Von: mk
Bozen – Landeshauptmann Arno Kompatscher hat heute im Landtag in seinem Bericht über die Entwicklung der Pandemie von einem Übergang in eine endemische Phase gesprochen. Auch Italien habe nun Lockerungen beschlossen, Südtirol habe Erleichterungen für die Schulen eingeführt, was wegen des regelmäßigen Screenings möglich sei. Einzelne Regierungsvertreter hätten weitere Maßnahmen angekündigt, morgen in der Regionenkonferenz werde man Details besprechen.
Man könne jetzt zu einem niedrigeren Niveau der Vorsicht zurückkehren. Aus wirtschaftlicher Sicht könne man hoffen, dass sich die Wintersaison noch halbwegs erholen werde, allerdings nicht auf dem Niveau von 2019. Man gehe davon aus, dass es im Frühling und im Sommer eine deutliche Entspannung geben werde. Für den Herbst erwarte man wieder steigende Infektionszahlen. Wie sich die Situation entwickle, hänge von Maßnahmen und Impfrate, aber auch von Virusvarianten ab. Die Diskotheken dürften bald wieder öffnen, aber noch mit Einschränkungen, daher würden sie auch weitere Unterstützung benötigen, wozu es in der Landesregierung Einhelligkeit gebe.
Zu Beginn der Sitzung hatten sich Sven Knoll und Andreas Leiter Reber darüber beschwert, dass viele Anfragen von der Landesregierung spät oder gar nicht beantwortet werden. So sei keine parlamentarische Zusammenarbeit möglich. Landeshauptmann Arno Kompatscher wehrte sich gegen den Eindruck, dass man die Anfragen nicht beantworten wolle. Es würden enorm viele Anfragen gestellt, deren Beantwortung für die Mitarbeiter sehr aufwendig sei. Manchmal seien Informationen erst bei anderen Behörden einzuholen. Ulli Mair erinnerte an ihre Anfrage von 2019 zum Gericht, deren Beantwortung noch ausständig sei. Die Landesregierung müsse eben auf die Antwort von den staatlichen Stellen pochen. Vor allem das Regierungskommissariat lasse auf sich warten.
Die Bevölkerung in ganz Europa sehne sich wieder nach Normalität, erklärte LR Thomas Widmann. Australien öffne sich, Dänemark habe alle Beschränkungen aufgehoben, Österreich sehe für den Handel nur mehr FFP2 vor, Großbritannien wolle die Quarantäne für Infizierte abschaffen, auch Italien plane Lockerungen. In Südtirol sei die Hospitalisierungsrate noch hoch, aber mit weit weniger schweren Verläufen. Die Inzidenz sei auf 1.800 gesunken. Vor einem Jahr hatte man 800 Fälle, aber Abteilungen und Intensivstationen überlastet. Widmann erinnerte aber daran, dass die Intensivstationen nicht nur mit Covid-Patienten zu tun hätten, man sei immer noch an der Belastungsgrenze. Das Contact Tracing verlange tausende Telefonate pro Tag. Ärzte, Pflege- und auch Verwaltungspersonal seien unter starker Belastung. Daher könne man noch nicht Entwarnung geben. Im Gesundheitsbereich würden die Auswirkungen dieser Welle noch länger spürbar sein, auch wegen Long Covid. Auch Patienten, die nicht wegen, aber mit Covid eingeliefert wurden, müssten isoliert werden. Viele Infizierte hätten nur sehr leichte Symptome, aber das sei nicht nur auf Omikron zurückzuführen, sondern vor allem auf die Impfungen. Ein Grund für viele, nach weiteren Erleichterungen zu rufen, man müsse aber bedenken, dass die Krankenhausauslastung noch nicht auf dem Normalniveau sei. Wer von Omikron genesen sei, sei nicht gegen Delta geschützt, und umgekehrt – daher müsse man weiter auf das Impfen setzen. In Südtirol würden bereits die neuen Covid-Medikamente eingesetzt. Diese seien aber nur bei ganz bestimmten Fällen zu verabreichen, denn es gebe viele Kontraindikationen.
Ulli Mair (Freiheitliche) fragte, was mit dem erklärten Ende des Notstands Ende März zu erwarten sei, kritisierte die FFP2-Pflicht im Unterricht. Eine Psychologin, die doppelt geimpft, dann infiziert und genesen sei, sei suspendiert worden, weil sie den Impfzyklus nicht mit dem Booster abgeschlossen habe. Mair fragte auch nach der Situation des genesenen Sanitätspersonals, das dennoch nicht wieder an die Arbeit darf.
Peter Faistnauer (Perspektiven Für Südtirol) berichtete von Elternprotesten gegen die 2G-Pflicht im öffentlichen Nahverkehr. Die Kontrolleure würden sehr streng vorgehen.
Bestimmte Maßnahmen seien sinnvoll, andere seien medizinisch nicht begründbar, meinte Sven Knoll (Süd-Tiroler Freiheit). Zu letzteren zählte er die Suspendierungen im Sanitätsbetrieb. Israel kontrolliere kein Impfzertifikat mehr. 90 Prozent der Maßnahmen seien zu hinterfragen. Er fragte, ob nicht Impfbare einen Grünen Pass bekämen. Manche Polizeikräfte würden den QR-Code nur aus der App akzeptieren. Knoll fragte auch, was mit Gästen aus Ländern sei, die den Green Pass ausgesetzt hätten.
Helmut Tauber (SVP) dankte dem Landeshauptmann für seinen Einsatz, damit Urlauber wieder über die Grenze kommen können. Er regte an, für die nächste Wintersaison Regeln aufzustellen, die in ganz Europa gleich sind. Für die Diskotheken, die bald wieder öffnen könnten, brauche es klare und verständliche Regeln.
Andreas Leiter Reber (Freiheitliche) fragte, ob die Regionen Druck auf den Staat für weitere Lockerungen machten. Er bat LR Widmann um die Rohdaten zu den täglichen Zahlen, die man sonst nicht einschätzen könne. Ein Screening einer ganzen Kategorie würde mehr Aufschluss geben.
Myriam Atz Tammerle (Süd-Tiroler Freiheit) fragte nach den 3G-Bestimmungen in Banken, Postämtern usw. Ihr sei berichtet worden, dass viele Kontrollen erst nachträglich vorgenommen würden. Für Ausländer würden sich die Türen ohne Auflagen öffnen. Rentner ohne Green Pass würden nicht mehr zu ihrer Rente kommen.
Josef Unterholzner (Enzian) kritisierte, dass sich die Gäste ohne viele Auflagen bewegen könnten, während Einheimische ohne Green Pass nicht mit dem Bus fahren oder zu ihrer Rente kommen könnten. Andere Länder würden lockern, Südtirol verschärfe die Regeln. Ganz Italien lasse genesenes Sanitätspersonal wieder zur Arbeit, Südtirol nicht. Die Schäden der Maßnahmen seien um ein Vielfaches größer als das, was dieses Virus hätte anrichten können.
Franz Ploner (Team K) sah es als nicht nachvollziehbar, wenn ein Genesener, der nur zweimal geimpft sei, nicht den dauerhaften Green Pass bekomme. Er fragte, wann in Südtirol der Novavax-Impfstoff eingeführt werde. Die 2G-Regel habe bei Omikron wenig Sinn. Man sollte vom allgemeinen Screening abkommen und nur mehr die Symptomatischen testen.
Die Menschen mit Beeinträchtigungen seien in den letzten zwei Jahren wenig berücksichtigt worden, erklärte Alex Ploner (Team K), sie hätten z.B. nicht mehr die geschützten Werkstätten besuchen können. Hier sei schnellstens wieder Normalität herzustellen.
Derzeit sehe es so aus, dass der Notstand am 31. März ende, bestätigte LH Arno Kompatscher, aber damit sei die Pandemie nicht vorbei, und bestimmte Maßnahmen würden aufrecht bleiben. Der allgemeine Notstand eröffne Möglichkeiten, um z.B. bei Vergaben, Einstellungen usw. von den normalen Regeln abzuweichen. Laut Studien seien FFP2-Masken sicherer als andere, und danach wolle man sich richten. Die Maskenpflicht im Freien werde bald fallen. Die Regionen drängten darauf, dass eine Infektion wie eine Impfdosis zähle, und das jüngste Rundschreiben des Ministeriums gehe in diese Richtung. Bei den Schulen weiche Südtirol von den staatlichen Regeln aus. Weil man das Screening durchführe, könnten auch Getestete im Präsenzunterricht bleiben. Der Südtiroler Sonderweg werde manchmal kritisiert, manchmal aber auch gefordert. Wer immer von Schikanen rede, möge bedenken, dass man diese ganz einfach durch Impfen vermeiden könne. Die entsprechenden Auflagen seien am Eingang der Bank oder des Postamts plakatiert. Diese Maßnahmen seien alle rechtlich gedeckt, und zwar vom Verfassungsgericht, nicht von irgendwelchen Freizeitjuristen. Populisten täten so, als seien die Maßnahmen dazu da, die Menschen zu “sekkieren”. Es könne aber durchaus sein, dass durch die Entwicklung manche Maßnahmen obsolet geworden seien, auch wenn sie zu einer gewissen Zeit sinnvoll gewesen seien. Die Regionen seien mehrheitlich für weitere Lockerungsschritte. Er wisse, wie nötig es die Dienste für Menschen mit Beeinträchtigung brauche. Zeitweilig sei es sehr schwierig gewesen, sie aufrecht zu erhalten, auch wegen der Personalknappheit. Man werde sich bemühen und sehe die Sache als prioritär.
LR Thomas Widmann präzisierte die Voraussetzungen, um den Grünen Pass dauerhaft zu bekommen, dazu gehöre auch die Kombination von Genesung und Impfung. Es würden oft Missverständnisse auftreten, die der Sanitätsbetrieb aber in direktem Kontakt mit Rom schnell klären könne. Es sei nicht so, dass die genesenen ungeimpften Sanitätsmitarbeiter in anderen Regionen wieder arbeiten könnten. Dazu gebe es ein eindeutiges Gutachten. Wer genesen sei, müsse 90 Tage auf die Impfung warten. Wer die Maßnahmen als Wahnsinn bezeichne, sehe nicht, dass man durch die Pandemie in einer wahnsinnigen Situation sei. Die Landesregierung bemühe sich immer, in Rom Anpassungen und Erleichterungen durchzubringen, oft mit Erfolg. Franz Ploner habe recht, wenn er nur mehr die Symptomatischen testen wolle; aber in der Praxis geschehe dies bereits. Fast nur mehr jene, die leichte Symptome hätten, kämen zu den Tests.