Südtiroler Arbeitnehmer

Wie präsent sind unsere Gewerkschaften?

Donnerstag, 22. November 2018 | 23:04 Uhr

Von: bba

Bozen – Eine Gewerkschaftsvertretung direkt in ihrem Betrieb haben im Durchschnitt 45 Prozent der Südtiroler Arbeitnehmer. Das ergibt die AFI-Studie zu den Arbeitsbedingungen in Südtirol (EWCS). Die Gewerkschaftspräsenz ist überdurchschnittlich im Bereich Unterricht und Erziehung (83 Prozent) sowie in größeren Unternehmen, kaum vorhanden im Bereich Landwirtschaft und Gastgewerbe sowie in kleineren Betrieben. Die „weißen Flecken“ auf der Landkarte der gewerkschaftlichen Präsenz in den Betrieben müssten verschwinden, so das AFI, denn mit der digitalen Transformation werde die Mitsprache der Arbeitnehmer unverzichtbar.

Ob kooperative Sozialpartnerschaft, erbitterter Klassenkampf oder schleichender Bedeutungsverlust – die Art des Zusammenspiels zwischen Arbeitgeberverbänden und Gewerkschaften bestimmt die Lohnpolitik und die Qualität der Arbeitsbedingungen in einem Land. Kollektivvertraglich geregelt arbeiten zum Beispiel in Österreich und Belgien fast 100 Prozent der abhängig Beschäftigten, in Litauen nur zehn Prozent, in Italien 80 Prozent. Das österreichische wie das deutsche System kennt die gesetzlich verankerte Mitbestimmung im Betrieb bis hinauf in die Aufsichtsräte. In Italien hingegen hat die Beteiligung der Arbeitnehmer in den Betrieben trotz mehrfacher Versuche nur schwach Fuß gefasst. Für eine Region wie Südtirol ist wesentlich, die „kollektiven Arbeitsbeziehungen“ in den Betrieben selbst gestalten zu können. Dazu hat die EWCS-Erhebung des AFI hat den Südtiroler Arbeitnehmern zwei Fragen gestellt – ob es im eigenen Betrieb eine Gewerkschaftsvertretung gebe und ob über regelmäßige Versammlungen Mitsprache gegeben sei.

In Südtirol geben 45 Prozent der abhängig Beschäftigten an, dass in ihrem Betrieb eine Arbeitnehmervertretung vorhanden ist (der EU-28-Wert liegt bei 50 Prozent). Der Blick auf die Branchen zeigt, dass es in der Landwirtschaft und im Gastgewerbe kaum gewerkschaftliche Ansprechpartner im Betrieb selbst gibt, während dies im Bereich „Unterricht und Erziehung“ für 83 Prozent der Arbeitnehmer der Fall ist. Allgemein nimmt die Gewerkschaftspräsenz mit der Größe des Betriebes zu (in Südtirol von zwölf Prozent bis 88 Prozent).

54 Prozent der Südtiroler Arbeitnehmer geben an, dass in ihrem Betrieb über regelmäßig stattfindende Versammlungen eine Mitsprache möglich sei. Dies liegt über dem italienischen Wert von 43 Prozent und gleichauf mit dem österreichischen Wert von 54 Prozent. Diese Form der Mitsprache findet in größeren Betrieben häufiger statt (74 Prozent) als in kleineren (33 Prozent).

Fazit: Da der Zugang zu den Arbeitsstätten für die Gewerkschaften wesentlich ist, um Arbeitnehmer organisieren zu können, müssen die Gewerkschaften auch in Südtirol ihre Verankerung in den Betrieben verstärken, um die heterogenen Interessen der Arbeitnehmerschaft gerade in der digitalen Arbeitswelt wirksam vertreten zu können.

 

Bezirk: Bozen