additive Gestaltung mit PREFA Schindeln

Radisson RED Hotel in Wien

Donnerstag, 05. Oktober 2023 | 00:01 Uhr

Von: First Avenue

179 Zimmer am Wiener Donaukanal, 8500 m2 Bruttogeschossfläche, 11 Geschosse, Skybar auf einem Tableau, hunderttausend Baustellenfotos und 9000 Rauten: Ein Hotel ist kein Pappenstiel und INNOCAD architecture ist kein gewöhnliches Büro. Die österreichischen Architekten haben früh begonnen, sich als Firma auf einem Markt zu verstehen, der sie nicht blockiert, sondern ihre Kreativität freisetzt. Seit mehr als 20 Jahren sind sie mit kräftigen, teils radikalen Architekturen erfolgreich.

Die Firma
Fashion, Branding, Product, Identity, Corporate and so on … Die Architekturfirma INNOCAD architecture aus Graz hatte noch nie Probleme mit den Begriffen der New Economy und formulierte schon früh, dass sie sich als Unternehmen begreift und den Markt als kreatives Potenzial betrachtet. Das Team arbeitet in einem 2005 transformierten Gebäude in der Grazer Innenstadt. Man erregte damals großes Aufsehen mit der Baulücken – schließung und einem hybrid-funktionalen Programm, welches Teile eines Bestandsgebäudes reaktivierte. Im Wesentlichen ist der Ort aber als Firmenmittelpunkt, Wohnadresse und Kreativwerkstatt das Statement einer funktionalen wie räumlichen Nachhaltigkeit. Er ist sowohl Keimzelle als auch manifeste Verkörperung des Systems INNOCAD. Martin Lesjak, einer der Gründer, ist der kreative Motor der Firma und zelebriert eine mehrspurige Design-Strategie. Für die Umsetzung ihrer komplexeren und mittlerweile auch internationalen Projekte hat man sich Partner aufgebaut, die zusätzlich das Handwerkliche und das Management einer Bau – stelle beherrschen. Oliver Kupfner zum Beispiel ist seit Jahren für große Bauprojekte wie das Hotel THE ROCK Radisson RED Vienna verantwortlich.

Formgebung – Formentwicklung

Die Vorgaben aus dem Bebauungsplan und die Wiener Bauordnung boten einen verhältnismäßig geringen Spielraum, den INNOCAD architecture mit der Baukörpergeometrie versuchte weitestgehend auszureizen. Dem Investor war wichtig, möglichst viel nutzbare Fläche aus dem Grundstück herauszuholen. Oliver Kupfner bekräftigt, dass der Entwurf darüber hinaus architektonische Qualitäten verfolgt, die entschieden zur Baugenehmigung bei der Stadt Wien beitrugen. Lange lag das Grundstück vorher brach und die Zwänge durch Bauvorschriften machten den Bauplatz kompliziert. Die Stadt Wien lehnte Entwurfsstudien ab, an der Stelle am Donaukanal ein Hochhaus als urbane Landmark zu schaffen. So blieb man mit dem Bauvolumen als klassische Blockrandbebauung im Rahmen des Bebauungsplans und entschied, die an dieser prominenten Stelle notwendige Aufmerksamkeit über Formgebung und Fassadengestaltung zu erreichen. Für die Architektur ergab sich die Herausforderung, besonders konsequent Flächenspielräume und Raumkapazitäten zu benennen und zu gestalten. Mit Gebäudeklasse IV, einer maximal genehmigten Traufhöhe von 16,27 Metern zur einen und 21 Metern zur anderen Straße und einigen weiteren grundstücksspezifischen Vorgaben formten die Architekten eine eher monolithische und scharfkantige Gebäudekubatur. Da man Bauvolumen an einigen Stellen einsparte, ließ sich die Idee einer separaten Bar auf dem Dach realisieren. Die Anzahl und Größe der Zimmer wurden optimiert, indem man die Tiefe der Fassade durch nutzbare Fensterlaibungen hinzugewann.

Weniger zeichnen, weniger falsch bauen

Zum Thema Details hält sich Kupfner etwas zurück. Nicht, weil diese nicht gelungen wären, sondern weil man viele der Detaillösungen mit dem Fassadenbauer auf der Baustelle weiterentwickelt und spezialisiert hat. Deren prototypischer Charakter sei prägend für die Arbeitsweise von INNOCAD architecture, da auch die Architektur an sich ortsspezifisch und wenig standardisiert ist. Hinzu kam eine komplexere Geometrie der Dachlandschaft, bei deren Ausführung abschließende Entscheidungen nur vor Ort mit den Handwerkern beraten und realisiert werden konnten. Die Rauten der Fassade wurden zum Beispiel über die äußere Baukörperecke hinweg gearbeitet, ohne dass Taschenprofile den Abschluss bilden. So erlangte man den monolithischen Eindruck des Gebäudes, der ästhetisch essenziell für das Gesamtkonzept ist. Mit den 44×44 Rauten von PREFA war das umsetzbar.

Im Streiflicht
„Faszinierend, wie sich die Patina im Streiflicht zeigt“, erklärt Kupfner. Er spricht von einer trotz Aluminium und Vorfabrikation weichen Fassadenhülle, die dem harten Fensterraster gegenübersteht. Zusätzlich holt die Spiegelverglasung der über 100 Fenster die Bewegung der Stadt und des Himmels auf die Fassade. Gebäude und Stadt gehen einen wechselhaften Dialog dadurch ein.

Foto: ©PREFA / CROCE & WIR

From exterior to interior to accessories

Im Rahmen des THE ROCK Radisson RED Vienna belaufen sich die Leistungen der Architekten auf nicht weniger als das Masterplanning und Urban Design, die Exterior und Interior Architecture, das Space Design, Aspekte der Innenarchitektur und das Lichtdesign – Generalplanung und Interior im Ganzen. Die Ebenen, Formen und Materialien, mit denen die Gestalter in den verschiedenen Maßstäben arbeiten, greifen ineinander. Expertise in der Gestaltung zeitgenössischer Arbeitswelten entwickelt INNOCAD architecture seit einem Auftrag für das Wiener Headquarter von Microsoft – neue Museumsräume, Ausstellungen, Möbel und Leuchten entstehen gemeinsam mit dem Spinoff 13&9 Design. So entstehen Teppiche, Akustikelemente, Deckenleuchten und architektonisch inspirierter Schmuck gleichwertig wie Gebäude. Früher nannte man so eine Designhaltung Bauhaus oder omnipotent. Die Architekten beschreiben diese lieber als New Holism. Anders ausgedrückt: Vom Dach über die Fassade und das Zimmerdekor bis zur Dusche und den Zimmerpflanzen geht der Gestaltungswille. Ob auch die Cocktailgläser in der Skybar …? Selbst wenn dem nicht so wäre, ist dem Wiener Hotelprojekt ein generalistischer Anspruch sichtbar eingeschrieben.

Hands-on

Verkrampften Perfektionismus in der Planung gibt es bei INNOCAD architecture in den Prozessen dennoch nicht. Das heißt nicht, dass man nachlässig mit den Dingen umgeht, sondern im Gegenteil sehr fokussiert und effizient im jeweiligen Prozess agiert. „Wir nennen es additive Planung“, beschreibt Kupfner diese Mentalität, die den Gebäuden von INNOCAD architecture zugrunde liegt. Eine Unbefangenheit des Entwerfens findet sich in der Architektur der Grazer, mit der sie scheinbar auch mitten auf der Baustelle und in Bauverhandlungen Dynamik freisetzen. Kupfner selbst, so sagt er, sei dafür zuständig, Projekte auf den Boden zu bringen. Im Dialog mit Martin Lesjak als Creative Brain haben sie es dadurch unter anderem nach Tschechien, Ungarn, Rumänien, Italien und Saudi Arabien mit ihrer Architektur geschafft. Nicht zu vergessen, dass sie als Urheber der Entwürfe und als Begleiter der Bauprozesse die Einzigen sind, die von Beginn an eine belastbare Vorstellung vom Ergebnis haben. Oliver Kupfner plädiert aus diesem Grund für „mehr Zeit für die Planung“ an sich. Nicht im Sinne einer bürokratischen oder absichernden Planung, sondern im Sinne einer agilen, die auch Korrekturen honoriert, um hervorragende architektonische Lösungen zu erreichen. They work with their brains … and act with their hearts!

Foto: ©PREFA / CROCE & WIR
Foto: ©PREFA / CROCE & WIR