Von: apa
Das in ganz Österreich geltende und in Tirol verschärft vorhandene Lkw-Nachtfahrverbot gerät erneut ins Visier der Bundeswirtschaftskammer. Der Obmann des Güterbeförderungsgewerbes in der WKÖ, Markus Fischer, forderte in einer Reaktion auf das Koalitionsabkommen zwischen ÖVP, SPÖ und NEOS eine “Aufhebung des Nachtfahrverbots” für die nötige “Entzerrung” des Verkehrs. Postwendend kam eine deutliche Absage von Tirols Landeschef Anton Mattle (ÖVP): “Steht nicht zur Diskussion”.
Fischer kritisierte nicht nur das in Tirol wegen der Transitproblematik besonders im Fokus stehende Lkw-Nachtfahrverbot, zu dem sich die neue Bundesregierung wie zu allen weiteren Anti-Transitmaßnahmen bekannte, sondern auch das koalitionäre Bekenntnis zum “Slot-System”, wie die “Tiroler Tageszeitung” (Mittwochausgabe) berichtete. Ein solches System mit buchbaren Lkw-Fahrten hatten Tirol, Bayern und Südtirol 2023 politisch paktiert, eine Realisierung ist aber mangels Zustimmung der Nationalstaaten nach wie vor in weiter Ferne. Auch wandte man sich gegen “neue Dosierungs-Systeme”. All diese Maßnahmen führten zu einer “weiteren Verknappung der Kapazitäten und damit oftmals zu Verkehrsproblemen wie auch kilometerlangen Staus.” Mit Beschränkungen bekomme man das Problem nicht in den Griff, verlautete Branchen-Obmann Fischer.
Mattle und Zumtobel wiesen Forderung zurück
Landeshauptmann Mattle verwies gegenüber der APA vor allem auf das Regierungsprogramm der Dreierkoalition, dessen Verkehrskapitel er selbst mitverhandelt hatte. Tirol habe sich hier “ganz klar durchgesetzt”. “Die Bundesregierung steht voll und ganz hinter der transitgeplagten Bevölkerung. Im Regierungsprogramm steht wortwörtlich, dass die Anti-Transit-Maßnahmen aufrechterhalten und ausgebaut werden, um Mensch und Umwelt zu entlasten und die Verkehrs- und Versorgungssicherheit sicherzustellen”, betonte Mattle.
Ins selbe Horn stieß Verkehrslandesrat René Zumtobel (SPÖ). Das Lkw-Nachtfahrtverbot sei unbestritten ein wesentlicher Faktor zur Verbesserung der Luftqualität in Tirol. “Ich halte es für einen Trugschluss zu glauben, dass sich durch eine zeitliche Verkürzung des Nachtfahrverbotes die Verkehrsströme entzerren lassen und sich dieselbe Lkw-Verkehrsmenge einfach vom Tag in die Nacht verlagert. Das Gegenteil wird der Fall sein: Mehr zeitliche Kapazitäten werden mehr Verkehr anziehen”, erklärte der Verkehrslandesrat auf APA-Anfrage. Man hätte es also nicht nur mit schlechteren Luftwerten zu tun, sondern: “Tirol würde durch das in der Schweiz seit 90 Jahren geltende Lkw-Nachtfahrtverbot auch noch mehr Umwegverkehr schlucken müssen, der eigentlich durch unser Nachbarland die kürzere Route hätte.” Auch Zumtobel betonte darüber hinaus die politische Rückendeckung durch die neue Bundesregierung.
Thaler nur für “Lockerung” im Falle des Falles
Wenig Freude mit ihrem Kammer-Kollegen hatte Tirols Wirtschaftskammerpräsidentin Barbara Thaler (ÖVP), die kommende Woche – am 12. und 13. März – eine Wirtschaftskammerwahl zu schlagen hat. Sie nannte die Forderung nach Aufhebung des Nachtfahrverbots “unrealistisch”. Die Position der Tiroler Wirtschaftskammer habe sich dahingehend nicht verändert. Für eine bessere Entzerrung – etwa in Folge der Sanierung der Luegbrücke auf der Brennerautobahn (A13) – müsse allenfalls eine Debatte über eine “gewisse Lockerung an den Randzeiten oder eine tageweise Aussetzung” zugelassen werden. Und dem “Slot-System” werde man sich nicht versperren, “wenn gesichert ist, dass es Ausnahmen für den Ziel- und Quellverkehr gibt.”
Schärfere Worte für die Bundeswirtschaftskammer fand der Tiroler ÖVP-Verkehrssprecher und Landtagsabgeordnete Florian Riedl. “Auch der Obmann des Güterbeförderungsgewerbes sollte das akzeptieren, was im Koalitionspakt vereinbart ist. Die Kammer sollte besser das Regierungsübereinkommen lesen”, meinte dieser zur “TT”. Tirol werde den neuen Wirtschaftsminister Wolfgang Hattmannsdorfer (ÖVP) diesbezüglich jedenfalls in die Pflicht nehmen. Die Bundesregierung stehe aber ohnehin “ganz klar hinter der Tiroler Anti-Transitpolitik.”
Kritik von FPÖ und Grünen
Den von der Wirtschaftskammer ins Rollen gebrachten Ball griffen am Mittwoch unterdessen die Tiroler Oppositionsparteien FPÖ und Grüne auf und nahmen die ÖVP unter Beschuss. FPÖ-Landesparteiobmann Markus Abwerzger sowie die Landtagsabgeordnete und Obfrau der Freiheitlichen Wirtschaft, Wirtschaftskammerwahl-Spitzenkandidatin Evelyn Achhorner, forderten eine “unmissverständliche Klarstellung der Tiroler Landesregierung zur Transitpolitik”. “Die ÖVP-Repräsentanten in der Wirtschaftskammer haben mit ihrem Vorgehen Tirol und dessen Bevölkerung einen Bärendienst erwiesen”, kritisierte Abwerzger. Landeshauptmann Mattle müsse seine Tiroler ÖVP “auf Linie im Kampf gegen den Transit bringen”. Mattles bundespolitische Bedeutung gehe “offenbar auch in seiner eigenen Partei gegen Null.”
“Dass die neue Bundesregierung keine drei Tage im Amt ist und schon an den Schutzmaßnahmen für die Tiroler Bevölkerung geknabbert werden soll, ist wirklich bezeichnend”, erklärte Grünen-Klubobmann und Landessprecher Gebi Mair. Er befürchtete, dass den “Transit-Lobbyisten hier der Weg in die Schaltzentralen der Macht geebnet werden soll. Das geht zu Lasten der belasteten Tiroler Bevölkerung.”
In der Vergangenheit hatte es bereits von anderer Seite gehörigen Druck auf das Nachtfahrverbot über den Brenner gegeben. So forderten etwa auch Bayern und Italien dessen Aufhebung. Tirols Landeshauptmann Mattle und die Seinen erklärten hingegen wiederholt, daran ebenso festzuhalten wie an allen anderen “Notmaßnahmen” gegen den überbordenden Transitverkehr. Die Transit-Debatte ist ein Dauerbrenner in Tirol und hatte zuletzt mit der Klage Italiens vor dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) erneut an Fahrt aufgenommen.
Aktuell sind 7 Kommentare vorhanden
Kommentare anzeigen