Von: mk
Bozen – Bernhard Zimmerhofer (Süd-Tiroler Freiheit) begrüßte bei der Generaldebatte zum Haushalt im Landtag das Ergebnis des Verfassungsreferendums und meinte, dass Südtirol sein Ja irgendwann einholen werde. Sei Vertrauen in die Landesregierung sei angeschlagen worden, als man eine Firma aus Apulien für die Behindertentransporte beauftragt habe. Die Zweisprachigkeitsbestimmungen seien einzuhalten, ansonsten sei der Auftrag zu entziehen.
Kompatscher habe sich in seiner Rede zur Europaregion bekannt, aber entsprechende Vorschläge der STF abgelehnt, etwa zur Verbindung Zillertal-Ahrntal oder zu Energie 2050. Angesichts der Summen, die Südtirol an Rom zahle, habe das Land in vielen Dingen wenig mitzureden, etwa bei der Öffnung für auswärtige Telefondienstanbieter oder bei den Investitionen für Rai Südtirol. Die Bauwirtschaft sei laut Kompatscher im Aufwind, aber die Investitionen für Militärareale seien nicht im Sinne der Südtiroler.
Die Wasserkraft sei wieder in Südtiroler Hand, sie sei aber teuer erkauft, und die Bürger zahlten weiter die höchsten Strompreise Europas. Eine Fusion Tiwag-Alperia wäre ein guter Schritt, auch um Angriffe von staatlicher oder privater Seite abzuwehren.
Zimmerhofer bezweifelte, dass es bei 1.400 Flüchtlingen bleiben werde, man sollte rechtzeitig reagieren. Südtirol brauche die Zuständigkeit für die Zuwanderung. Wieder aufzugreifen sei auch das Problem der ehemaligen Südtirol-Aktivisten.
Der einzige Weg, um der römischen Schuldenfalle zu entkommen, wäre eine Steuer- und Finanzhoheit. Aber der Landeshauptmann schicke lieber Geld nach Rom als dass er weitere Kompetenzen einfordere, etwa für die Post. Zimmerhofer wiederholte die Forderung nach einer Sportautonomie. Jedenfalls sei zu vermeiden, dass unsere Sportler nationalistisch missbraucht werden. Der Ausstieg Italiens aus dem Euro werde von namhaften Volkswirten prophezeit – Südtirol müsse sich deshalb überlegen, ob es beim Euro bleiben wolle.
Die Haushaltsrede sei von Selbstbewusstsein gekennzeichnet, meinte Hans Heiss (Grüne). Nach Niederlagen beim Flughafen, nach der Schließung von Geburtenabteilungen und nach den Angriffen von Medien und Altmandataren wolle Kompatscher nun eine positive Bilanz ziehen. In Südtirol habe die SVP das Referendum gewonnen, in den PD-Hochburgen habe sich das Nein durchgesetzt. Gegen die Probleme Italiens hätte die Verfassungsreform genauso gewirkt wie Aspirin gegen Lungenentzündung. Renzi habe die Probleme zwar erkannt, aber seine ganze Energie in die Verfassungsreform gelegt und dafür ein Nein von der Bevölkerung bekommen. Die SVP habe Ja gesagt und Nein gemeint – Ja zur Schutzklausel und Nein zu italienischen Verhältnissen. Das Gewicht der SVP sei dadurch nach außen gestärkt worden, nach innen zeigten z.B. andere Referenden ein anderes Ergebnis, und die Wähler hätten ein langes Gedächtnis.
Heiss wies auf die internationale Situation hin, die sich verschärft habe, in Moskau und Kiew, in Ankara und Washington. Wenn in Frankreich Le Pen verliere, dann bestehe immerhin die Chance, dass auch Italien und Deutschland stabil blieben. Für den Süden Europas brauche es einen Marshallplan, ebenso einen gesamteuropäischen Plan zur Flüchtlingskrise. Letztere könne nicht durch Nationalstaaten gelöst werden, sondern durch eine europäische Republik mit starken Regionen. Jedenfalls werde der Populismus spätestens in zwei Jahren auf den harten Boden der Tatsachen fallen. In Kompatschers Rede stünden auch mehr Tatsachen als Parolen. Fehlen würden zwei eher emotionale Themen, zum einen das heimatliche Südtirol, Südtirol als gemeinsame Heimat für alle. Südtirol bewerbe sich als begehrenswertester Lebensraum Europas, die Nächtigungszahlen hätten nie gekannte Ausmaße erreicht, aber mit Folgen für die heimische Bevölkerung. Ein Teil der Heimat sei auch Bozen, in dem sich die großen Themen Südtirols konzentrierten. Diese Stadt brauche mehr Aufmerksamkeit. Innichen und Sterzing seien durch die Schließung der Geburtenstationen unheimatlicher geworden.
Ein zweites Thema sei die Gerechtigkeit, unter den Sprachgruppen, aber auch darüber hinaus. In einer Region wie Südtirol seien überhöhte Einkommensdifferenzen nicht nur Privatsache. Der Reichtum konzentriere sich immer mehr auf kleinere Gruppen, während Alleinerzieher und Migranten am unteren Ende der Skala stünden. In Wien gebe es 220.000 Sozialwohnungen, Südtirol komme im Verhältnis nicht auf ein Zehntel davon.
Heiss warnte, dass Einnahmen auch einmal ausfallen könnten, auch wenn die Konjunktur derzeit positiv sei. Er verwies auf die Einnahmen von Etschwerke und Alperia, die trotz Fusion unter der Erwartung blieben. In der Flüchtlingspolitik brauche es mehr Anstrengungen, damit die Betroffenen nicht in Illegalität und Armut abrutschten. Sie würden auf keinen Fall in ihre Heimat zurückkehren, daher müsse man eine Perspektive für sie andenken. Der Landeshaushalt 2017 sei gut aufgestellt, er sei aber auch als Atempause vor den nächsten Herausforderungen zu sehen.
Roland Tinkhauser (Freiheitliche) bemerkte, dass die Haushaltsgesetze nach den neuen Harmonisierungsregeln kürzer seien und damit auch weniger Angriffsfläche böten. Südtirol könnten, nach sieben mageren Jahren, nun gute Jahre bevorstehen, die Wirtschaftsdaten würden darauf hinweisen. Viele Unternehmen hätten in die Zukunft investiert und könnten nun durchstarten. Der Tourismus sei in einigen Gebieten an seine Grenzen gestoßen, aber die Nachfrage sei größer als je zuvor. Daher sei nun mehr in Qualität statt Quantität zu investieren. Die Politik in Südtirol habe vieles richtig gemacht, man habe die Rahmenbedingungen für Investitionen geschaffen, auch wenn sich die Irap noch weiter senken ließe, wie im Trentino. Ein großes Problem sei die Ungewissheit über Italien, das sei investitionshemmend. Wirtschaftstreibende hätten beim Referendum an stabile Verhältnisse gedacht und nicht an den Zentralismus, daher das Ja. Renzi habe nicht alles falsch gemacht, seine Pläne für die Entlastung der Wirtschaft seien positiv gewesen. Irgendwo könne man auch sagen, die Südtiroler wollten mit ihrem Ja auch den Staat retten.
Südtirol habe nur wenige strukturschwache Gebiete, dort seien verstärkte Maßnahmen nötig. Die Exportförderung habe gewirkt, bei der Förderung von Forschung und Entwicklung sollte man auch die Entwicklung zur Marktreife unterstützen. Noch mehr zu unterstützen seien Forschung und Entwicklung in den Betrieben, nicht nur in den Forschungseinrichtungen. Das Gießkannenprinzip sei in vielen Bereichen abgeschafft worden außer in der Landwirtschaft, doch auch dort wäre es anzudenken.
In der Mobilitätspolitik sah Tinkhauser eine Ungleichbehandlung der Akteure – den einen seien Steuern erlassen worden, den anderen nicht. Er hoffe, dass dies nach der neuen Ausschreibung der Vergangenheit angehöre. Er bedauerte die Ablehnung des Flughafenausbaus und fragte, ob es Interessenten gebe.
Ein gemeinsamer Nenner zur direkten Demokratie sei möglich, aber wenn man das Schweizer Modell wolle, dann müsse man auch die Politik anders aufstellen. Falsch wäre es, wenn man mit 200 Unterschriften jeden Beschluss der Landesregierung blockieren könnte. Für die Politik sollte man gewisse Standards einführen, man habe nach dem Rentenskandal zu viel gekürzt und werde schwerlich Gutverdiener für ein Engagement gewinnen. Die Sitzung wird morgen wieder aufgenommen.