Von: apa
Österreich und die Türkei wollen ihre Geheimdienstkooperation im Kampf gegen Terrorismus intensivieren. Interpol sei gut, “aber in Wirklichkeit braucht es ein direktes rotes Telefon zwischen den Diensten”, sagte Außenminister Alexander Schallenberg (ÖVP) am Montag nach einem Treffen mit dem türkischen Innenminister Ali Yerlikaya in Ankara. “Die Farbe des Telefons ist egal. Es muss nur eines geben”, habe Yerlikaya geantwortet.
Die zuständigen Spitzenbeamten seien nun beauftragt, diese Einigung “auf den Boden zu bringen”, sagte Schallenberg in einem gemeinsamen Pressebriefing mit dem Generaldirektor für die öffentliche Sicherheit, Franz Ruf. Dieser wies darauf hin, dass die Themen illegale Migration, Schlepperei und Organisierte Kriminalität eng miteinander verbunden seien.
“Die Terroristen nutzen auch Schleppernetzwerke, um nach Europa zu kommen”, sagte Ruf. Schallenberg rief zu einem beherzteren Kampf gegen illegale Migration auf. “Wir müssen beginnen, den Kampf gegen Menschenschmuggler genau so zu betiteln wie den Kampf gegen Drogenschmuggler”, unterstrich er.
Zum Auftakt seines zweitägigen Besuchs würdigte der ÖVP-Minister die engen bilateralen Beziehungen zwischen Wien und Ankara, erteilte einem EU-Beitritt des Landes aber eine klare Absage. “Die Türkei bewegt sich seit Jahren von der EU weg – in Worten und in Taten. Der EU-Beitritt der Türkei ist eine Illusion”, sagte er. Der frühere Bundeskanzler bekräftigte die langjährige Position Österreichs, wonach es in den Beziehungen zwischen der EU und der Türkei statt einer Vollmitgliedschaft “ein realistisches Nachbarschaftskonzept” brauche, “getragen von pragmatischer Zusammenarbeit”. Schallenberg betonte: “Obwohl – und gerade weil – wir bei vielen Themen nicht einer Meinung sind, ist der pragmatische Dialog umso wichtiger.”
Erster Programmpunkt des Besuchs war eine Kranzniederlegung im Mausoleum des türkischen Republikgründers Mustafa Kemal Atatürk. Der Vater der modernen Türkei hatte im Jahr 1924 auch ein Freundschaftsabkommen mit der damals ebenso jungen Republik Österreich abschließen lassen. “In ihrem Freundschaftsvertrag haben Österreich und Türkiye vor 100 Jahren ihre große Verbundenheit und Freundschaft besiegelt – zwischen den beiden Republiken und den Bürgerinnen und Bürgern unserer beider Länder”, schrieb der Außenminister ins Goldene Buch des Mausoleums.
“Vor 60 Jahren, am 15. Mai 1964, wurde dieser Band mit dem Anwerbeabkommen noch enger geknüpft”, führte Schallenberg mit Blick auf den als “Gastarbeiterabkommen” bekannten Vertrag weiter aus. Die Vereinbarung läutete den Zuzug von türkischen Arbeitern nach Österreich ein und legte die Basis dafür, dass heute rund 300.000 türkischstämmige Menschen in der Alpenrepublik leben.
Im Zentrum des Besuchs stehen die Sicherheitspolitik, der Kampf gegen die illegale Migration sowie die Situation in Gaza, hieß es vom Außenministerium im Vorfeld. Beim Treffen mit seinem Amtskollegen Hakan Fidan am Dienstag wollte Schallenberg auch den Nahost-Konflikt thematisieren. Konkret soll Ankara seine Kontakte zur palästinensischen Terrororganisation Hamas nutzen, um die österreichisch-israelische Geisel Tal Shoham freizubekommen.
Die Türkei ist laut dem Außenministerium “ein wichtiges Drehkreuz in einer sehr volatilen Nachbarschaft”. Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdoğan versucht sich vor diesem Hintergrund auch als Vermittler zwischen Moskau und Kiew zu positionieren und war kurz nach Kriegsbeginn auch Gastgeber für direkte Gespräche der Konfliktparteien, die aber angesichts der deklarierten russischen Vernichtungsgelüste gegenüber der Ukraine im Sande verliefen.
Weniger diplomatisch tritt die Türkei im Nahost-Konflikt auf. Sie stellte sich klar auf die Seite der Hamas und verhängte kürzlich sogar einen Handelsboykott gegen ihren bisher wichtigen Wirtschaftspartner Israel. Schallenberg betonte diesbezüglich, dass die Türkei derzeit “einer der wenigen Akteure mit belastbaren Kanälen zur Hamas” sei. So habe Erdogan kürzlich den Chef der palästinensischen Terrororganisation, Ismail Haniyeh, in Ankara empfangen.
Innenpolitisch steht Erdoğans konservativ-islamische AK-Partei unter Druck. Bei den Kommunalwahlen Ende März wurde sie erstmals seit ihrer Gründung vor zwei Jahrzehnten landesweit nicht mehr stärkste Kraft. Die sozialdemokratische CHP konnte nicht nur die Bürgermeisterposten in Ankara und Istanbul verteidigen, sondern legte auch in weiteren Großstädten und ländlichen Gebieten deutlich zu.