein deutlicheres Votum, dass die Menschen mit der Entwicklung nicht zufrieden seien, könne man sich gar nicht vorstellen, argumentierte der ÖVP-Minister. Die Migrationsströme – vor allem in Richtung USA – seien zudem eine enorme Belastung für den ganzen Kontinent. Das werde in seinen Gesprächen mit lateinamerikanischen Außenministern immer wieder deutlich. Das Thema Migration sei “die Geißel, die uns überall verfolgt”, so Schallenberg.

Venezuela steckt seit Jahren in einer schweren politischen und wirtschaftlichen Krise. In dem einst wohlhabenden Land mit großen Erdölvorkommen leben mehr als 80 Prozent der Bevölkerung unter der Armutsgrenze. Immer wieder kommt es zu Stromausfällen, Benzin, Gas und Medikamente sind knapp. Mehr als sieben Millionen Menschen – ein Viertel der Bevölkerung – haben Venezuela in den vergangenen zehn Jahren wegen Armut und Gewalt verlassen.