Teures Wohnen und seine gesellschaftlichen Folgen

Wohnkosten bereiten mehr als einem Drittel der Südtiroler Kopfzerbrechen

Donnerstag, 27. März 2025 | 10:18 Uhr

Von: mk

Bozen – Eurac Research und das Landesinstitut für Statistik ASTAT haben untersucht, wie hoch der subjektiv empfundene Wohnkostendruck der Südtirolerinnen und Südtiroler ist und welche sozialen, politischen und ökologischen Fragen damit verbunden sind.

Leistbares Wohnen steht schon seit geraumer Zeit im Fokus der öffentlichen Debatte. Eine repräsentative Umfrage des Forschungszentrums Eurac Research und des Landesinstituts für Statistik ASTAT hat nun die subjektive Wahrnehmung des Wohnkostendrucks in Südtirol untersucht. 954 Personen wurden zwischen Oktober und Dezember 2024 dazu befragt. Die Ergebnisse zeigen: Mehr als ein Drittel der Südtirolerinnen und Südtiroler kommt in Sachen Wohnkosten nur schwer über die Runden.

Hohe Wohnkosten werden als größtes Problem in Südtirol wahrgenommen

Das Thema Wohnen stellt viele Menschen in Südtirol vor große Herausforderungen und ist Gegenstand intensiver gesellschaftspolitischer Diskussionen. Eine aktuelle Umfrage des Forschungszentrums Eurac Research und des Landesinstituts für Statistik ASTAT liefert nun eine repräsentative Datenbasis. Es ist bereits die dritte Zusammenarbeit im Rahmen des ASTAT-Panels „So denkt Südtirol“. Sie zeigt: 80 Prozent der Südtirolerinnen und Südtiroler nannten die hohen Immobilien- und Mietpreise als das mit Abstand drängendste Problem im Bereich des Wohnens und Bauens. Am zweithäufigsten wurden die hohen Zinssätze und die damit zusammenhängenden Schwierigkeiten genannt, ein Darlehen zu erhalten (39 Prozent). Auch indirekte Faktoren, die mit den Wohnkosten in Zusammenhang stehen, wurden genannt: der hohe Anteil an Zweit- und Ferienwohnungen (38 Prozent), Immobilienspekulation (33 Prozent) sowie Leerstand und ungenutzter Wohnraum (29 Prozent). Politisch relevant sind darüber hinaus auch bürokratische Hürden (24 Prozent), ebenso wie die als unzureichend empfundene Unterstützung für einkommensschwache Menschen (22 Prozent).

Hohe Immobilienpreise und laufende Kosten belasten Haushalte

Doch nicht nur Mieten und Kreditrückzahlungen tragen zum steigenden Wohnkostendruck bei, sondern auch verschiedene laufende Kosten rund um das Wohnen, etwa Strom- und Heizkosten sowie andere Nebenkosten. „Aus diesem Grund haben wir die Frage gestellt, wie einfach oder schwierig es für die Befragten im Jahr 2023 war, die gesamten Wohnkosten ihres Haushalts zu bewältigen“, sagt Christoph Kircher, Soziologe am Center for Advanced Studies von Eurac Research. Mehr als ein Drittel der befragten Personen gab an, dass dies (eher oder sehr) schwierig für sie war. Lediglich ein Fünftel gab an, die Wohnkosten problemlos bestritten zu haben.

Unterschiede wurden nach Wohnort und Wohnverhältnissen festgestellt. Für die Landeshauptstadt Bozen zeigt sich etwa, dass der Wohnkostendruck deutlich stärker wahrgenommen wird als im Landesdurchschnitt (45 Prozent vs. 34 Prozent). Außerdem haben laut Studienergebnissen Mieterinnen und Mieter im Vergleich zu Personen, die im Eigenheim wohnen, häufiger Schwierigkeiten, ihre Wohnkosten zu tragen (52 Prozent vs. 32 Prozent).

Vertrauensverlust gegenüber Politik und Gesellschaft bei hohem Wohnkostendruck

„Steigender Wohnkostendruck ist nicht nur ein individuelles Problem der jeweils Betroffenen. Unsere Studie macht deutlich, welche gesellschaftlichen Konsequenzen sich daraus ergeben können und wie eng die Wohnfrage mit sozialen, politischen und ökologischen Einstellungen verknüpft ist“, unterstreicht Felix Windegger, Sozioökonom am Center for Advanced Studies. Um diesen Aspekt herauszuarbeiten, wurden unter den Befragten zwei Gruppen identifiziert: jene, die die Wohnkosten (eher oder sehr) schwer bewältigen konnten und jene, denen dies (eher oder sehr) leichtfiel.

Die Auswertung zeigt, dass ein hoher subjektiver Wohnkostendruck mit größerer Unzufriedenheit und einem geringeren Vertrauen in die Politik in Südtirol verbunden ist. „Prekäre Lebenslagen – einschließlich unsicherer Wohnverhältnisse – können, nicht zuletzt, weil sich die betroffenen Personen allein gelassen fühlen, das Vertrauen in politische Institutionen untergraben und die Bildung von Ressentiments gegenüber der Politik begünstigen“, betont Windegger. Personen, die ihre Wohnkosten nur schwer bewältigen konnten, gaben häufiger an, dass Parteien nur an Stimmenfang interessiert seien (70 Prozent vs. 56 Prozent) und dass sie selbst keinen Einfluss auf die Politik hätten (60 Prozent vs. 48 Prozent). Sie sprechen sich auch eher gegen Umwelt- und Klimaschutzauflagen im Baubereich aus, wenn diese eine zusätzliche finanzielle Belastung darstellen.

Die Studie zeigt außerdem, dass Personen, die finanziell unter Druck stehen, im Schnitt eine geringere soziale Verbundenheit in ihrem Wohnumfeld feststellen. Sie stimmen seltener der Aussage zu, dass die Menschen in ihrem Dorf oder Stadtteil gut miteinander auskommen (63 Prozent vs. 74 Prozent), sich gegenseitig helfen (56 Prozent vs. 65 Prozent) oder vertrauenswürdig sind (54 Prozent vs. 70 Prozent). Prekäre Wohnverhältnisse können somit auch das soziale Miteinander und den Zusammenhalt vor Ort belasten. „Der subjektive Wohnkostendruck ist ein Indikator dafür, wie eine Person insgesamt dasteht und welche Lebenschancen ihr offenstehen – oder verwehrt bleiben“, unterstreicht Kircher. „Hohe finanzielle Belastungen aufgrund der Wohnkosten betreffen unmittelbar die Existenzgrundlage der Haushalte und haben daher ein besonders großes Gewicht – und das nicht nur auf individueller, sondern gesamtgesellschaftlicher Ebene. Wohnpolitik ist deshalb auch ein zentrales Werkzeug für sozialen Zusammenhalt.“

Wohnpolitik zwischen Eigentumsfreiheit und sozialer Verantwortung

Um mehr Wohnraum für Ansässige zu schaffen, sprechen sich 69 Prozent der Befragten unter anderem für eine Besteuerung von Zweit- und Ferienwohnungen aus. Gespalten sind die Meinungen hingegen zur Frage, ob Immobilienbesitzerinnen und -besitzer frei entscheiden dürfen sollten, ihre Immobilie leer stehen zu lassen.

„43 Prozent der Befragten lehnen dies ab, was darauf hindeutet, dass viele Südtirolerinnen und Südtiroler Eigentum auch mit gesellschaftlicher Verantwortung verbinden. 36 Prozent hingegen stimmen der Aussage zu, was zeigt, dass das Recht auf Eigentumsfreiheit für einen bedeutenden Teil der Bevölkerung weiterhin eine hohe Priorität hat“, erklären die Autoren der Studie.

Ausgeprägte Skepsis äußerten die Befragten gegenüber der Vorstellung, dass individuelle Leistung und Fleiß ausreichen, um sich in Südtirol angemessenen Wohnraum leisten zu können. Zwei Drittel gaben an, dass diese Aussage nicht stimme. Zudem stößt die Aussage, dass Menschen bei zu hohen Mietpreisen einfach in günstigere Gegenden ziehen sollten, bei den meisten Befragten (67 Prozent) auf Ablehnung. Die Ergebnisse legen nahe, dass der Großteil der Südtirolerinnen und Südtiroler das Wohnen eher als Grundrecht und öffentliches Anliegen anstatt als privatwirtschaftliches Einzelschicksal begreift, das auch durch politische Maßnahmen und Rahmenbedingungen garantiert werden sollte.

Die Umfrage erfolgte auf Basis einer Zufallsstichprobe und lässt daher Rückschlüsse auf die Gesamtbevölkerung zu. Die detaillierten Ergebnisse der Studie „Wohnkostendruck zwischen Ökologie, Politik und Gesellschaft“ stehen unter diesem Link zum Download zur Verfügung.

Bezirk: Bozen

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