Von: apa
Der Wiener Bürgermeister Michael Ludwig (SPÖ) ist bekanntlich kein großer Fan von FPÖ-Parteichef Herbert Kickl. In mehreren Zeitungsinterviews warnte er am Wochenende nachdrücklich vor Kickl. Dieser stelle “ein Sicherheitsrisiko” dar, zitierte er den ehemaligen ÖVP-Bundeskanzler Sebastian Kurz, der mit dieser Begründung dem Bundespräsidenten Kickls Entlassung vorgeschlagen hatte. Personaldebatten in seiner eigenen Partei sieht Ludwig nicht.
Von der Kehrtwende der ÖVP zeigte sich der Wiener Bürgermeister im “Standard” und bei “oe24.tv” betroffen: “Aber es gibt ein gewisses Drehbuch, das sich schon in Bundesländern gezeigt hat: heftige Wahlkämpfe, harte inhaltliche Auseinandersetzungen, bis ins Persönliche gehende Konflikte zwischen ÖVP und FPÖ. Und nach einer Ehrenrunde mit der SPÖ bildet die ÖVP eine Koalition mit der FPÖ.” Ludwig geht davon aus, dass es bereits im Vorfeld Gespräche zwischen der FPÖ und – zumindest Teilen – der ÖVP gegeben hatte, weshalb er nicht mit allzu langen Regierungsverhandlungen rechnet. Das sieht auch sein Parteichef so: “Im Hintergrund wurde längst Blau-Schwarz vorbereitet”, sagte Babler der “Heute”. Die FPÖ sei in weiten Teilen eine rechtsextreme Partei, ist Ludwig überzeugt. “Nicht zuletzt hat Herbert Kickl ja das von sich selbst behauptet, er trägt es wie einen Orden vor sich her”, so der Wiener SPÖ-Chef in der “Heute”.
Er bedauerte, dass die ÖVP letztlich vom Verhandlungstisch aufgestanden war. Die Schuld sah er, anders als die ÖVP und die NEOS, nicht bei Andreas Babler. Ludwig stehe zu 100 Prozent hinter dem Parteichef, wie er “immer hinter der Person steht, die den Parteivorsitz innehat.” Gewünscht hätte er sich allerdings, dass die dritte Nationalratspräsidentin Doris Bures “mehr in die Verhandlungen eingebunden gewesen wäre”, sagte er in der “Presse”. Grundsätzlich seien die Vertreter der starken Wiener SPÖ aber in den diversen Untergruppen stark vertreten gewesen.
Ludwig verortet Österreich nun “am Scheideweg”. Wie er in einem Facebook-Posting am Samstag mitteilte, würde er die Verhandlungen gerne wieder aufnehmen: “Die SPÖ ist selbstverständlich jederzeit bereit, sofort die Verhandlungen mit ÖVP und Neos neu aufzunehmen, um eine Bundesregierung zu bilden, die sozial gerecht, wirtschaftlich wettbewerbsfähig und gesellschaftspolitisch liberal die Herausforderungen in unserem Land bewältigt.” Von ÖVP und NEOS kam wenig überraschend prompt via “Kurier” eine Absage.
Wien ist nicht Österreich
Einmal mehr betonte der Wiener Bürgermeister auch, dass der bundespolitische Zwist zwischen seiner Partei und den NEOS nicht auf Wien abfärbe, wo man in der “Fortschrittskoalition” gut zusammenarbeite. Diese funktioniere so gut, dass er derzeit nicht über andere Koalitionsoptionen nachdenke. Welche Möglichkeiten in der Bundeshauptstadt bestehen, werde die Wahl zeigen. Prinzipiell gehe er davon aus, dass diese wie geplant im Herbst stattfinden werde, eine Vorverlegung schloss er aber nicht aus.
Dass das rote Wien von Blau-Schwarz benachteiligt werden könnte, glaubt der Bürgermeister nicht: “Wien ist Wirtschaftsmotor und Nettozahler. Jede Bundesregierung ist gut beraten, ein gutes Einvernehmen mit Wien herzustellen. Das erwarte ich mir.” Allerdings befürchtet Ludwig, dass eine von Herbert Kickl geführte Bundesregierung dem Tourismus schaden könnte.
FPÖ-Nepp: “Attacken eines Bürgermeisters unwürdig”
Auf Kritik stießen die Äußerungen Ludwigs naturgemäß bei der FPÖ, der Wiener Parteichef Dominik Nepp meldete sich in einer Aussendung zu Wort: “Die wüsten Attacken von Michael Ludwig gegen die FPÖ und Herbert Kickl sind eines Bürgermeisters unwürdig und zeigen einmal mehr, dass er nichts anderes im Sinn hat, als von den massiven Versäumnissen seiner eigenen Politik abzulenken.” Einmal mehr schoss er gegen das rote Wien: “Das rote Wiener System bevorzugt seit Jahren Personen, die keinen Beitrag für unsere Gesellschaft leisten, während die hart arbeitende Wiener Bevölkerung und jene, die unverschuldet in Not geraten, immer weiter unter die Räder kommen.
Nicht alle Industrielle über Blau-Schwarz erfreut
Vor allem der Wirtschaftsflügel und die Industriellen gelten innerhalb der ÖVP als treibende Kraft hinter einer Koalition mit den Freiheitlichen. Kritisch gegenüber der FPÖ gab sich am Samstag der Chef der niederösterreichischen Industriellenvereinigung, Kari Ochsner. “Eine Festung Österreich ist ein totaler Blödsinn und nicht machbar, wir können aber auch nicht alle Probleme der Welt lösen”, meinte er im “profil”. Weiters sei nach den gescheiterten Verhandlungen Blau-Schwarz zwar “alternativlos”, aber: “Der Einsatz für die Zukunft unseres Planeten und gegen den menschengemachten Klimawandel darf durch die aktuelle politische Konstellation nicht gefährdet werden. Eine Anpassung der oppositionellen Ansichten der FPÖ zu Europa, Russland und dem Klimaschutz ist für mich unumgänglich”, betont er.
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