Von: mk
Kaltern – Der Klimawandel fordert bereits seinen Tribut: Die Ressource Wasser wird immer knapper, auch für die Landwirtschaft. Deshalb sollen im Gemeindegebiet von Kaltern vier große Bewässerungsspeicherbecken gebaut werden – allerdings nicht im Landwirtschaftsgebiet der privaten Bauern, sondern in naturbelassenen Mischwäldern auf öffentlichen Flächen. Das sei ein Schritt in die falsche Richtung, sind sich Dachverband für Natur und Umweltschutz und Heimatpflegeverband Südtirol einig.
Die Ausmaße der geplanten Speicherbecken sind beachtlich. Zwei Becken sollen im Wander- und Naherholungsgebiet Rastenbach/Altenburger Wald entstehen – mit einem Fassungsvermögen von 135.000 bzw. 85.000 Kubikmetern. Das dritte Becken entsteht im Montiggler Wald in einem als Ruhezone ausgewiesenen Gebiet mit einem Fassungsvermögen von 95.000 Kubikmetern, wie die Verbände erklären: „Artikel 4 des Gebietsplandekret untersagt hier jegliche landschaftliche Veränderung.“
Das vierte Becken wird unterirdisch umgesetzt. „Die Bauwerke der drei offenen Becken umfassen eine Grundfläche von fast 14 Hektar und die offene Wasserfläche wird insgesamt fünf Hektar groß. Auch die Verbindungsleitungen werden fast ausschließlich durch naturbelassene Waldgebiete und kaum entlang von bestehenden Infrastrukturen geführt“, erklären die Umweltschützer.
„Speicherbecken sind wichtig, naturbelassene Wälder sind allerdings notwendiger denn je“
Die Notwendigkeit der Speicherbecken wird damit begründet, das Schutzgebiet Kalterer See und großer Kalterer Graben vor weiterer Austrocknung durch Wasserentnahme für die Bewässerung zu bewahren. Deshalb wurden in den letzten Jahren verschiedene Studien gemacht, um eine alternative Wasserversorgung für die Landwirtschaft in diesem Gebiet zu garantieren. „Entschieden hat man sich schließlich dafür, die Speicherbecken im Wald, mitten in beliebten Wander- und Naherholungsgebieten umzusetzen“, kritisieren die Verbände.
Klimaexperten würden immer wieder darauf hinweisen, dass Waldgebiete, vor allem gesunde Mischwälder in niedrigen und mittleren Lagen, eine zentrale Rolle als CO2-Senken, aber vor allem auch für die Resilienz der bewohnten Gebiete gegenüber den Auswirkungen des Klimawandels spielen. Auch für die Biodiversität seien die Wälder enorm wichtig – vom Erholungswert für Touristen und Einheimische ganz abgesehen, so die Umweltschützer: „Deshalb ist es geradezu fahrlässig die gesamte Infrastruktur inklusive der Speicherbecken auf Kosten von naturbelassenen Waldgebieten der Allgemeinheit, statt auf den Flächen der Nutznießer im Landwirtschaftsgebiet zu errichten.“
„Wo bleibt das öffentliche Interesse?“
Die für private Landwirte notwendigen Speicherbecken würden auf einer Naturfläche errichtet, die im gemeinschaftlichen Eigentum ist. Die Nutzungsberechtigten des Waldes seien nämlich alle in der Wählerliste in Kaltern eingetragenen Menschen. Eine transparente Debatte mit den Bürgerinnen und Bürgern ist bisher nicht erfolgt, obwohl die Gemeinde ein anderes Waldstück gefunden habe, um die entgangenen Gemeinnutzungsrechte zu kompensieren. „Es stellt sich daher die Frage, ob es für dieses Vorhaben überhaupt ein öffentliches Interesse gibt und wie allenfalls die Allgemeinheit entsprechend entschädigt wird“, so die Verbände.
Die offenen Bewässerungsbecken werden mit einer Plastikfolie ausgelegt, die mit Porphyrschotter bedeckt wird. Als Ausgleichsmaßnahme sollen die Böschungen mit einheimischen Arten bepflanzt und in der Nähe der Becken Tümpel für Amphibien gegraben werden. Die Speicherbecken selbst werden durch eine Umzäunung vor Menschen und Tieren abgeschottet. „Für den Verlust und die Versiegelung von 14 Hektar Mischwald in beliebten Wander- und Naherholungsgebieten sind diese Ausgleichsmaßnahmen vollkommen unzureichend“ betont der Präsident des Dachverbandes für Natur und Umweltschutz Josef Oberhofer, „die Renaturierung von Ersatzflächen wäre das mindeste.“
Es sei daher notwendig, die Speicherbecken im Landwirtschaftsgebiet und naturnahe zu errichten. „Dass das möglich ist, zeigen Projekte in Schigebieten in der Schweiz. Dort werden bereits vielfach Speicherseen nicht mehr als umzäunte, schwarz ausgekleidete rechteckige oder runde Becken umgesetzt, sondern in die Landschaft eingebettet mit Zugang für Tiere, die die offenen Wasserflächen sehr schnell als Lebensraum und Tränke nutzen, und für Menschen als Naherholungsgebiet“, so die Verbände.
Warnung vor Präzedenzfall
Die Umweltschützer rechnen: Die geplanten Speicherbecken sind die ersten von vielen, die aufgrund des Klimawandels in den nächsten Jahrzehnten für die Bewässerung der landwirtschaftlichen Flächen errichtet werden müssen. Deshalb sei eine grundlegende Entscheidung notwendig, so die Obfrau des Heimatpflegeverbandes Claudia Plaikner: „Sollen die Speicherbecken in Zukunft als sterile Fremdkörper mitten in naturbelassenen Gebieten der Allgemeinheit oder wo immer möglich als naturnahe Seen oder unterirdisch auf den Flächen der Nutznießer im Landwirtschaftsgebiet errichtet werden?“
Bis Dienstag, 20. Juni kann noch jeder Bürger seine Einwände und Vorschläge zu den geplanten Becken an die Gemeinde Kaltern schicken. Die Unterlagen gibt es hier.