Bestürzung immer noch groß

Zugunglück: „Nichts wird sie aufhalten“

Donnerstag, 24. November 2016 | 12:00 Uhr
Update

Von: mk

Bozen – Das tragische Schicksal des 17-jährigen Abel Teresgen aus Eritrea, der am Montag von einem Zug erfasst wurde und tödlich verunglückte, bewegt die Bozner weiterhin. Der Jugendliche hat einen Bruder in Frankfurt am Main und wollte vermutlich dorthin gelangen. Bürgermeister Renzo Caramaschi sieht – trotz der Proteste der Freiwilligenorganisationen – wenig Chancen, die Situation zu verbessern, wie das Tagblatt Dolomiten berichtet.

Die drei Jugendlichen, die Teresgen begleitet haben, wurden inzwischen in der Notunterkunft im Ex-Alimarket in Bozen-Süd untergebracht. Sie haben den Bruder des Toten kontaktiert, der noch diese Woche nach Bozen kommen soll.

Hilfsorganisationen und Vereine, die am Bahnhof arbeiten und die Flüchtlinge betreuen, haben unterdessen harsche Kritik geübt. Die blieb im Rathaus nicht ungehört.

Bürgermeister Caramaschi betont jedoch laut dem Dolomiten-Bericht, dass es sich um ein europäisches Problem handle. Europa müsse in der Flüchtlingsfrage endlich aktiv werden. „Wir als Gemeinde können uns einfach nicht um alles kümmern“, erklärt Caramaschi gegenüber den „Dolomiten“ – auch, weil die finanziellen Mittel beschränkt seien.

Weitere Polizeikräfte zur Kontrolle zu fordern, sei laut Caramaschi ebenfalls nicht zielführend: „Diese Menschen träumen von einem besseren Leben und lassen sich von nichts aufhalten, nicht einmal von Zäunen.“ Der Bürgermeister spricht von einer menschlichen Tragödie.

Die Quästur hat die Kontrollen am Bozner Bahnhof übrigens bereits vor dem tödlichen Unfall erhöht.

Kritiker erhoben den Vorwurf, dass der Tod des 17-Jährigen völlig umsonst gewesen sei. Kinder- und Jugendanwältin Maria Ladstätter erklärte Medienberichten zufolge, dass der Jugendliche als Minderjähriger ein Anrecht auf Familienzusammenführung gehabt habe. Damit hätte er auf normalem Weg im Zug zu seinem Bruder nach Frankfurt fahren können – ohne sich auf einem Güterzug verstecken zu müssen.

Am Samstag soll das Alter des Jugendlichen definitiv geklärt werden. Sein Bruder, der in Frankfurt auf die Behandlung seines Asylantrags wartet, kommt nach Bozen.

Auch wenn sich herausstellen sollte, dass Abel Teresgen volljährig war, finden Kinder- und Jugendanwältin Ladstätter, die Bozner Stadträtin Chiara Rabini und viele Freiwillige, dass Verbesserungsbedarf besteht. Mindestens zwei von drei Begleitern des Jugendlichen sind nämlich definitiv minderjährig.

Der Bahnhof in Bozen werde ständig von Flüchtlingen überquert. Darunter sind auch viele Minderjährige, die sich alleine durchschlagen oder in Begleitung unterwegs sind. Die Flüchtlinge würden über ihre Rechte nicht aufgeklärt, erklären die Kritiker. Ladstätter forderte in einem RAI-Interview eine Anlaufstelle für minderjährige Flüchtlinge, die ohne erwachsene Begleitung unterwegs sind, damit diese sofort in eine geschützte Einrichtung überstellt werden können.

Laut den Kritikern hätte der Minderjährige bereits bei seiner Ankunft in Sizilien darüber informiert werden müssen, dass er legal nach Deutschland zu seinem Bruder reisen darf.

Falls die Familie des Jugendlichen nicht für die Kosten der Bestattung aufkommen kann, will die Stadt Bozen für einen angemessene Beerdigung sorgen, wie Stadtrat Sandro Repetto erklärt.

Bezirk: Bozen